open search
close
Kündigung, allgemein Neueste Beiträge Sonderkündigungsschutz

Kann weg – Abberufung des Abfallbeauftragten per Direktionsrecht?

Print Friendly, PDF & Email

Der Abfallbeauftragte genießt Sonderkündigungsschutz (vgl. unseren Blog-Beitrag vom 7.3.2019). Mit der für die Praxis relevanten Frage, ob die Abberufung als Abfallbeauftragter auf Grundlage einer Direktionsrechtsentscheidung zu prüfen ist oder alleine nach den Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu erfolgen hat, hat sich kürzlich das LAG Nürnberg befasst (Urteil vom 21.2.2023 – 5 Sa 76/22).

Worum ging es?

Der Kläger war seit 1993 bei der Beklagten als Ingenieur beschäftigt. Anfang 1994 ernannte ihn die Beklagte zum Betriebsbeauftragten für Abfall. Seine Bestellung wurde mit Wirkung zum 1.1.1998 nochmals vorgenommen. Mit Schreiben vom 31.3.2017 widerrief die Beklagte die Bestellung des Klägers als Betriebsbeauftragter für Abfall. Parallel dazu wurde mit Wirkung zum 1.4.2017 durch die Beklagte ein externer Betriebsbeauftragter für Abfall bestellt.

Hieran schlossen sich zwischen den Parteien Gespräche über eine etwaige Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. den zukünftigen Inhalt der Tätigkeit des Klägers bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an.

Mit seiner rund zweieinhalb Jahre später, Ende August 2019, eingereichten Klage wandte sich der Kläger u.a. gegen seine Abberufung als Betriebsbeauftragter für Abfall vom 31.3.2017. Das Arbeitsgericht stellte daraufhin fest, dass die Rechtsstellung des Klägers als Betriebsbeauftragter für Abfall nicht durch die Abberufung des Beklagten vom 31.3.2017 beendet worden sei. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem LAG Erfolg. Das LAG hielt die Abberufung des Klägers als Betriebsbeauftragten für Abfall rechtlich für zulässig.

Die Entscheidung des LAG Nürnberg

Beim Betriebsbeauftragten für Abfall handele es sich (ebenso wie beim Datenschutzbeauftragten) um ein sogenanntes Funktionsamt. Der Arbeitsvertrag werde nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit dem Amt verbundenen Aufgaben erweitert, wenn der Mitarbeiter dieses Angebot durch sein Einverständnis mit der Bestellung annehme.

Entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung erfolge die Abberufung nicht im Wege des Direktionsrechts. Das Gesetz knüpfe (in § 60 Abs. 3 Satz 1 KrWG i.V.m. § 58 Abs. 1 BImSchG) den nachwirkenden Kündigungsschutz an den Begriff der Abberufung des Immissionsschutzbeauftragten. „Abberufen“ sei so zu verstehen, dass der Amtsträger zum Zwecke der Amtsenthebung oder Versetzung von seinem gegenwärtigen Posten zurückgerufen werde. Es gehe um eine einseitige Maßnahme dessen, der über den Verbleib des Betroffenen in dem Amt zu befinden habe. In diesem Sinne werde der Begriff der Abberufung auch im Gesellschaftsrecht verstanden (§ 66 Abs. 3 GmbHG). Gleiches gelte im Bereich des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) für die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die – dort mit Zustimmung des Betriebsrates – vom Arbeitgeber zu berufen sind. Unter „Abberufung“ sei also der einseitige Widerruf der Bestellung durch den Betreiber zu verstehen. Abberufung und Bestellung bezüglich des Funktionsamtes seien unabhängig vom Grundverhältnis (Arbeitsverhältnis). Anders als beim Funktionsamt des Datenschutzbeauftragten sei die Abberufung des Beauftragten für Abfall selbst auch nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft. Die Abberufung selbst sei nicht als Benachteiligung im Sinne des Gesetzes anzusehen.

Praxishinweise

Wegen grundsätzlicher Bedeutung eingangs aufgeworfener Frage hat das LAG Nürnberg die Revision (5 AZR 68/23) zugelassen. Das letzte Wort wird also das BAG haben. Unabhängig davon sollte die Praxis im Zusammenhang mit der Abberufung des Abfallbeauftragten insbesondere den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz im Blick behalten. Danach kann das Arbeitsverhältnis innerhalb eines Jahres nach der Abberufung nur gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Dr. Sebastian Verstege 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Sebastian Verstege legt seinen Fokus in der laufenden arbeitsrechtlichen Begleitung von Unternehmen auf die Betreuung von Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren.
Verwandte Beiträge
Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Top-Management

Besonderheiten bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern in der mitbestimmten GmbH

Bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern in der mitbestimmten GmbH sind in materieller Hinsicht einige mitbestimmungsrechtliche Besonderheiten zu beachten: Insbesondere kann die Bestellung nur für maximal fünf Jahre erfolgen und bedarf es für die Abberufung eines wichtigen Grundes. Grundsätzlich unterliegen die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern keinen materiellen Beschränkungen, was die Laufzeit der Bestellung und die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung angeht. Anders…
Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge Top-Management

Formelle Hürden bei der Geschäftsführer-Abberufung in der mitbestimmten GmbH

Die Beschlussfassung über die Abberufung eines Geschäftsführers obliegt grundsätzlich der Gesellschafterversammlung. Anders hingegen in der mitbestimmten GmbH: Hier liegt die Zuständigkeit beim Aufsichtsrat. Zudem sind besondere Mehrheitserfordernisse einzuhalten. Wir zeigen, worauf bei der Abberufung eines Geschäftsführers in der mitbestimmten GmbH zu achten ist. Der Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer bedarf grundsätzlich eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Das Gleiche gilt im…
ESG Individualarbeitsrecht Neueste Beiträge

EuGH: Erhöhtes Kündigungsschutzniveau für schwerbehinderte Menschen?

Innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses besteht auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer:innen kein besonderer Kündigungsschutz. An eine Kündigung innerhalb dieser Zeit sind damit grundsätzlich keine besonderen Anforderungen geknüpft. Das könnte sich jetzt ändern: In einer aktuellen Entscheidung zur Kündigung eines Gleisarbeiters hat der EuGH (Urt. v. 10.02.2022 in der Rechtssache C-485/20 HR Rail) festgestellt, dass die Kündigung von Arbeitnehmer:innen mit Schwerbehinderung auch während der „Probezeit“…
Abonnieren Sie den KLIEMT-Newsletter.
Jetzt anmelden und informiert bleiben.

Die Abmeldung ist jederzeit möglich.