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Sonderkündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten

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Der Datenschutzbeauftragte (DSB) genießt nach deutschem Recht besonderen Kündigungsschutz. Die Reichweite dieses Sonderkündigungsschutzes war nach Inkrafttreten der DSGVO unklar, da die deutsche Regelung über die europäischen Vorgaben hinausgeht. Zwischenzeitlich haben EuGH und BAG entschieden, dass der deutsche Kündigungsschutz des Datenschutzbeauftragten grundsätzlich mit dem Europarecht vereinbar ist. Unternehmen sind daher gut beraten, wenn sie sich vor einer Bestellung detailliert Gedanken machen, wen sie benennen wollen.

Die DSGVO sieht vor, dass der Datenschutzbeauftragte vom Unternehmen nicht wegen der Erfüllung seiner Aufgaben abberufen oder benachteiligt werden darf (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO). Die Vorschrift dient der Unabhängigkeit des DSB. Er soll in die Lage versetzt werden, seinen Aufgaben nachzukommen, ohne Konsequenzen seitens seines Arbeitgebers oder Auftraggebers fürchten zu müssen. Der deutsche Gesetzgeber hielt diesen Schutz für nicht ausreichend. Daher übernahm er den bereits seit 2009 im deutschen Recht geltenden Sonderkündigungsschutz auch unter der Geltung der DSGVO (§ 6 Abs. 4 BDSG; für nicht öffentliche Stellen über § 38 Abs. 2 BDSG, wenn eine Pflicht zur Bestellung besteht). Nach diesen Vorschriften sind Abberufung und Kündigung des DSB nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB zulässig. Das gilt unabhängig davon, ob die Gründe in der Erfüllung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu suchen sind oder nicht. Der Kündigungsschutz besteht daher ohne Verknüpfung zu der Erfüllung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter und wirkt sogar noch ein Jahr nach Beendigung der Tätigkeit als DSB nach. Er gleicht damit dem Sonderkündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern oder anderen Funktionsträgern.

Ausweitung des Kündigungsschutzes

Der deutsche Sonderkündigungsschutz geht über den Abberufungs- und Benachteiligungsschutz der DSGVO weit hinaus. So schließt er nicht nur die ordentliche Kündigung aus, sondern entkoppelt sie auch von der Erfüllung der Aufgaben als DSB. Daraus ergibt sich die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen ist und die Vorschrift gegen die DSGVO verstößt. Immerhin ist es ein Ziel der DSGVO europaweit einheitliche Regelung zu gewährleisten. Entsprechend hatte das BAG mit Beschluss vom 30.7.2020 dem EuGH diese Frage vorgelegt (siehe unser Blogbeitrag vom 15. Dezember 2020).

Entscheidung des EuGH

Inzwischen hat der EuGH über die Vorlagefrage entschieden (Urt. v. 22.6.2022 – C-534/20). Zutreffend erläutert der EuGH, dass insbesondere auch die Beendigung des Amts des DSB, welche mit der Beendigung eines zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses einher geht, eine Benachteiligung darstellen kann. Der Schutz des Arbeitsverhältnisses stelle jedoch nicht das eigentliche Ziel sondern allenfalls eine Nebenwirkung der Regelung dar. Das Ziel des Benachteiligungs- uns Abberufungsschutzes liege vielmehr darin, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten und damit auch die Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO zu gewährleisten. Der Schutz des Arbeitsverhältnisses gehöre hingegen zur Sozialpolitik, für die die EU nur Mindestvorschriften erlassen könne. Die Mitgliedsstaaten können jedoch strengere Regeln erlassen. Daher stehe es den Mitgliedsstaaten frei, einen Sonderkündigungsschutz für den DSB vorzusehen.

Konsequenter Weise gelangt der EuGH zu dem Schluss, dass §§ 6 Abs. 4, 38 Abs. 2 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO vereinbar ist, soweit dieser strengere Schutz die Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt. Eine entsprechende Beeinträchtigung liege aber bspw. vor, wenn jede Kündigung eines DSB verboten sei, der nicht mehr die erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitze oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfülle.

Entscheidung des BAG

Das BAG entschied daraufhin, dass der Sonderkündigungsschutz in seiner Ausgestaltung nach deutschem Recht mit der DSGVO vereinbar sei (Urt. v. 25.8.2022 – 2 AZR 225/20). Denn es sei nicht jede Kündigung eines Datenschutzbeauftragten verboten; es müsste lediglich die Schwelle des wichtigen Grundes erreicht werden. Zudem zeige die Möglichkeit eines durch die Aufsichtsbehörden adressierten Abberufungsverlangens (§ 40 Abs. 6 Satz 2 BDSG), dass auch das nationale Recht einen Datenschutzbeauftragten nicht vor jedem Verlust der Rechtsstellung schütze. Auch könnten die Ziele der DSGVO meist ausreichend durch die Abberufung des Datenschutzbeauftragten geschützt werden.

Fazit

Leider ist das BAG nicht darauf eingegangen, dass nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG die Abberufung ebenfalls eines wichtigen Grundes in entsprechender Anwendung von § 626 BGB bedarf. Sie stellt den Arbeitgeber daher grundsätzlich vor die gleichen Herausforderungen, wie eine Kündigung. Ein Abberufungsverlangen durch die Aufsichtsbehörde ist dabei keine echte Alternative, birgt deren Einschaltung doch die Gefahr weitergehender Untersuchungen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Unternehmen sich genau überlegen sollten, ob sie einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten bestellen wollen. Ein interner DSB sollte dabei noch nicht während der Probezeit bestellt werden. Zudem empfiehlt sich – auch wenn die Zulässigkeit immer noch nicht abschließend geklärt ist – eine Bestellung zeitlich befristet auf mindestens zwei Jahre vorzunehmen und zu begründen. Über den Arbeitsvertrag oder eine Zusatzvereinbarung kann auch beispielhaft geregelt werden, was die Parteien als „wichtigen Grund“ betrachten. Zwar wird ein Gericht stets eine Einzelfallabwägung vornehmen. Die Regelung wird jedoch in eine Einzelfallabwägung durch ein Gericht einbezogen werden müssen.

Christine Norkus

Rechtsanwältin

Associate
Christine Norkus berät nationale und internationale Unternehmen überwiegend zu Fragen des Beschäftigtendatenschutzes, sowie zu sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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