Die Betriebsratswahlen 2022 rücken Tag für Tag näher. Dabei stehen vor allem Themen wie die Änderung der Wahlordnung, das Betriebsrätemodernisierungsgesetz oder der Einfluss der Corona-Pandemie im Mittelpunkt. Doch wie sieht es eigentlich mit dem – gesetzlich nicht geregelten – Schulungsanspruch der Wahlvorstände aus?
Es ist allgemein bekannt, dass Betriebsräte einen Anspruch auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen haben. Angesichts der bevorstehenden Betriebsratswahlen stellt sich die Frage, ob ein solcher Anspruch auch dem Wahlvorstand zusteht. Dieser organisiert die Durchführung der Wahl und muss somit die sehr umfangreichen und teils komplizierten Wahlvorschriften im BetrVG und der Wahlordnung zur Betriebsratswahl beherrschen. Angesichts der recht langen Zeitspanne zwischen den jeweiligen Wahlen ist einst vorhandenes Wissen oft nicht mehr abrufbar, soweit es denn überhaupt einmal vorlag. Um Überraschungen zu vermeiden, sollten hier die folgenden Punkte beachtet werden.
Anspruchsgrundlage für den Wahlvorstand
Anders als der Anspruch der Betriebsräte ist ein Schulungsanspruch des Wahlvorstands gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein solcher nicht besteht.
Zwar ist umstritten, woraus sich ein solcher Schulungsanspruch ableitet. Als mögliche Anspruchsgrundlagen werden in der Literatur § 37 Abs. 6 BetrVG und § 20 Abs. 3 BetrVG vorgebracht. Eine Festlegung kann im Ergebnis jedoch dahinstehen, weil ein entsprechender Schulungsanspruch jedenfalls allgemein anerkannt ist.
Aus § 20 Abs. 3 BetrVG folgt zudem, dass der Arbeitgeber die Kosten für diese Schulungen zu tragen hat.
Voraussetzungen für den Anspruch des Wahlvorstandes
An die Frage der Anspruchsgrundlage schließt sich die Frage an, wann und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Schulungsanspruch des Wahlvorstands besteht.
Voraussetzung für den Schulungsanspruch ist zunächst ein Beschluss des Wahlvorstands, über den er den Arbeitgeber anschließend unterrichten muss. Der Betriebsrat selbst kann nicht über die Schulungsansprüche für Mitglieder des Wahlvorstands entscheiden (HessLAG 6.12.2007 – 9 TaBV 153/07).
Nach § 37 Abs. 6 BetrVG müssen Schulungsveranstaltungen des Betriebsrats erforderlich sein. Dies gilt ebenso für den Wahlvorstand. Doch was ist der Maßstab für diese Erforderlichkeit?
Maßstab der Erforderlichkeit
Entscheidend ist der Wissensstand des einzelnen Mitglieds des Wahlvorstandes im Hinblick auf die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl notwendigen Kenntnisse. Auch bei einer erstmaligen Begleitung einer Wahl kann somit die Erforderlichkeit zu verneinen sein, wenn das Wahlvorstandmitglied bereits über die erforderlichen Kenntnisse verfügen sollte. Hingegen ist die Erforderlichkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn ein Wahlvorstandsmitglied bereits einmal zuvor an einer Betriebsratswahl teilgenommen hat. Dies dürfte vor allem dann anzunehmen sein, wenn sich wesentliche rechtliche Änderungen im Vergleich zur letzten Wahl ergeben haben.
Zu beachten ist auch, dass der im Zweifel ausreichende Kenntnisstand eines einzelnen Mitglieds nicht die Erforderlichkeit der Schulung für ein anderes Mitglied des Wahlvorstandes ausschließt. Jedes Mitglied des Wahlvorstands übt sein Amt unabhängig und eigenverantwortlich aus.
Für Ersatzmitglieder gilt, dass die Erforderlichkeit besonders zu begründen ist. Dahingegen hat das Bundesarbeitsgericht für ein erstmals bestelltes Wahlvorstandsmitglied eine halbtägige Schulungsveranstaltung ohne nähere Darlegung des Fehlens ausreichender Kenntnisse der Wahlvorschriften für erforderlich gehalten (BAG 26.4.1995 AP Nr. 17 zu § 20 BetrVG 1972 = NZA 1996, 160).
Auswirkung von Fehlern
Für die Wirksamkeit der Betriebsratswahl ist die Beachtung der Wahlvorschriften von großer Bedeutung. Die Beachtung all dieser Vorschriften ist in der Regel sehr kompliziert, zumal es sich bei Mitgliedern der Wahlvorstände häufig um Nichtjuristen handelt, sodass die meisten der anzuwendenden Normen den Mitgliedern fremd sein werden.
Die Situation wird zudem dadurch erschwert, dass Wahlvorstände häufig sehr schnell Entscheidungen treffen müssen, ohne zuvor juristischen Rat einholen zu können. Dies spricht für eine möglichst gute Schulung der Wahlvorstände. Denn: bei Verstößen gegen Wahlvorschriften ist die Wirksamkeit der Wahl und damit der Bestand des gewählten Betriebsrats gefährdet. Durch ein hieraus resultierendes Wahlanfechtungsverfahren und eine entsprechende Wahlwiederholung können Kosten für den Arbeitgeber entstehen, die in der Regel zu vermeiden gewesen wären.
Fazit
Selbstverständlich ist bei den Wahlvorständen – ebenso wie bei den Mitgliedern des Betriebsrates – der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten und nicht jede Schulungsveranstaltung ohne konkrete Prüfung der Erforderlichkeit zu akzeptieren. Vergleicht man jedoch die Kosten von Schulungsangeboten mit den verhältnismäßig hohen Kosten, die im Falle einer Wahlanfechtung auf den Arbeitgeber zukommen können, kann eine nicht allzu strenge Bewertung der Erforderlichkeit ratsam sein. Zwar ist die Gewährung einer Schulung keine Garantie für einen reibungslosen und fehlerfreien Ablauf der Wahl – dass ein Wahlvorstand vor vielen Jahren bereits eine Schulung besucht hat, sollte den Arbeitgeber aber nicht von der Gewährung einer (erneuten) Schulung abhalten.
Allerdings gibt es mittlerweile mehr und mehr Alternativen zu den klassischen Präsenzschulungen, die selbst sehr teuer sein können. Zu berücksichtigen sind hier vor allem Online-Schulungen, die neben den in der Regel geringeren Kosten auch in Anbetracht des Pandemiegeschehens vorzugswürdig erscheinen.