Die fehlerfreie Wahl des Betriebsrats stellt Unternehmen regelmäßig vor Herausforderungen, da eine Vielzahl von gesetzlichen Anforderungen zu beachten ist. Hierzu zählt unter anderem die richtige Anwendung des Betriebsbegriffs. Insbesondere im Falle von Betriebsteilen stellt sich die Frage, ob hierfür jeweils eigene Betriebsräte zu wählen sind. Die Bestimmung des „richtigen“ Betriebs bei Betriebsratswahlen hat in der Praxis große Relevanz, da der Betriebsrat im Falle einer wirksamen Anfechtung der Wahl aufgrund einer falschen Definition des Betriebs sein Amt verliert und ein neuer Betriebsrat gewählt werden muss.
Unter welchen Voraussetzungen liegen betriebsratsfähige Betriebsteile vor?
Für eine wirksame Betriebsratswahl ist es notwendig, den Betrieb zu bestimmen, dessen Arbeitnehmer der Betriebsrat vertreten soll. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG Betriebsteile als selbstständige Betriebe gelten, wenn sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt liegen. Das Gesetz definiert den Begriff der räumlich weiten Entfernung nicht. Die Auslegung dieses Merkmals ist somit der Rechtsprechung vorbehalten. Gerichte stellen sich hierbei die Frage, ob die in Betriebsteilen beschäftigten Mitarbeiter nach dem Sinn und Zweck des BetrVG trotz der räumlichen Entfernung effektiv von dem Betriebsrat der Unternehmenszentrale betreut werden können. Dies wird man insbesondere dann verneinen müssen, wenn sich keiner der Mitarbeiter der weit entfernten Standorte zur Wahl des Betriebsrats der Unternehmenszentrale stellt und die dortige Wahlbeteiligung gering ist. Ebenso ist der jüngeren Rechtsprechung zu entnehmen, dass Gerichte „moderne Kommunikationsmittel“ wie Skype oder Videokonferenzen nicht als Hilfsmittel ansehen, durch deren Einsatz auch die Mitarbeiter weit entfernter Betriebsteile von dem Betriebsrat der Unternehmenszentrale repräsentiert werden. Zudem dürfte es bei der Fragen der Eigenständigkeit des Betriebsteils wohl nicht auf die Mitarbeiteranzahl ankommen, wenn in den weit entfernen Betriebsteilen im Vergleich zum Hauptbetrieb nur wenige Mitarbeiter beschäftigt sind. Sofern nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern von der falschen Anwendung des Betriebsbegriffs betroffen sind, so liegt womöglich dennoch ein kausaler Fehler für die Wahl des Betriebsrats vor, da nur ein einheitlicher anstatt – wie vom Gesetz vorgegeben – mehrere Betriebsräte gewählt wurde.
Betriebsteile gelten unabhängig von ihrer räumlichen Entfernung gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG auch dann als eigenständige Betriebe, wenn sie durch ihren Aufgabenbereich und ihre Organisation eigenständig sind. Diese beiden Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Es genügt in diesem Zusammenhang eine sog. relative Selbstständigkeit. Sie ist mit Blick auf den Aufgabenbereich dann anzunehmen, wenn in dem Betriebsteil ein vom Hauptbetrieb abweichender, gesonderter arbeitstechnischer Zweck verfolgt wird. Eine selbstständige Organisation setzt eine eigene Leitung auf der Ebene des verselbständigten Teils des Betriebs voraus. Hierbei geht es um die selbstständige Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten, die dem Mitbestimmungsrecht unterliegen.
Hinweise für die Praxis
Es ist darauf zu achten, für welche Betriebsteile aufgrund ihrer räumlichen Entfernung zum Hauptbetrieb jeweils ein eigenständiger Betriebsrat zu wählen ist. Dasselbe gilt für Betriebsteile, die in ihrem Aufgabenbereich und ihrer Organisation relativ selbstständig sind. Zwar können Arbeitnehmer selbstständiger Betriebsteile gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 BetrVG beschließen, dass sie an den Wahlen zum Betriebsrat des Hauptbetriebes teilnehmen wollen. Sofern solch ein Beschluss jedoch nicht gefasst wurde, ist genau zu prüfen, ob für Betriebsteile, welche die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG erfüllen, eigenständige Betriebsräte zu wählen sind.