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Employer Branding: Es beginnt mit der ESG-konformen Stellenausschreibung

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Im Ringen um geeignete Fachkräfte versuchen Arbeitgeber ihre Attraktivität zu steigern. In Zukunft müssen Arbeitsbedingungen daher verstärkt auch an einem nachhaltigen Werteverständnis ausgerichtet werden. Doch wie kann ein Arbeitgeber etwa seine ESG-Strategie für potenzielle Bewerber sichtbar machen? Hier empfiehlt es sich schon bei der Stellenausschreibung anzusetzen. Was zu beachten ist, damit die Stellenausschreibung selbst ESG-konform gestaltet ist, und wie Arbeitgeber gleichzeitig auf die im Unternehmen gelebten Werte aufmerksam machen können, erläutert Isabell Flöter anhand einer Checkliste mit Praxisbeispielen in unserem heutigen Blogbeitrag.

Der demographische Wandel und Fachkräftemangel führt zu Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und einer Verschiebung des in den vergangenen Jahrzehnten bestehenden Kräfteverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Weil (gutes) Personal an vielen Stellen fehlt, sind Arbeitnehmer nicht mehr darauf angewiesen das erstbeste Jobangebot anzunehmen. Arbeitgeber müssen also attraktiver werden, um im „War for Talents“ zu bestehen. Das bedeutet auch, sich den Wünschen und Bedürfnissen der jüngeren Generationen anzunehmen. Deren Fokus hat sich in den letzten Jahren, insbesondere durch die Folgen des Klimawandels, aber auch infolge des sich verändernden gesellschaftlichen Werteverständnisses gewandelt. Nicht (allein) die Höhe der Vergütung ist entscheidend. Vielmehr wollen die Beschäftigten sich mit dem Unternehmen und dessen Werten identifizieren können. Die Entscheidung für einen Arbeitgeber hängt dabei häufig vom Angebot nachhaltiger Arbeitsbedingungen ab wie Chancengleichheit, im Unternehmen gelebte Vielfalt (Diversity & Inklusion), soziales oder umweltbezogenes Engagement, soziale Benefits, eine positive Work-Life-Balance und Familienförderung.

Um sichtbar zu werden, sollten Arbeitgeber bereits mit ihrer Stellenausschreibung punkten. Nachfolgend stellen wir Ihnen eine Checkliste zur Verfügung, die aufzeigt, wie eine Stellenausschreibung „nachhaltig“ gestaltet werden kann. Die Auflistung der Positiv- und Negativbeispiele ist nicht abschließend und lässt sich in jedem Einzelfall beliebig erweitern.

Neutrale Merkmale verwenden
Es gibt keine Voraussetzungen für den Muss-Inhalt einer Stellenausschreibung – nur Aspekte, die keinesfalls aufgenommen werden dürfen, da sie diskriminierend sein können (§ 11 i.V.m. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG). Kritisch sind insoweit mögliche Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Zulässig Unzulässig
Das Anforderungsprofil an den Stellenbewerber ist stets neutral zu halten. Berufsbezogene Fähigkeiten und Qualifikationen können natürlich benannt werden, also Führerschein Klasse C für einen LKW-Fahrer, oder gute Deutschkenntnisse im Sekretariat. Inhaltliche Anforderungen, die nicht für die Tätigkeit erforderlich sind, z.B. gute EDV-Kenntnisse für Busfahrer oder sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift für eine Gebäudereinigungskraft.
Die Stellenbezeichnung „Junior“/“Senior
(Bezug zur Hierarchieebene der Position und damit altersunabhängig zu verstehen).
Anknüpfung an Familienstand oder Ausschreibung der Stelle „für ein Ehepaar“.
Ansprache von „Berufseinsteigern
(richtet sich neben Berufsanfängern an sog „Umsteiger“).
Die Selbstdarstellung des Arbeitsgebers mit einem AGG-Merkmal verknüpfen, z.B. Alter: „junges dynamisches Team sucht Unterstützung„.
Angabe des gewünschten Alters in Zahlen oder Berufserfahrung in Jahren.
Diversity
Stellenausschreibungen sollten ansprechend für Bewerber jeglicher Konfession bzw. konfessionslose Bewerber oder Menschen mit Migrationshintergrund sein.

Ausnahme: Die unterschiedliche Behandlung wegen Religion / Weltanschauung ist zulässig, wenn dies nach Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

Zulässig Unzulässig
Zur Förderung von Diversity in Bezug auf Religion und Herkunft empfiehlt sich eine aktive Ansprache wie z.B. „Wir begrüßen ausdrücklich Bewerbungen von Menschen aller Nationalitäten. Anknüpfungen an Religion (z.B. „die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche setzen wir voraus“), Migrationshintergrund, Hautfarbe oder Staatsangehörigkeit.
Den Bewerbern freistellen, welche persönlichen Daten sie übermitteln wollen, in dem lediglich „aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen“ gefordert werden. Vorlage der „üblichen Bewerbungsunterlagen nebst Lichtbild“ einfordern.
In Bewerbungsmasken auf der unternehmenseigenen Homepage auf die Abfrage von Namen und Bewerbungsfotos sowie Konfessionszugehörigkeit verzichten.
Forderung nach „sehr gutem Deutsch“ nur, wenn aus der Stellenausschreibung als Ganzes ersichtlich wird, dass die Stelle im kommunikativen Bereich entsprechende Deutschkenntnisse erfordert. Anforderung: „Deutsch als Muttersprache“ oder „akzentfreies Deutsch“.
Die Ausschreibung bilingual bzw. zusätzlich in englischer Sprache veröffentlichen.
Genderneutralität
Diskriminierungen im Arbeitsleben, u.a. aufgrund des Geschlechts, sind verboten (§§ 1, 2 AGG). Stellenausschreibungen sind geschlechtsneutral zu formulieren (§ 11 AGG). Bewerber dürfen grundsätzlich nicht wegen ihres Geschlechts ausgewählt oder abgelehnt werden.

Ausnahme: wo zur Erbringung der Tätigkeit das Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Arbeitsaufgabe ist, z.B. kommunale Gleichstellungsbeauftragte, die Integrationsarbeit mit zugewanderten muslimischen Frauen ausführt; eine Stelle in einem Mädcheninternat, die auch Nachtdienste umfasst oder ein Mannequin für Damenoberbekleidung.

Zulässig Unzulässig
Verwendung des Zusatzes (m/w/d) oder (m/w/i/t).
(vgl. unser Blogbeitrag vom 22.02.2022)
Verwendung des Zusatzes (m/w).
(aufgrund der Anerkennung des dritten Geschlechts nicht mehr ausreichend)
Die Verwendung des Gender-Sternchens in der Stellenbeschreibung (z.B. „Diplom-Sozialpädagog*innen“).
(vgl. unser Blogbeitrag vom 19.08.2021)
Eindeutig männliche Berufsbezeichnung, wie z.B. „Geschäftsführer“. Die Verwendung der weiblichen Form bei der Berufsbezeichnung, obwohl die männliche Form im allgemeinen Sprachgebrauch mitgemeint ist.
Für öffentliche Arbeitgeber: „Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt“ stellt keine unzulässige Benachteiligung männlicher Bewerber dar in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind (vgl. § 8 BGleiG). Das weibliche Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung der Bestellung zur Gleichstellungsbeauftragten.
Forderung einer unterschiedslosen Mindestkörpergröße von z.B. 1,70 Metern, soweit nicht sachlich gerechtfertigt.
(Eine bestimmte Mindestkörpergröße ist potentiell geschlechtsdiskriminierend, wenn eine größere Zahl von Frauen unterhalb der vorgegebenen Grenze bleibt als Männer.)
Keine Benachteiligung schwerbehinderter Menschen
Arbeitgeber sind gem. § 164 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, vor Besetzung eines Arbeitsplatzes zu prüfen, ob dieser mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Der Arbeitgeber muss frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, damit diese geeignete schwerbehinderte Bewerber im Rahmen eines Vermittlungsauftrags vorschlagen kann.
Zulässig Unzulässig
Aktive Ansprache z.B. „Wir freuen uns insbesondere über Bewerbungen von schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen“ oder „Uns ist Inklusion und Integration ein wichtiges Anliegen. Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Bewerber:innen finden bei gleicher Eignung besondere Berücksichtigung.“ Stellenanforderungen wie „körperlich voll belastbar“ oder „kerngesund“.
Form der Ausschreibung unter Verwendung:

  • eines barrierefreien PDF
  • des Gender-Doppelpunktes (aber: nicht zwingend)
  •  einer angemessenen Schriftgröße
Veröffentlichung der Ausschreibung auch auf inklusiven Jobbörsen.
Chancengleichheit
Stellenausschreibungen sind grundsätzlich objektiv abzufassen, abgestimmt auf die Stelle und ihre Tätigkeitsanforderungen.
Zulässig Unzulässig
Öffentliche Ausschreibung, die für jeden zugänglich ist (Für öffentliche Arbeitgeber gesetzliche Pflicht nach Art 33 Abs. 2 GG).
Ausnahme: Betriebsrat verlangt die vorherige interne Ausschreibung, § 93 BetrVG.
Ausschreibung so verfasst, dass sie das Profil des „Wunsch-Kandidaten“ trifft (z.B. mit nutzlosen Zusatzkenntnissen wie „fließend Chinesisch“).
Förderung von Work-Life-Balance, Familie & weitere soziale Benefits
Arbeitgeber sollten jenseits gesetzlicher Verpflichtungen zur weiteren Reduzierung von Haftungsrisiken die Möglichkeit nutzen, besondere Benefits – insbesondere über das Homeoffice bzw. mobile Arbeiten hinaus – schon in der Stellenausschreibung zu erwähnen (Employer Branding).
  • Hinweis auf flexible Arbeitszeitmodelle aufnehmen. Z.B. ausdrückliche Teilzeitangebote: „Eine Beschäftigung in Teilzeit ist grundsätzlich möglich, soweit nicht im Einzelfall zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.“
  • Schon in der Stellenausschreibung konkrete Benefits benennen wie z.B. Betriebskindergarten, Eltern-Kind-Raum, Gebetsräume, Sprachkurse, Zuschüsse für soziales Engagement, Mobilitätsbudget etc.

Eine PDF-Version der Checkliste erhalten Sie hier.

Dieser Beitrag ist mit der freundlichen Unterstützung von Emil Schneider, Referendar im Berliner Büro, entstanden.

Isabell Flöter

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Isabell Flöter berät Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs- Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppeen "ESG" und "Unternehmensmitbestimmung".
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