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Handyverbot am Arbeitsplatz – Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats?

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Ein kurzer Blick auf die Uhr, ein Anruf, eine Nachricht auf WhatsApp, Instagram oder TikTok. Das Bedürfnis nach ständiger Erreichbarkeit ist groß und das Handy ein ständiger Begleiter, auch am Arbeitsplatz. Kann der Arbeitgeber die private Nutzung am Arbeitsplatz verbieten? Und was darf der Betriebsrat dazu sagen? Das Bundesarbeitsgericht sorgt für Klarheit.

In seinem aktuellen Beschluss vom 17. Oktober 2023 (Az. 1 ABR 24/22) hat sich das Bundesarbeitsgericht erstmals mit der Frage befasst, ob ein Arbeitgeber ein Verbot der Handynutzung am Arbeitsplatz ohne Beteiligung des Betriebsrats aussprechen kann oder ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zusteht. Der Erste Senat des BAG folgte der Auffassung der Vorinstanz (LAG Niedersachsen) und wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurück. Ein Verbot, während der Arbeitszeit das Handy zu privaten Zwecken zu nutzen, unterliegt demnach nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Bislang liegt nur die Pressemitteilung der Entscheidung vor.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist ein produzierender Betrieb im Bereich der Automobilzulieferindustrie. Sie beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter, die überwiegend in der Produktion tätig sind. Durch betriebsbedingte Wartezeiten (z.B. wegen Maschinenumbauten) kommt es immer wieder zu Leerlaufzeiten, die viele Arbeitnehmer für die Erledigung privater Angelegenheiten mittels ihres Handys nutzen. Durch Aushang im Wege einer Mitarbeiterinformation zum Thema „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ hat die Arbeitgeberin daher die Nutzung von Handys verboten und für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtliche Schritte angekündigt:

  • „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit weisen wir darauf hin, dass jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet ist. Sofern gegen dieses Verbot verstoßen wird, ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen – bis hin zur fristlosen Kündigung – zu rechnen.“

Der Betriebsrat bestand auf seinem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Als der Arbeitgeber sich weigerte, klagte der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung.

Die Rechtsprechung zum Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG

Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betrifft Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Den Arbeitnehmern soll dadurch eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewährt werden. Mitbestimmungspflichtig ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Davon abzugrenzen sind Regelungen und Weisungen, die das Arbeitsverhalten betreffen und damit die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren. Diese sind mitbestimmungsfrei. Betrifft eine Maßnahme zugleich das Ordnungs- und Arbeitsverhalten, kommt es maßgeblich darauf an, welcher objektive Regelungszweck überwiegt. Handelt es sich also bei dem generellen Verbot der Handynutzung am Arbeitsplatz um eine Konkretisierung der Arbeitsleistung oder betrifft die Regelung eine allgemeine Verhaltensregel?

Bisher: Unterschiedliche Sichtweise der Instanzgerichte

Es wurden bisher unterschiedliche Ansichten vertreten. Das Arbeitsgericht München bejahte ein Mitbestimmungsrecht, indem es das Verbot der Handynutzung am Arbeitsplatz dem Ordnungsverhalten zuordnete und den „nur kurzen Blick“ auf das Handy dem Radiohören am Arbeitsplatz gleichsetzte. Darüber haben wir bereits berichtet. Das LAG Niedersachsen sah dies anders und entschied, dass dem Betriebsrat bei einem Verbot der Handynutzung am Arbeitsplatz kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Dieser Entscheidung hat das BAG bestätigt.

Für eine Mitbestimmung des Betriebsrats kommt es auf den Regelungszweck des Verbots an

Das Verbot der privaten Nutzung von Handys am Arbeitsplatz betrifft nach seinem Regelungszweck die Art und Weise der Arbeitserbringung und kein arbeitsbegleitendes Verhalten. Gegenstand des Verbots ist die Festlegung, welche Tätigkeiten die Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zu unterlassen haben. Es soll ein Verhalten der Arbeitnehmer geregelt werden, dass einer tatsächlichen Arbeitsleistung während der Arbeitszeit entgegensteht. Arbeitnehmer können sich nicht gleichzeitig auf ihr Handy und ihr Arbeitsumfeld konzentrieren und benötigen nach dem Ablegen des Handys eine gewisse Eingewöhnungszeit, bevor sie ihre Arbeit wieder aufnehmen können. In dieser Zeit können sie keine Arbeitsleistung erbringen. Das Verbot gilt auch dann, wenn während der Arbeitszeit tatsächlich keine Arbeitsleistung zu erbringen ist, z.B. weil die Maschinen gerade stillstehen.

Anders kann dies bei Verboten sein, die zwar die Arbeitsleistung konkretisieren, sich aber auch auf das Zusammenleben oder Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb auswirken. So hat das BAG (14.01.1986 – 1 ABR 75/83) beispielsweise entscheiden, dass das Radiohören andere Arbeitnehmer bei der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Arbeitspflicht stören kann, so dass ein Verbot das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb und damit die betriebliche Ordnung betrifft. Dies gilt bei einem Handyverbot aber nicht, weil andere Arbeitnehmer durch die Nutzung des Handys regelmäßig nicht gestört werden.

Fazit/Ausblick

Die Entscheidung ist überzeugend und sorgt aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen der Instanzgerichte für Rechtsklarheit. Die private Nutzung des Handys am Arbeitsplatz betrifft im Wesentlichen das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Dem Arbeitgeber steht es im Rahmen seines Direktionsrechts frei, diese durch Weisung ohne Mitbestimmung des Betriebsrats zu untersagen.

Aber Achtung: Die Entscheidung des BAG bezieht sich nur auf die Handynutzung während der Arbeitszeit. Ein generelles Verbot der Mitnahme von Handys an den Arbeitsplatz oder ein Nutzungsverbot in Sozialräumen während der Pausen bleibt mitbestimmungspflichtig. Entsprechende Weisungen sollten daher die Ruhe- und Pausenzeiten ausdrücklich ausnehmen. Dem Arbeitgeber steht es auch frei, das Nutzungsverbot auf bestimmte Bereiche zu beschränken. Gegenüber einzelnen Arbeitnehmern kann ein Handyverbot auch im Wege des Direktionsrechts ausgesprochen werden. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht hier mangels kollektiven Bezugs nicht.

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