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Einsatz von KI ohne Mitbestimmung des Betriebsrats – geht das? und wenn ja, wie?

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Frage an ChatGPT: „Welche Anwendungsmöglichkeiten haben KI-Systeme im Arbeitsalltag?“
Antwort von ChatGPT: „KI-Systeme im Arbeitsalltag automatisieren repetitive Aufgaben, unterstützen bei Analysen und Entscheidungen, verbessern den Kundensupport, und optimieren Prozesse in Bereichen wie Personalwesen, Marketing, Finanzwesen, Produktentwicklung, Supply Chain Management, IT und Cybersicherheit sowie Gesundheitswesen.“

KI-Einsatz kann Kosten senken und die Effizienz von Unternehmen steigern. Als Arbeitgeber auf KI zu verzichten, kann zu ökonomischen und zu großen Wettbewerbsnachteilen führen. Im Spannungsfeld zwischen der fortschreitenden Digitalisierung und dem Schutz der Mitarbeiter stellt sich für Arbeitgeber eine zentrale Frage: Bedürfen der Einsatz und die Nutzung von KI-Systemen im Unternehmen stets der Mitbestimmung des Betriebsrats? Neuere Entwicklungen und ein Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg geben einen Hoffnungsschimmer für Arbeitgeber.

Die jahrelange Rechtsprechung im Bereich der Mitbestimmung bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen zeigt: Bislang wurden die gesetzlichen Regelungen sehr technikfeindlich ausgelegt. Dies hatte zur Konsequenz, dass nahezu jede Standardsoftware der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegt.

Nun zeichnet sich ein Richtungswechsel in der Rechtsprechung ab. Nach dem Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 4.5.2023 – 5 P 16.21; s. unseren Blogbeitrag) hat das Arbeitsgericht Hamburg die Mitbestimmung des Betriebsrats beim Einsatz von KI-Systemen abgelehnt (Beschluss vom 16.1.2024 – 24 BVGa 1/24).

Was kann hieraus als Handlungsmöglichkeit für Arbeitgeber bei dem Einsatz und der Nutzung von KI-Systemen im Unternehmen abgeleitet werden?

Weisung zum Einsatz von KI-Systemen ist mitbestimmungsfrei

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg zeigt, dass folgende Handlungen des Arbeitgebers im Bereich des Einsatzes und der Nutzung von KI-Systemen keiner Mitbestimmung bedürfen:

  1. Der Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmer anweisen KI zu benutzen, insbesondere indem er den Einsatz von generativen KI-Systemen erlaubt und aktiv zur Nutzung ermutigt.
  2. Der Arbeitgeber darf einfordern, dass die Arbeitnehmer die Arbeitsergebnisse kennzeichnen, die unter Nutzung von KI-Systemen erstanden sind.
  3. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern Vorgaben, d.h. eine Guideline in Form von Handbüchern und Richtlinien für die Nutzung der Systeme an die Hand geben.
Was muss der Arbeitgeber bei der Weisung beachten?

Auch wenn sich die Möglichkeit des Arbeitgebers Weisungen auszusprechen vielversprechend anhört, hat der Arbeitgeber beim Einsatz von KI-Systemen einiges zu beachten. Kleinste Abweichungen könnten zu einer Mitbestimmung des Betriebsrats führen. Die Betonung liegt hierbei auf „könnten“, da bis jetzt von der Rechtsprechung nur eine eng umrissene Fallkonstellation entschieden wurde. Weitere Entwicklungen bleiben abzuwarten.

Die Weisung des Arbeitgebers zum Einsatz von KI-Systemen ist (nach heutigem Stand) nur dann mitbestimmungsfrei, wenn:

  1. der Zugang zu dem KI-System nicht über eine vom Unternehmen gehostete und administrierte IT-Infrastruktur ermöglicht wird (z.B. über einen Webbrowser) und
  2. die Arbeitnehmer sich bei der Nutzung der Website über den Webbrowser selbst einen Nutzeraccount einrichten und sich somit privat und nicht über bzw. für das Unternehmen anmeldet (und ggf. eine Betriebsvereinbarung über die Browsernutzung abgeschlossen wurde).
Ausblick

Der Einsatz und die Nutzung von KI-Systemen bedürfen nicht in jedem Fall der Mitbestimmung des Betriebsrats. Um das Spannungsfeld zwischen Technik und Schutz des Arbeitnehmers auflösen, wird die Rechtsprechung angesichts der zukünftigen Regelungsdichte (u.a. aus der KI-VO) insbesondere die bisherige technikfeindliche Auslegung bei der Mitbestimmung dem technologischen Fortschritt anpassen und den Betriebsparteien klare Leitlinien an die Hand geben müssen. Hierzu sollte auch gehören, die Spruchfähigkeit von IT/KI-Rahmenregelungen in Einigungsstellen zu erlauben. Denn nur so werden KI und Digitalisierung für Unternehmen und Betriebsparteien stemmbar sein.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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