Bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Gilt dies auch bei der Weisung eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer, während der Arbeitszeit kein Smartphone für private Zwecke zu nutzen? Das Arbeitsgericht München hat diese Frage in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung bejaht (ArbG München v. 18.11.2015 – 9 BVGa 52/15 [PDF]). Angesichts der großen praktischen Bedeutung dieser Frage und gegenteiliger Auffassungen einzelner Landesarbeitsgerichte (etwa LAG Rheinland-Pfalz v. 30.10.2009 – 6 TaBV 33/09) verdient diese Entscheidung einer kritischen Würdigung.
Was steckt dahinter?
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München reiht sich ein in eine Vielzahl von Entscheidungen deutscher Arbeitsgerichte zum Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das ist wenig überraschend, sind Weisungen mit Bezug zur Ordnung des Betriebs in der Praxis doch allgegenwärtig und betreffen ganz unterschiedliche Bereiche wie Rauch- und Alkoholverbote, Bekleidungsvorschriften oder Regelungen zur Nutzung des Internets oder E-Mail-Systemen. Dagegen sind bisher keine Entscheidungen des BAG zur konkreten Frage nach der Nutzung von mobile devices am Arbeitsplatz veröffentlicht.
In ähnlichen Fällen wurde lediglich entschieden, dass etwa das Radiohören im Betrieb die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer betreffe, so dass der Betriebsrat beim Ausspruch eines Verbots mitzubestimmen habe (BAG v. 18.01.1986 – 1 ABR 75/83). Im Kern geht es bei allen Entscheidungen also um die Frage, ob das verbotene Verhalten der Arbeitnehmer der betrieblichen Ordnung zuzurechnen ist oder lediglich die tatsächliche Arbeitsleistung konkretisiert. Im Falle des Verbots, Radio zu hören, ist diese Frage einfach zu beantworten: Das Radiohören kann andere Arbeitnehmer bei der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Arbeitspflicht stören, so dass ein Verbot das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb und damit die betriebliche Ordnung betrifft. Genau diese Gefahr sah das Arbeitsgericht München auch bei der Nutzung von privaten Mobiltelefonen. Da Smartphones – ebenso wie Radios – das Abspielen von Musik ermöglichen, betreffe ein generelles Verbot der privaten Nutzung in beiden Fällen die betriebliche Ordnung und sei dementsprechend mitbestimmungspflichtig.
Die Rechtsprechung des BAG zum Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist es, den Arbeitnehmern eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens zu gewähren. Dementsprechend sind Maßnahmen des Arbeitgebers, die sich auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beziehen oder die in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien betreffen, nicht mitbestimmungspflichtig. Das ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitgeber in Ausübung seiner Organisations- und Leitungsmacht näher bestimmt, welche Arbeiten in welcher Weise auszuführen sind. Wird durch das generelle Verbot der Handynutzung am Arbeitsplatz also die Arbeitsleistung konkretisiert oder betrifft die Weisung eine allgemeine Verhaltensregel des Arbeitnehmers?
Es kommt auf die geschuldete Tätigkeit an
Im Ergebnis kommt es auf die Art der geschuldeten Tätigkeit der vom Verbot betroffenen Arbeitnehmer an. Allen Entscheidungen zur Mitbestimmung bei der betrieblichen Ordnung ist nämlich gemein, dass die Gerichte ein mitbestimmtes Ordnungsverhalten jedenfalls dann ablehnen, wenn das Unterlassen der verbotenen Verhaltensweise die Art und Weise betrifft, wie die Arbeit zu verrichten ist. So kann zur Kundenberatung oder -bedienung gehören, dass dabei nicht Radio gehört oder ein privates Smartphone genutzt wird, weil dies unmittelbar die zu erbringende Dienstleistung, deren Form und Inhalt der Arbeitgeber zu bestimmen hat, berührt. Auch in anderen Bereichen, in denen bestimmte Tätigkeiten bei einer Handynutzung per se gar nicht oder nur schlecht ausgeübt werden können – etwa bei der Bedienung einer Maschine oder bei Kraftfahrern – betrifft die Weisung des Arbeitgebers unmittelbar die Erbringung der Arbeitsleistung und gerade nicht die Ordnung im Betrieb.
Bewertung
Vor diesem Hintergrund ist der Entscheidung des Arbeitsgerichts München im Ergebnis zwar zuzustimmen, die Begründung ist jedoch nicht überzeugend. Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Arbeitgeber in einem Unternehmen, das Fertigungsteile für die Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelte und produzierte, ein generelles Verbot der Handynutzung für alle ca. 500 Beschäftigen aussprach. Eine Differenzierung des Arbeitgebers nach der Art der geschuldeten Tätigkeit erfolgte indes nicht, so dass das Gericht einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zu Recht bejahte. Allerdings begründete das Gericht das Mitbestimmungsrecht auch damit, dass in dem Verbot der Handynutzung ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zu sehen sei. Ein solcher Eingriff in grundrechtliche geschützte Positionen ist indes schon deshalb abzulehnen, weil es kein Grundrecht des Arbeitnehmers auf freie und unbegrenzte Nutzung des privaten Smartphones während der Arbeitszeit gibt, zumal eine Erreichbarkeit der Arbeitnehmer in kritischen Situationen regelmäßig auch über dienstliche Festnetztelefone gewährleistet ist.
Vermeidung von Rechtsunsicherheiten
Zur Vermeidung einer betriebsverfassungswidrigen Weisung sollten Arbeitgeber dennoch vom Ausspruch eines generellen Verbots der privaten Handynutzung absehen. Vielmehr sollten sie das Verbot der Nutzung entweder nur auf bestimmte Bereiche (etwa Kundencenter) beschränken oder ihr Direktionsrecht nur im Einzelfall gegenüber einzelnen Arbeitnehmern ausüben. Im letzteren Fall fehlt es bereits an einem kollektiven Bezug, so dass eine Mitbestimmung des Betriebsrats von vornherein ausscheidet. In jedem Fall sollten entsprechende Weisungen jedoch die Ruhens- und Pausenzeiten ausdrücklich ausnehmen. Denkbar wäre schließlich auch eine Policy zur Darstellung der „Unternehmensphilosophie” mit allgemeinen ethisch-moralischen Programmsätzen oder Zielvorgaben. Eine solche Richtlinie wäre mitbestimmungsfrei (BAG, Urteil v. 22.07.2008 – 1 ABR 40/07, Rn. 42), aber auch weniger verbindlich als eine Betriebsvereinbarung.
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