Compliance-Verstöße durch Kartellbildung können neben Reputationsschäden auch häufig zu erheblichen Schadensersatzleistungen und Bußgeldzahlungen der am Kartell beteiligten Unternehmen führen. Ob und in welchem Umfang Unternehmen Ersatz von ihren Organmitgliedern und/oder Mitarbeitern erhalten können, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Zwei Kammern des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG Düsseldorf) haben zuletzt die Möglichkeit, Unternehmenskartellbußen auf (ehemalige) Mitarbeiter abzuwälzen, in Fällen zum sog. „Schienenkartell“ verneint und die Regressmöglichkeiten stark eingeschränkt. Hierauf müssen sich Unternehmen bis zu einer gegebenenfalls abändernden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zunächst einstellen.
Entscheidungen des LAG Düsseldorf zum „Schienenkartell“
Im Januar 2015 hat die 16. Kammer des LAG Düsseldorf (16 Sa 459/14) die Klage des Unternehmens gegen einen ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. darauf abgestellt, dass andernfalls die gesetzgeberische Entscheidung, wonach ein Unternehmen nach § 81 GWB sanktioniert werden soll, ins Leere laufe. Hierfür spreche auch die differenzierte Ausgestaltung des Bußgeldrahmens in § 81 Abs. 4 GWB gegen natürliche Personen einerseits und gegen Unternehmen andererseits.
Im November 2015 schlug die 14. Kammer des LAG Düsseldorf (14 Sa 800/15) einen ähnlichen Weg ein. Es wies dabei die auf Schadensersatz für einen Teil des Kartellbußgelds sowie Rechtsanwalts- und Aufklärungskosten gerichtete Klage gegen einen Verkaufsbüroleiter zurück. Für die Frage des Bußgeldregresses schloss sich die 14. Kammer ausdrücklich der Entscheidung der 16. Kammer aus Januar 2015 an. Im Übrigen entschied die 14. Kammer, dass der (unterstellt) grob fahrlässig handelnde Verkaufsbüroleiter nach den Grundsätzen der privilegierten Arbeitnehmerhaftung und unter Berücksichtigung eines überwiegenden Organisationsverschuldens des Unternehmens nicht persönlich hafte. Das überwiegende Organisationsverschulden begründete das Gericht u.a. damit, dass Geschäftsführer von Gesellschaften der Unternehmensgruppe vorsätzlich kartellrechtswidrige Vertriebsvereinbarungen abgeschlossen hätten.
Bleiben Unternehmen auf geleisteten Bußgeldern sitzen?
Abschließend ist dies noch nicht geklärt, denn zumindest mit der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 20. Januar 2015 muss sich noch das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der unter dem Aktenzeichen 8 AZR 189/15 anhängigen Revision beschäftigen. Hier wird das Bundesarbeitsgericht Gelegenheit haben, sich auch mit den gegen die Entscheidung vorgebrachten Argumenten auseinanderzusetzen. So stellt sich die Frage, warum Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Rahmen des Grundsatzes der sog. „Totalreparation“ im Schadensrecht, eine Unternehmenskartellbuße nicht umfassen sollen. Ferner wird das Bundesarbeitsgericht zu klären haben, ob das Schadensersatzrecht eine strikte Trennung zwischen ordnungsrechtlicher Sanktionierung und zivilrechtlicher Haftung verlangt. Auch wird die Frage zu beantworten sein, ob ein Bußgeldregress bei Organmitgliedern und Mitarbeitern tatsächlich gegen Sinn und Zweck staatlicher Ordnungsmaßnahmen – Ahndung und Prävention – verstößt. Dem könnte beispielsweise entgegengehalten werden, dass bereits die Verhängung einer Geldbuße für Unternehmen spürbare Sanktionswirkungen zur Folge hat.
Ob sich das Bundesarbeitsgericht auch mit der Entscheidung der 14. Kammer des LAG Düsseldorf vom 27. November 2015 beschäftigen muss, ist noch offen. Denn das LAG Düsseldorf hat die Revision nicht zugelassen. Das betroffene Unternehmen hat allerdings Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt (8 AZN 1150/15). In diesem Verfahren hat das LAG Düsseldorf zunächst die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung für seine Entscheidung herangezogen. Es hat aber – und dies ist in der Praxis von besonderer Bedeutung – sodann das Organisationsverschulden des Unternehmens höher als das Verschulden des in Anspruch genommenen Mitarbeiters angesehen. Über die Anwendung von § 254 BGB gelangte die erkennende Kammer damit zu einem vollständigen Haftungsausschluss zugunsten des Mitarbeiters. Tragende Bedeutung misst die Kammer vor allem dem Umstand bei, dass selbst bei (unterstelltem) grob fahrlässigem Handeln des Mitarbeiters, das vorsätzliche Verhalten seiner Organmitglieder dem Unternehmen gemäß § 31 BGB zugerechnet werden musste. In diesem Zusammenhang betont das LAG Düsseldorf, dass es das Unternehmen selbst in der Hand habe, Maßnahmen zu ergreifen, damit kartellrechtswidrige Absprachen unterbleiben.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Regressfähigkeit von Unternehmenskartellbußen wird mit Spannung erwartet, vor allem weil sie nicht nur für Kartell-, sondern auch für andere Bußgeldtatbestände relevant sein dürfte. Die Entscheidungen des LAG Düsseldorf verdeutlichen daneben noch einmal, wie wichtig eine effektive Compliance-Organisation im Unternehmen ist, da es über den „Hebel“ eines (überwiegenden) Organisationsverschuldens des Unternehmens zu einem vollständigen Haftungsausschluss bei Ansprüchen gegenüber Mitarbeitern kommen kann.
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