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Inhalt, Reichweite und Instrumente der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat

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Die Geschäftsführung der Gesellschaft obliegt allein dem Vorstand. Dem Aufsichtsrat dürfen keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden, vielmehr ist er verpflichtet, die Geschäftsführung zu überwachen. Indem der Aufsichtsrat die ihm dazu zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzt, kann er allerdings – wenn auch nur in sehr beschränktem Umfang – auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick zu Inhalt und Reichweite der Überwachungspflicht.

Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 1 AktG „die Geschäftsführung“ zu überwachen. Gegenstand der Überwachung ist alles, was in den Zuständigkeitsbereich des Vorstands fällt, mithin die gesamte Geschäftsführungsstätigkeit. Zur Erfüllung des Überwachungsauftrags stehen dem Aufsichtsrat verschiedene repressive und präventive Instrumente zur Verfügung.

Adressat des Überwachungsauftrags

Adressat des Überwachungsauftrags ist der Aufsichtsrat als Organ. Eine Delegation der Überwachungspflicht an einen Ausschuss oder ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied ist ausgeschlossen. Gleichwohl ist jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, Überwachungstätigkeiten zu entfalten. Erfüllt ein Aufsichtsratsmitglied die Überwachungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß, setzt es sich dem Risiko von Schadensersatzansprüchen nach §§ 116 Satz 1, 93 AktG sowie einer Abberufung nach § 103 AktG aus.

Vergangenheits- und zukunftsbezogene Überwachung

Der Überwachung und Überprüfung unterliegen sämtliche Geschäftsführungstätigkeiten des Vorstands, und zwar hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Überwachung ist im Wesentlichen vergangenheitsbezogen, d.h. abgeschlossene Vorgänge sind hinsichtlich deren Recht- und Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Dabei hat der Aufsichtsrat  in einem ersten Schritt das tatsächliche Geschehen auf Grundlage der Vorstandsberichtserstattung zu erfassen. In einem zweiten Schritt ist der Sachverhalt zu beurteilen und insbesondere zu prüfen, ob der Vorstand seine (Sorgfalts-)Pflichten erfüllt hat. Eine zukunftsbezogene Überwachung wird dem Aufsichtsrat dadurch ermöglicht, dass bestimmte Geschäfte nach § 111 Abs. 4 AktG unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden können.

Intensität der Überwachung

Bei der Überwachungspflicht handelt es sich zwar eine Daueraufgabe. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Vorstand einer permanenten Überwachung zu unterstellen ist. Die Intensität der Überwachung hat sich an der Lage der Gesellschaft auszurichten. Verschlechtert sich diese, ist eine Krisensituation absehbar oder befindet sich die Gesellschaft bereits in einer Krise, muss der Aufsichtsrat seine Überwachungstätigkeiten intensivieren. Außerdem hat der Aufsichtsrat außergewöhnlichen (insbesondere bei außergewöhnlich risikoreichen) Geschäften besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Grundlage der Überwachung: Informationsrechte des Aufsichtsrats bzw. Berichtspflichten des Vorstands

Damit der Aufsichtsrat seinen Überwachungsauftrag überhaupt erfüllen kann, muss er sich insbesondere über die Geschäftstätigkeiten des Vorstands sowie die Lage der Gesellschaft stets informiert halten. Er hat unter anderem die allgemeine Unternehmensorganisation, die Kontroll- und Compliance-Systeme, den Jahres- und Konzernabschluss, die Lage- und Prüfberichte des Abschlussprüfers sowie die Regelberichte des Vorstands einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.

Besonderer Bedeutung kommen dabei den Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG zu. Danach hat der Vorstand dem Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen (insbesondere) über die beabsichtigte Geschäftspolitik, die Rentabilität der Gesellschaft, den Gang der Geschäfte sowie über bedeutsame Geschäfte zu berichten. In Krisensituationen ist der Vorstand verpflichtet, dem Aufsichtsrat außerplanmäßig Bericht zu erstatten.

Überwachung bei Delegation von Aufgaben an nachgelagerte Führungsebenen

Auch wenn der Vorstand einzelne Geschäftsführungstätigkeiten auf nachgelagerte Führungsebenen – in der Regel auf leitende Angestellte – delegiert, kann er sich dadurch weder seiner Verantwortung noch einer Überwachung durch den Aufsichtsrat entziehen. In einem solchen Fall hat der Aufsichtsrat unter anderem zu prüfen, ob die Delegation zweckmäßig ist. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, wesentliche Geschäftsführungstätigkeiten unter Zustimmungsvorbehalt zu stellen, um eine zweckwidrige Delegation von vorneherein zu unterbinden. Daneben hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob der Vorstand seinerseits der diesem – mit Blick auf die leitenden Angestellten – obliegenden Organisations- und Überwachungspflichten nachkommt. Insofern hat er die vom Vorstand zu installierenden Überwachungssystem (§ 91 Abs. 2 AktG) sowie die allgemeinen Kontroll- und Compliance-Systeme zu überprüfen.

Instrumente der Überwachung und Einwirkung auf die Geschäftsführung des Vorstands

Zur Erfüllung seines Überwachungsauftrags stehen dem Aufsichtsrat verschiedene Instrumente zur Verfügung. Unter den in § 111 AktG aufgeführten Mitteln finden sich das Einsichts- und Prüfungsrecht, die Einberufung der Hauptversammlung zum Zwecke des Vertrauensentzugs sowie der Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Geschäfte des Vorstands. Letzteres ermöglicht dem Aufsichtsrat, bestimmte Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig zu machen. In Ausübung seiner Geschäftsordnungsbefugnis nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat außerdem eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen. Die aus § 84 AktG folgende Personalkompetenz ermöglicht es dem Aufsichtsrat ferner, ein Vorstandsmitglied bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen. Bei Sorgfaltspflichtverstößen kann und muss der Aufsichtsrat eingreifen und den Vorstand unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 93 Abs. 2 AktG auf Schadensersatz in Anspruch nehmen (vgl. hierzu bereits unser Blogbeitrag).

Fazit

Obwohl die Geschäftsführung allein dem Vorstand obliegt, hat der Aufsichtsrat – wenn auch in sehr begrenztem Umfang – die Möglichkeit, auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. Denn er ist gesetzlich verpflichtet, den Vorstand zu überwachen und rechts- und/oder zweckwidrigen Geschäftsführungstätigkeiten des Vorstands entgegenzuwirken bzw. diese zu unterbinden. Die dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehenden Instrumente reichen dabei von einer Prüfung der vom Vorstand gefertigten Berichte über die Bestimmung zustimmungspflichtiger Geschäfte bis hin zur Abberufung einzelner Vorstandsmitglieder.

Dr. Kerstin Seeger 

Rechts­an­wäl­tin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Kerstin Seeger berät Arbeitgeber in erster Linie zur Ver­trags­ge­stal­tung, zur Führung von Kün­di­gungs­schutz­rechts­strei­tig­kei­ten sowie zu betriebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Fragen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Datenschutz".
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