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Deutschlandticket, BahnCard & Co – Was sollten Arbeitgeber beachten?

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Seit dem 1. Mai 2023 ist es da – das Deutschlandticket. Kostenpunkt aktuell 49 Euro, Fahrspaß mit dem ÖPNV unendlich?! Im Gesetzgebungsverfahren war das Deutschlandticket auf der Überholspur unterwegs und hat andere Reformvorhaben hinter sich gelassen. Arbeitnehmer äußern aktuell häufig den Wunsch, dass Arbeitgeber ihnen entsprechende Tickets finanzieren. Worüber sollten sich Arbeitgeber Gedanken machen, wenn sie Mitarbeitern (voll-)finanzierte Nah- und Fernverkehrstickets zur Verfügung stellen? Ein Überblick.

Einzelticket oder Abo?

Zunächst steht die Frage im Raum, ob Abo-Fahrkarten überhaupt gewährt werden sollten. Arbeitgeber können Mitarbeitern selbstverständlich (auch nur) anlassbezogene Einzelfahrten finanzieren. Hierdurch kann bestmöglich sichergestellt werden, dass die Fahrkarten ausschließlich für dienstliche Anlässe verwendet werden.

Vielfahrerrabatte oder sonstige Vergünstigungen sind in diesem Fall jedoch regelmäßig ausgeschlossen. Auch gelten Einzelfahrkarten nicht gerade als Corporate Benefit für die Mitarbeiterbindung. Arbeitgeber, die auf diesen Anreiz setzen, werden zu Abo-Fahrkarten insbesondere für den ÖPNV oder den Fernverkehr der Deutschen Bahn greifen und Arbeitnehmern auch die private Nutzung erlauben. Lohnsteuerrechtlich kann dies sogar durchaus attraktiv sein. Arbeitgeber können das Deutschlandticket z.B. als steuerbegünstigtes Jobticket anbieten. Auch BahnCards, insb. auch eine BahnCard 100, können unter gewissen Voraussetzungen grundsätzlich steuerbegünstigt sein.

Arbeitgeberseits ist (jedoch) zu berücksichtigen, dass sich Abopreise regelmäßig erhöhen können. Deshalb sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich festhalten, inwieweit etwaige Preisentwicklungen arbeitgeberseits auch zukünftig mitgetragen werden. Soweit möglich, kann dies ggf. auch durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Personenbezogenes Ticket und Laufzeit

Wenn Mitarbeitende aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, stellt sich bei Abo-Fahrkarten darüber hinaus die Frage, ob das Abo-Verhältnis gleichzeitig mit dem Ausscheiden des Mitarbeiters beendet werden kann. Unproblematisch dürfte dies bei monatlich kündbaren Abos der Fall sein. Wenn Abos jedoch eine längere Laufzeit haben oder aber sogar persönlich auf den Arbeitnehmer ausgestellt sind, stehen Arbeitgeber regelmäßig vor Problemen. Sind Abos nicht übertragbar, sollte überprüft werden, ob für diesen Fall ein Sonderkündigungsrecht des Abos besteht oder ggf. eine Abo-Änderung mit dem Abo-Anbieter verhandelt werden kann. Ist dies nicht möglich, kann eine einvernehmliche Lösung mit dem Arbeitnehmer gesucht und dabei ggf. dem (ehemaligen) Arbeitnehmer die Weiternutzung (nunmehr) entgeltlich ermöglicht werden.

Mobilitätsvorteile erheblich für die Karenzentschädigung bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten

Dass arbeitgeberfinanzierte Mobilitätsvorteile auch im Rahmen von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten relevant sind, wird häufig übersehen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote gem. § 74 HGB sind nur verbindlich, wenn dem ihm unterliegenden Arbeitnehmer eine Entschädigung gezahlt wird, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistung erreicht. Grundsätzlich ist jeder Sachbezug in die Berechnung der zu zahlenden Karenzentschädigung gem. § 74 Abs. 2 HGB einzubeziehen – auch das Jobticket oder die BahnCard. Konkret ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass nur der private Nutzungswert als geldwerter Vorteil bei der Berechnung einbezogen werden darf; der dienstliche Anteil hingegen bleibt gem. § 74b Abs. 3 HGB außen vor. Dies kann zu schwierigen Abgrenzungsfragen bei Mischnutzungen von Fahrkarten-Abos führen.

Verspätungsentschädigungen – Wem stehen sie zu?

Jeder hat es schon einmal erlebt – meist im Fernverkehr oder beim Fliegen. Der Zug fällt aus oder der Flug verspätet sich um mehrere Stunden. Wem stehen die Entschädigungszahlungen der Bahn- und Fluggesellschaft in diesem Fall zu? Bisher gibt es hierzu noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen. Besondere Unsicherheit besteht, wenn nichts arbeitsvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen geregelt ist.

Im Außenverhältnis gilt: Das Amtsgericht Emden (AG Emden vom 27.01.2010 – 5 C 197/09) meint, dass allein der Arbeitgeber, der den Flug gebucht hat und damit Vertragspartner des Beförderungsunternehmens geworden ist, Inhaber des Anspruchs auf die Entschädigungsleistung sei. Wenn der Arbeitnehmer den Flug hingegen selbst gebucht hat, sei der Arbeitnehmer Anspruchsinhaber. Ob dieser Differenzierung tatsächlich zu folgen ist, bleibt bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung abzuwarten. Gegen sie kann jedenfalls vorgebracht werden, dass das maßgebliche Unionsrecht für die entsprechenden Entschädigungsansprüche schwerpunktmäßig auf den tatsächlich zu befördernden Fluggast, nicht hingegen auf die Vertragsbeziehung beim Ticketkauf abstellt.

Im Innenverhältnis gilt: Arbeitnehmer dürften einer Anzeigepflicht gegenüber ihren Arbeitgebern unterliegen, soweit sie positive Kenntnis von Entschädigungsansprüchen auslösenden Verzögerungen einer Dienstreise erlangen. Arbeitgeber können dann entweder eine Abtretung des Entschädigungsanspruchs oder die Herausgabe etwaiger erhaltender Entschädigungszahlungen gem. § 667 Alt. 2 BGB verlangen, wenn sie das Beförderungsunternehmen nicht unmittelbar in Anspruch nehmen (können). Höchstrichterlich bestätigt ist das Ganze zwar noch nicht. Zweifel bestehen insbesondere, wenn man die Genugtuungsfunktion des Entschädigungsanspruchs hervorhebt; unter beförderungsbedingten Unannehmlichkeiten leidet schließlich im Regelfall unmittelbar nur der zu befördernde Arbeitnehmer. Allerdings ist wiederum zu berücksichtigten, dass bei Dienstreisen die Reisezeit regelmäßig bereits als Arbeitszeit vergütet wird. Der Arbeitnehmer soll grundsätzlich neben seinem Arbeitsentgelt keine weiteren finanziellen Vorteile aus seiner Arbeitsleistung erlangen.

Um die Rechtsrisiken zu minimieren, die mit dem hiesigen Rechtsprechungsvakuum verbunden sind, können Arbeitgeber im Arbeitsvertrag oder durch Betriebsvereinbarung den Umgang mit etwaigen Entschädigungsansprüchen regeln.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachten

Im Rahmen der Gewährung von Jobtickets, BahnCards und Co. sollten etwaige Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht vergessen werden. Zwar ist die Entscheidung des Arbeitgebers, ob entsprechende Tickets finanziert werden sollen, mitbestimmungsfrei („Ob“ der Leistung). Sobald es jedoch um konkrete Verteilungsprozedere geht („Wie“ der Leistung), insb. die relative Höhe einer etwaigen Bezuschussung bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen bestimmt werden soll, ist der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beteiligen.

ESG-Relevanz

Tickets für den Nah- und Fernverkehr können die politisch beabsichtigte Mobilitätswende voranbringen. Die Finanzierung von Nah- und Fernverkehrsabos kann gleichzeitig auch unter unternehmerischen ESG- und Nachhaltigkeitsstrategie-Gesichtspunkten sinnvoll sein. Ob Dienstwagen (mit Verbrennungsmotoren) zukünftig weiter staatlich begünstigt werden, ist fraglich. Auch wenn die Politik bisher das sog. „Dienstwagenprivileg“ unangetastet ließ, dürfte ein eindeutiger Trend zur verstärkten „Subventionierung“ nachhaltiger Verkehrsmobilität nicht zu leugnen sein.

Fazit

Obwohl der Deutschlandtakt der Deutschen Bahn wohl noch länger auf sich warten lässt, sollten Arbeitgeber sich (auch) heute schon fragen, ob die Zurverfügungstellung von Jobtickets o.ä. für sie sinnvoll ist. Das Deutschlandticket jedenfalls gibt hierzu einen neuen Anlass. Insbesondere Abos können ein Element der Mitarbeiterbindung und/oder der nachhaltige(re)n Ausrichtung des Unternehmens sein. Die Einführung von Abo-Modellen sollte mit – soweit nötig und möglich – Arbeitsvertragsanpassungen und Betriebsvereinbarungen einhergehen.

Friederike Welskop


Rechtsanwältin
Associate
Friederike Welskop berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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