Im Herbst werden die Tage werden kürzer. Neben der Temperatur fällt auch deutlich mehr Regen, nur die Krankenquote steigt. Zu dieser Zeit wird für viele Arbeitgeber ein in allen Jahreszeiten relevantes Thema wieder deutlich präsenter: der Umgang mit Arbeitsunfähigkeiten wegen Krankheit. Im Regelfall sind die Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt und melden dies ordungsgemäß ggf. auch unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitnehmer. Allerdings wird das Instrument der Arbeitsunfähigkeit im Einzelfall auch von Arbeitnehmern genutzt, um sich bezahlte Freizeit zu verschaffen. Wie sich ein Arbeitgeber in diesem Zusammenhang verhalten kann, wird im Folgenden kurz zusammengefasst:
Die Krankmeldung
Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er dies nebst voraussichtlicher Dauer der Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen. Das erfordert im Regelfall eine telefonische Nachricht (eine E-Mail ist auch möglich, allerdings nicht an eine Adresse, die unregelmäßig abgerufen wird). Zeitlich hat dies zu Beginn der betrieblichen Arbeitszeit am ersten Arbeitstag der Erkrankung, zumindest aber im Laufe des ersten Arbeitstages zu erfolgen. Bestand die Arbeitsunfähigkeit bereits an einem arbeitsfreien Tagen zuvor (z.B. Wochenende oder Teilzeitbeschäftigung) und war bereits abzusehen, dass der erkrankte Arbeitnehmer die Arbeit nicht wird aufnehmen können, muss der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit im Laufe des ersten Krankheitstages erstatten und kann nicht bis zum ersten individuellen Arbeitstag mit seiner Anzeige warten. Hierzu ist er – auch ohne gesonderte arbeitsvertragliche Regelung – verpflichtet. Kommt der Arbeitnehmer dieser Pflicht nicht nach kann der Arbeitgeber hierauf eine Abmahnung oder im Wiederholungsfall ggf. auch eine verhaltensbedingte Kündigung stützen.
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist im Regelfall erst nach einer Arbeitsunfähigkeit erforderlich, die länger als drei Kalendertage (nicht Arbeitstage) andauert. Vorzulegen ist sie am darauffolgenden Arbeitstag (nicht Kalendertag). Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher vorlegen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt – aus Arbeitgebersicht ist dies in der Regel sinnvoll, wenn ein Arbeitnehmer häufig bis zu drei Tagen erkrankt und diese Erkrankungen sich um ohnehin arbeitsfreie Tage (wie z.B. das Wochenende oder Brückentage) ballen. Der Arbeitgeber kann den einzelnen Arbeitnehmer einseitig und ohne Beteiligung des Betriebsrats auffordern, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Trifft der Arbeitgeber allerdings generelle Anordnungen über die frühere Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (z.B. durch Verwendung entsprechender Klauseln in Formulararbeitsverträgen), so hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht über das Ob und Wie der Ausgestaltung des Regelungsspielraums (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).
Liegt nun eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, muss diese den inhaltlichen Anforderungen entsprechen – ist diese nicht ordnungsgemäß, darf der Arbeitgeber die die Bescheinigung zurückweisen und eine ordnungsgemäße verlangen. Aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit einer namentlich genannten Person sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit hervorgehen, was aufgrund der von Ärzten grundsätzlich verwendeten Formulare in der Regel jedoch gegeben sein dürfte.
Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt im Grundsatz ein hoher Beweiswert zu. Dies bedeutet: Mit der Ausstellung einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer infolge Krankheit arbeitsunfähig war. Diese Vermutung kann jedoch auch erschüttert werden.
Dieser einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugedachte hohe Beweiswert darf – m.E. zurecht – kritisch gesehen werden. Die arbeitsrechtliche Praxis zeigt, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – zumindest in Teilen – durchaus ein Dienstleistungsprodukt der Ärzte ist. Deutlich wird dies an „passgenau“ ausgestellten Bescheinigungen (z.B. Ende der Arbeitsunfähigkeit exakt mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums) oder den sich jüngst herausgebildeten „Geschäftsmodellen“ der Online-Krankschreibung bzw. Krankschreibung per WhatsApp (hierzu bereits auf unserem Blog). Trotz dessen hat der Arbeitgeber mit dem hohen Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu arbeiten und seine Erfolgsaussichten entsprechend zu beurteilen – die bloße Vermutung der Arbeitnehmer „macht blau“ ist nicht ausreichend. Vielmehr sind Tatsachen erforderlich, die ernsthafte Zweifel begründen.
In der Rechtsprechung hat eine umfassende Kasuistik herausgebildet, wann ernsthafte Zweifel vorliegen. Ein klassisches Beispiel ist das angekündigte Fernbleiben der Arbeitnehmers, weil bzw. wenn kein Urlaub gewährt wird. Aber auch die die auffallend häufige Kurzerkrankung rund um das Wochenende oder an Brückentagen können ernsthafte Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers begründen. Selbiges gilt für die Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arzt. Die oben bereits angesprochenen Online-Krankschreibungen sind regelmäßig ernsthafte Zweifel immanent, da es an einer notwendigen Untersuchung durch den die Bescheinigung ausstellenden Arzt fehlt. Hat der Arbeitgeber also Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine Onlinekrankschreibung handelt (z.B. Krankschreibung von maximal drei Tagen durch einen vom Wohnort weit entfernten Arzt und Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur in digitaler Form) muss der Arbeitgeber diese aufgrund Erschütterung des Beweiswertes nicht akzeptieren.
Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, kann er von der Krankenkasse die Einschaltung des Medizinischen Diensts verlangen, um Sicherheit hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit zu erlangen.
Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. bestehen erhebliche Zweifel an einer solche kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern solange eine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorliegt. Kann der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum überhaupt keine Bescheinigung oder nur oder eine solche vorlegen, bei der erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen, kann der Arbeitgeber für diesen Zeitraum die Zahlung gänzlich verweigern – freilich setzt sich der Arbeitgeber hier dem (prozessualen) Risiko aus, dass die Erschütterung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als nicht ausreichend angesehen wird oder dem Arbeitnehmer der Nachweis gelingt, dass er arbeitsunfähig erkrankt ist (insb. durch die Vernehmung der behandelnden Ärzte).
Ferner ist auch eine Abmahnung und im Wiederholungsfall auch eine ordentliche – im Ausnahmefall auch außerordentliche – Kündigung des Arbeitnehmers wegen fehlender Vorlage einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bzw. dem unentschuldigten Fernbleiben von der Arbeit möglich.