Aufsehen erregt derzeit ein Online-Dienstleister, der Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, via WhatsApp eine angeblich anerkannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegen Entgelt zu erhalten. Die Diagnose wird dabei lediglich über das Ausfüllen von Formularen vorgenommen, in welchen typische Symptome abgefragt werden.
Aber: Wie ist das möglich?
Durch die Änderung der (Muster-)Berufsordnung der Ärzte und die Aufhebung des Fernbehandlungsverbots ist die ausschließliche Behandlung oder Beratung über Kommunikationsmedien in einzelnen Landesberufsordnungen nunmehr möglich.
Es stellt sich jedoch weiterhin die Frage, ob eine auf Grundlage der nunmehr möglichen online Beratung und Behandlung ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch arbeitsrechtlich wirksam erteilt werden kann, welche Angriffspunkte eine solche bietet und wie der Arbeitgeber auf diese reagieren kann. Auch ergeben sich aus datenschutzrechtlicher Sicht Probleme, etwa beim Versand der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per WhatsApp.
Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 5 (1) S. 2 EFZG) hat der Arbeitnehmer grds. ab dem vierten Tag einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, wobei der Arbeitgeber auch bereits zuvor eine solche verlangen kann.
Entspricht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung den formalen Voraussetzungen, hat sie einen sehr hohen Beweiswert dahingehend, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitsunfähig krank ist. Dieser Beweiswert wird erst erschüttert, wenn die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben.
Hierzu hat sich eine Vielzahl von Fallgestaltungen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelt. Zu einer Erschütterung des Beweiswertes kann es unter anderem dann kommen, wenn der Arbeitnehmer seine Krankheit im Vorfeld ankündigt oder diese zu einem Zeitpunkt eintritt, zu welchem zuvor Urlaub verweigert wurde. Dies gilt nach einer älteren Entscheidung des BAG etwa auch, wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne vorherige Untersuchung ausgestellt wurde.
Angriffspunkte der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „online“
Der eingangs genannte Dienstleister wirbt auf seiner Internetseite mit Ärzten, dessen deutsche Approbation zuvor geprüft wurde, und einem von diesen erstellten Fragebogen, anhand dessen die „Fernuntersuchung“ erfolgt. Auch wenn eine entsprechende Beratung und Behandlung „online“ nach der einschlägigen (Landes-)Berufsordnung gestattet ist, dürfte eine solche keine „Untersuchung“ im Sinne der Rechtsprechung des BAG darstellen, womit der Beweiswert bereits erschüttert wäre.
Ebenso könnte man zu einer Erschütterung des Beweiswertes auch anhand der Regelung des § 275 (1a) lit. b SGB V gelangen. Nach dieser Regelung werden Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit dadurch begründet, dass diese von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist. Dies ist bei den Ärzten eines Dienstleisters, der ausschließlich Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellt, unzweifelhaft der Fall.
Daneben können auch reißerische Werbeaussagen auf der Internetseite des Anbieters zu dessen Leistungsangebot zur Erschütterung des Beweiswertes herangezogen werden. Da sich eine Arbeitsunfähigkeit letztlich auf die konkret auszuübende Tätigkeit beziehen muss, dürfte auch eine mangelnde Einbeziehung dieser in die Online-Abfrage zur Erschütterung des Beweiswertes der Bescheinigung führen.
Wie kann der Arbeitgeber reagieren?
Das mögliche Missbrauchsrisiko drängt sich auf. Arbeitnehmer werden ohne einen lästigen Arztbesuch wohlmöglich eher eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beantragen. Sofern Arbeitgebern künftig mit derartigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung konfrontiert werden, kommen folgende Reaktionsmöglichkeiten in Betracht:
- Sensibilisierung der Arbeitnehmer dahingehend, dass derartige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit Rechtsrisiken verbunden sind;
- Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse und
- Je nach Einzelfall ggf. Ergreifung arbeitsrechtlicher Sanktionen wie die Einstellung der Entgeltfortzahlung.
Ungeachtet dessen, sollte aus datenschutzrechtlicher Sicht jedenfalls eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber nicht als Bilddatei per WhatsApp angenommen werden.