Ob die geplanten Einschränkungen im Befristungsrecht, die Begrenzung der Arbeitszeitflexibilisierung durch Abrufarbeit oder die erleichterte Gründung von Betriebsräten. Im Koalitionsvertrag zwischen Unionsparteien und SPD steckt einiges an arbeitsrechtlichem Sprengstoff. Kaum ist mit dem seit 1.1.2019 geltende Recht auf befristete Teilzeit das erste Großprojekt gestemmt, steht das SPD-geführte Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit einem neuen – potenziell folgenschweren – Plan in den Startlöchern. Erst kürzlich haben wir darüber berichtet, dass ohne entsprechende vertragliche Regelung weder ein Recht noch eine Pflicht für Arbeitnehmer besteht, in ihren eigenen vier Wänden zu arbeiten. Nach übereinstimmenden Medienberichten tüftelt das BMAS unter der Verantwortung des Staatssekretärs Björn Böhning allerdings bereits an einem Gesetzesvorhaben, das Arbeitnehmern ein Recht auf Homeoffice einräumen soll. Doch was in da dran? Wir machen den Faktencheck.
„Gute digitale Arbeit 4.0“
Unter dieser Überschrift findet sich im Koalitionsvertrag folgende Passage:
Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik.
Diese doch recht allgemeine Absichtserklärung soll nun also mit Leben gefüllt werden. Doch was würde es für Arbeitgeber bedeuten, wenn grundsätzlich jeder Arbeitnehmer das Rechte hätte von zuhause aus zu arbeiten?
Homeoffice – ein zweischneidiges Schwert
Laut statistischem Bundesamt arbeiten bereits ca. 12 % der Beschäftigten ab und an von zuhause aus – Tendenz steigend. In jungen Unternehmen gelten flexible Arbeitsmöglichkeiten fast schon als Selbstverständlichkeit. Aber auch zahlreiche Großkonzerne ziehen nach und lockern die klassische „Face-Time“. Das ist wenig überraschend, denn richtig eingesetzt überwiegen die Vorteile flexibler Arbeitsmodelle sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen. Heimarbeit kann Kosten sparen, Arbeitsausfälle reduzieren, das Image am Arbeitsmarkt verbessern und schafft – Studien zufolge –zufriedenere und produktivere Mitarbeiter. Auf der anderen Seite verliert der Arbeitgeber Kontrollmöglichkeiten, es gibt Sicherheitsrisiken (Datenschutz, Arbeitsplatzsicherheit) und es besteht die Gefahr der „Entfremdung“ der Heimarbeiter von ihren Teams. Deswegen sollten Unternehmen genau hinsehen, für welche Mitarbeiter und Funktionen und in welchem Rahmen Homeoffice-Lösungen zweckmäßig sind. Auch rechtlich sind diverse Fallstricke zu beachten. Arbeitgeber tun also gut daran, die Bedingungen für Heimarbeit sorgfältig zu vertraglich regeln.
Wie könnte ein Recht auf Homeoffice ausgestaltet sein?
Natürlich liegen zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine konkreten Eckpunkte einer möglichen gesetzlichen Regelung vor. Es hat jedoch den Anschein, als beabsichtige das BMAS, eine dem Teilzeitrecht ähnliche Regelung zu schaffen. Dann könnte der Arbeitnehmer – nach einer (sechsmonatigen) Wartezeit und bei ausreichender Unternehmensgröße – einen Heimarbeitsplatz verlangen. Der Arbeitgeber könnte dies nur ablehnen, wenn betriebliche Gründe entgegenstehen. Das könnte der Fall sein, wenn durch das Homeoffice Organisation oder Arbeitsabläufe beeinträchtigt würden bzw. wenn Sicherheitsrisiken oder unverhältnismäßige Kosten entstehen. Homeofficeverlangen von Automechanikern oder Arzthelferinnen könnte dies freilich ohne weiteres entgegengehalten werden. Bei klassischen „Bürojobs“ oder IT-Berufen dürften sich betriebliche Gründe allerdings nicht so einfach begründen lassen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hat insoweit ergeben, dass mittlerweile fast jeder zweite Job prinzipiell in Heimarbeit erledigt werden könnte.
Blick in die Niederlande
In der Presse liest man aktuell, in den Niederlanden sei das Recht auf Homeoffice bereits Realität. Das ist unpräzise und teilweise sogar falsch. Zwar können Arbeitnehmer gemäß dem niederländischen „Gesetz über die Flexibilisierung am Arbeitsplatz“ seit Anfang 2016 einen Heimarbeitsplatz beantragen. Allerdings ist der Arbeitgeber lediglich dazu verpflichtet den Antrag ernsthaft zu prüfen und mit dem Arbeitnehmer darüber zu beraten. Tut er dies nicht, tritt die Veränderung des Arbeitsplatzes automatisch in Kraft. Anders als bei einem Verlangen nach Teilzeitarbeit und entgegen zahlreicher Artikel, muss der Arbeitgeber jedoch keine schwerwiegenden betrieblichen Gründe geltend machen, um einen Antrag auf Heimarbeit abzulehnen. Das niederländische Recht auf Homeoffice ist daher deutlich schwächer ausgeprägt, als die Berichterstattung suggeriert.
Widerstand durch Union und Arbeitgeberverbände
Nicht begeistert von den Plänen des BMAS sind Unionsparteien sowie Arbeitgeberverbände. Auch sie sehen Homeoffice als ein wichtiges Element eines modernen und digitalisierten Arbeitsumfelds. Eine Rechtspflicht für Unternehmen sei dagegen nicht angebracht und würde zu übertriebener Bürokratie führen. Teilweise wird der Vorstoß sogar als populistische Reaktion auf das anhaltende Umfragetief der SPD bezeichnet.
Fazit und Ausblick
Bleibt festzuhalten, dass Arbeitgeber insoweit zunächst einmal ruhig schlafen können. Ein „hartes Recht“ auf Homeoffice ist vorläufig nicht realistisch und dürfte bereits am Widerstand der Union scheitern. Gespannt auf einen möglichen Gesetzesentwurf darf man dennoch sein. Denn jedenfalls eine ausgewogene gesetzliche Regelung zu Homeoffice und mobiler Arbeit im Allgemeinen könnte die Chancen sein, für mehr rechtliche Klarheit in diesem Bereich zu sorgen und die derzeit – teilweise zurecht – noch bestehende Vorbehalte vonArbeitgebern gegenüber modernen Arbeitsmodellen abzubauen. Selbstverständlich halten wir Sie an dieser Stelle weiter auf dem Laufenden.
Sie beschäftigen bereits Mitarbeiter im Homeoffice oder planen dies künftig zu tun? Lesen Sie mehr zum Thema in den Beiträgen „Home-Office: Wann ist Schluss?“ und „Mehr Arbeitsschutz im Home Office – die neue Arbeitsstättenverordnung„.