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Mehr Präsenz statt mobile Arbeit – Der (schwierige) Weg zurück ins Büro

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Während der Corona-Pandemie hat die mobile Arbeit in Unternehmen Einzug gehalten und ist danach geblieben. Die Möglichkeit für Mitarbeitende, ihre Tätigkeit von einem von ihnen frei auszuwählenden Arbeitsort erbringen zu können, wurde zum New Normal. Bislang drehte sich die Diskussion oftmals nicht um die Frage der Begrenzung, sondern um die Erweiterung der mobilen Arbeit (zum Begriff siehe unseren Blog-Beitrag vom 4. Mai 2022). Dabei ging es beispielsweise um die Übernahme von (weiteren) Kosten der mobilen Arbeit durch den Arbeitgeber oder die mobile Arbeit im Ausland (Stichwort „Workation“).

Nun scheint ein gegenläufiger Trend einzusetzen: der ‚grenzenlosen‘ mobilen Arbeit sollen Schranken gesetzt werden. Aus Arbeitgebersicht mag es dafür viele Gründe geben, wie z.B. die bessere Kommunikation, Steigerung der Produktivität oder Lerneffekte bei Meetings in Präsenz. Neben allen Argumenten gibt es für Arbeitgeber eine spannende Frage: Kann die Rückkehr ins Büro rechtlich (sicher) umgesetzt werden? Abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten im Unternehmen sind hierbei verschiedene Anforderungen in rechtlicher und praktischer Hinsicht zu beachten.

Rechtliche Aspekte und Herausforderungen bei der Umsetzung

In rechtlicher Hinsicht kann die Rückkehr ins Büro komplex sein. Diese hängt insbesondere davon ab, welche Regelungen in welcher Form zur mobilen Arbeit im Unternehmen bestehen, z.B. arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung oder eine mit dem Betriebsrat verhandelte Betriebsvereinbarung. Es ist folglich zwischen individual- und kollektivrechtlichen Regelungen zu unterscheiden.

Nach aktueller Rechtslage besteht kein gesetzlicher Anspruch auf mobile Arbeit. Ferner besteht grundsätzlich auch kein arbeitsvertraglicher Anspruch. Denn das Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst die nähere Bestimmung des Inhalts, Orts und der Zeit nach billigem Ermessen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Davon ausgehend kann die mithilfe des Direktionsrechts durchgeführte mobile Arbeit im Rahmen billigen Ermessens rückgängig gemacht werden. Auch wenn dies der praktische Ausnahmefall sein dürfte.

Denn häufig liegen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitendem vor, die eine mobile Tätigkeit außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte gestatten. Ob und wie eine Änderung dieser bestehenden Vereinbarung möglich ist, hängt von deren konkreten Ausgestaltung ab. Enthält diese z.B. eine Befristung, so endet die Vereinbarung und damit das Recht auf mobile Arbeit allein durch Zeitablauf. Ferner kommt die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts in Betracht. Liegt ein vereinbarter Widerrufsgrund vor, hat der Arbeitgeber das Recht, die mobile Arbeit – grundsätzlich unter Einhaltung einer bestimmten Frist – zu widerrufen. Auch ein Kündigungsvorbehalt kann dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur (einseitigen) Beendigung der mobilen Arbeit geben (zu einem Kündigungsvorbehalt in einer Homeoffice-Vereinbarung siehe Blog-Beitrag vom 10. Juli 2023).

Besteht eine solche Vereinbarung mit entsprechenden Regelungen nicht, kommt abseits des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts eine einseitige Beendigung der mobilen Arbeit durch den Arbeitgeber nur auf Basis einer Änderungskündigung in Betracht. Diese ist jedoch mit hohen Hürden verbunden.

Daneben kann jederzeit auch eine einvernehmliche Beendigung der mobilen Arbeit erfolgen. Die erforderliche Zustimmung des Mitarbeitenden dürfte jedoch ohne entsprechende Anreize bzw. ‚Gegenleistungen‘ nur schwer zu erhalten sein.

Vor dem Hintergrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist zudem eine sachgrundlose Herausnahme einzelner Mitarbeitenden aus einer Regelung zur mobilen Arbeit, die für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe gilt, in jedem Fall zu vermeiden.

Nicht zu unterschätzen ist die Änderung bestehender Betriebsvereinbarungen in Unternehmen mit Betriebsrat. Gerade bei der Neuverhandlung von (gekündigten) Betriebsvereinbarungen zur mobilen Arbeit sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten, die den Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers beschränken (können). Die Frage des „Ob“ unterliegt dabei nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten greift vielmehr erst dann, wenn eine konkrete Ausgestaltung des Tätigkeitsorts oder der Umstände des Arbeitens („Wie“) in Frage stehen oder wenn im Einzelfall eine Änderung des Tätigkeitsorts gegeben ist, die für den betroffenen Mitarbeitenden eine Versetzung bedeutet.

Umsetzung in der Praxis

Neben den zu beachtenden rechtlichen Anforderungen ist auch die praktische Umsetzung von großer Bedeutung. Eine vollständige Abkehr von mobiler Arbeit dürfte bei den Mitarbeitenden auf wenig Begeisterung stoßen. Das A und O für eine Akzeptanz in der Belegschaft ist daher die Erarbeitung eines schlüssigen und individuellen Konzepts, das sich an den Unternehmensbedürfnissen orientiert, ohne dabei die Belange der Mitarbeitenden aus dem Blickfeld zu verlieren.

  • So kann etwa die häufigere Tätigkeit im Büro dort sinnvoll sein, wo Kreativität, Wissensteilung und Teamarbeit eine signifikante Rolle spielen. Denn mobile Arbeit kann einer langfristigen Produktivitätssteigerung infolge des fehlenden informellen und spontanen Austauschs entgegenstehen.
  • Wo dies nicht der Fall ist, kann das Festhalten an bzw. Einführen von hybriden Modellen eine interessengerechte Lösung darstellen. Diese bieten den Vorteil, das Privileg der mobilen Arbeit nicht vollständig zu entziehen und den Mitarbeitenden damit nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich Autonomie zu geben. Nicht zu unterschätzen ist die erhöhte Anwesenheit und Tätigkeit im Büro gerade auch im Hinblick auf neue Mitarbeitende. Dabei ist nicht nur die (fachliche) Einarbeitung zu bedenken, sondern auch die zwischenmenschliche Interaktion und Integration in das Team.
  • In Betracht kommt auch das Schaffen von Anreizmodellen, welche die überwiegende oder vollständige Arbeitsaufnahme in den Büroräumen attraktiver erscheinen lassen und so die Akzeptanz für Präsenzregelungen steigert: So kann mithilfe von regelmäßigen gemeinsamen Team-Lunches etwa der unter der mobilen Arbeit leidende Teamzusammenhalt gestärkt werden. Weiter können durch das Zurverfügungstellen von (kostenlosen) Parkplätzen bzw. der Übernahme von ÖPNV-Kosten die ‚Nachteile‘ der Vororttätigkeit im Büro abgemildert werden.

Bei der Kommunikation des Konzepts sind schließlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu beachten, um die Akzeptanz innerhalb der Belegschaft für den „Weg zurück ins Büro“ herzustellen.

Dr. Felix Müller

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Counsel
Felix Müller berät im gesamten individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Beratung bei Restrukturierungen, bei betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten, bei Kündigungsschutzstreitigkeiten, bei Fremdpersonaleinsatz in Unternehmen sowie die Gestaltung von Anstellungsverhältnissen. Darüber hinaus besitzt er besondere Expertise bei grenzüberschreitenden Personaleinsätzen. Felix Müller vertritt unsere Mandanten vor den Arbeitsgerichten in allen Instanzen. Er referiert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen.
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