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Unternehmensliquidation trotz bestehender Pensionsverbindlichkeiten?

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Pensionszusagen zählen zu den langfristigsten Verpflichtungen, die ein Unternehmen eingehen kann. Zum Problem können die mitunter auf Jahrzehnte angelegten Verbindlichkeiten für Unternehmen insbesondere dann werden, wenn eine Auflösung der Gesellschaft in Rede steht.

Die Gründe für die Auflösung einer Gesellschaft sind mannigfaltig: Ein „Klassiker“ ist sicherlich die insolvenzbedingte Unternehmensliquidation, bei der regelmäßig der Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) als Träger der Insolvenzsicherung für die betriebliche Altersversorgung einspringt (§ 7 Abs. 1 BetrAVG). Demgegenüber soll es in diesem Beitrag um die Auflösung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzszenarios gehen, beispielsweise weil eine Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb vollständig einstellt und anschließend liquidiert werden soll. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, was mit den Betriebsrentenansprüchen der (ehemaligen) Mitarbeiter geschieht und ob sie einer Liquidation der Gesellschaft entgegenstehen.

Die Bedeutung von Pensionsverbindlichkeiten im Liquidationsverfahren

Ist der Beschluss über die Auflösung einer Gesellschaft gefasst, beginnt deren Abwicklung. Die laufenden Geschäfte sind zu beenden, offene Forderungen einzuziehen und die Gläubiger zu befriedigen. Für den Ablauf des Liquidationsverfahrens gilt dabei der Grundsatz: Erst wenn die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfüllt sind, kann das verbleibende Vermögen an die Gesellschafter endgültig verteilt werden. Mit der Verteilung endet die Abwicklung und die Gesellschaft kann im Handelsregister gelöscht werden. Angesichts dieses gesetzlich vorgesehenen Ablaufs des Liquidationsverfahrens wird schnell klar, warum bestehende Pensionsverbindlichkeiten zum Liquidationshindernis werden können: Die Versorgungsleistungen sind erst ab Eintritt des Versorgungsfalls (z. B. dem Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze) zu erbringen. Insbesondere bei laufenden Renten, die jeweils monatlich fällig werden und in der Regel bis zum Tod des Leistungsempfängers (bzw. seiner versorgungsberechtigten Hinterbliebenen) weiter zu gewähren sind, könnte es somit noch Jahrzehnte dauern, bis die letzten Verbindlichkeiten erfüllt sind und eine Liquidation erfolgen kann. In der Regel ist jedoch eine sofortige Auflösung der Gesellschaft gewollt.

Abhilfemöglichkeiten

Bei im Rahmen des Liquidationsverfahrens noch nicht fälligen Verbindlichkeiten sieht das Gesetz grundsätzlich die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung vor. In Betracht kommen dabei nach herrschender Meinung sämtliche im Wirtschaftsleben üblichen Sicherheiten (z. B. die Verpfändung beweglicher Sachen, die Bestellung von Hypotheken, die Hinterlegung von Geld). Allerdings dürften die meisten der denkbaren Sicherungsmittel im Falle von Betriebsrentenansprüchen bereits aus Praktikabilitätsgründen ausscheiden. Denn insbesondere die Auszahlung laufender Renten führt zu einem nicht unerheblichen zukünftigen Verwaltungsaufwand, der die klassischen Sicherungsmittel bereits von vornherein unpraktikabel erscheinen lässt.

Auch der Gesetzgeber hat dieses Dilemma erkannt und in § 4 Abs. 4 BetrAVG eine Sonderregelung geschaffen, mit deren Hilfe sich die Gesellschaft vollständig von den bestehenden Verbindlichkeiten enthaften kann. Durch eine sogenannte Liquidationsversicherung ist die (schuldbefreiende) Übertragung der Versorgungszusage auf eine Pensionskasse oder ein Lebensversicherungsunternehmen ohne Zustimmung des Versorgungsberechtigten möglich. Was zunächst wie die Lösung aller betriebsrentenrechtlichen Liquidationsprobleme klingt, hat jedoch einen Haken: Liquidationsversicherungen sind in der Regel sehr teuer. So liegen die von den Pensionskassen oder Versicherungsunternehmen veranschlagten Prämien für die Übernahme von Versorgungszusagen oftmals weit über den gebildeten finanziellen Rückstellungen. Viele Unternehmen sind schlichtweg nicht bereit (oder imstande), derartige Zusatzkosten im Rahmen der Liquidation auf sich zu nehmen.

Alternativ könnte man daran denken, die bestehenden Rentenanwartschaften schlichtweg durch eine Einmalzahlung an den Versorgungsempfänger abzufinden. Der Abfindung von Rentenanwartschaften hat der Gesetzgeber in § 3 BetrAVG aber sehr enge Grenzen gesetzt: Abgesehen von dem rein praktischen Hindernis, dass hierzu das Einverständnis jedes einzelnen Versorgungsberechtigten erforderlich wäre, kommt eine Abfindung grundsätzlich nur während des laufenden Arbeitsverhältnisses in Betracht – und selbst hier nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass sie nicht im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt (§ 3 Abs. 1 BetrAVG). Eine wirksame Abfindung scheidet daher im Hinblick auf bereits mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedene Mitarbeiter und Betriebsrentner – und gerade um diese geht es ja entscheidend – in der Regel von vornherein aus. Zwar wird in der Literatur zuweilen eine teleologische Reduktion von § 3 BetrAVG für den Fall der Liquidation außerhalb einer Insolvenz in Erwägung gezogen – im Ergebnis dürfte eine solche allerdings ausscheiden. Dementsprechend eignet sich eine Abfindungslösung im Liquidationsszenario in der Regel nicht. Dies gilt jedoch glücklicherweise nicht in gleichem Maße für Geschäftsführer und Vorstände, die oftmals über besonders kostspielige Versorgungszusagen verfügen. Für sie gilt das enge Korsett des § 3 BetrAVG nicht, dass hier durchaus über eine Abfindungslösung nachgedacht werden kann.

Pension-Buy-Out als Alternative?

Als immer mehr in Mode kommende Alternative zu den vorbeschriebenen Maßnahmen kann sich unter Umständen jedoch ein sogenannter Pension-Buy-Out anbieten. Hierbei werden die Pensionsverbindlichkeiten gegenüber Anwärtern und Betriebsrentnern im Wege einer umwandlungsrechtlichen Spaltung auf einen anderen Rechtsträger (die sogenannte originäre Rentnergesellschaft) übertragen. Vorteil: Eine derartige Übertragung ist auch ohne Zustimmung der betroffenen Versorgungsberechtigten zulässig. Am Markt haben sich mittlerweile einige Anbieter etabliert, die entsprechende Gesellschaften gründen bzw. übernehmen und diese bis zur vollständigen Abwicklung der Pensionsverbindlichkeiten fortführen. Auch dieses Modell hat jedoch Nachteile:

  • Zum einen besteht nach der Rechtsprechung des BAG eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des übertragenden Unternehmens, die Rentnergesellschaft mit ausreichendem Kapital auszustatten, damit die Versorgungsverbindlichkeiten einschließlich zukünftiger Rentenanpassungen bedient werden können. Eine unzureichende Kapitalausstattung kann zu Schadensersatzansprüchen der Versorgungsberechtigten gegen den bisherigen Schuldner führen. Erwähnt werden muss an dieser Stelle allerdings, dass die zu erwartenden Kosten des Pension-Buy- Out in der Regel deutlich unter denjenigen einer Liquidationsversicherung liegen.
  • Zum anderen führt der Pension-Buy-Out nicht zu einer sofortigen Haftungsfreistellung der übertragenden Gesellschaft. Vielmehr unterliegt diese nach § 133 Abs. 3 Satz 3 UmwG hinsichtlich der Versorgungsverbindlichkeiten einer zehnjährigen gesamtschuldnerischen Nachhaftung. Während dieser Zeit können die Versorgungsberechtigten daher statt der Rentnergesellschaft ebenso die übertragende Gesellschaft in Anspruch nehmen. Diese Nachhaftung stellt nach wohl herrschender Meinung ein Liquidationshindernis dar, sodass innerhalb der zehnjährigen Nachhaftungsfrist nicht ohne Weiteres liquidiert werden kann. Gleichwohl sind auch hier Lösungsansätze denkbar, um eine zeitnahe Liquidation zu ermöglichen, beispielsweise durch eine zusätzliche Absicherung der Pensionsverbindlichkeiten über eine Treuhandlösung.
Was bleibt?

Die betriebliche Altersversorgung macht die Liquidation einer Gesellschaft zwar nicht einfacher. Bestehende Versorgungsverbindlichkeiten sind jedoch kein unüberwindbares Hindernis und führen nicht zwingend dazu, dass die aufzulösende Gesellschaft noch Jahrzehnte bis zum Tod des letzten Versorgungsberechtigten fortgeführt werden müsste. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Versorgungslandschaft lassen sich passgenaue Lösungen Konzeptionieren, die in vielen Fällen mit einem vertretbaren Kostenaufwand die zeitnahe Liquidation der Gesellschaft ermöglichen.

Jochen Saal

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Jochen Saal berät Arbeitgeber und Füh­rungs­kräfte vor allem bei der Umsetzung jeglicher Umstruk­tu­rie­rungsmaßnahmen. Besondere Expertise besitzt Jochen Saal zudem im Bereich der betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Hier unterstützt er unter anderem bei der Ver­ein­heit­li­chung von Pen­si­ons­plä­nen, dem Out­sour­cing von Pensionsverpflichtungen sowie betriebs­ren­ten­recht­li­chen Fragen im Zusam­men­hang mit Betriebs­über­gän­gen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Betriebliche Altersversorgung".
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