Elternzeit ist schon längst nicht mehr Müttersache: Auch jeder dritte Vater nimmt laut dem „Väterreport 2016“ des BMFSFJ zwischenzeitlich Elternzeit in Anspruch. Mit der zunehmenden Verbreitung nehmen auch die praxisrelevanten Rechtsfragen zu. Häufig verkannt wird: Für die Handhabung von Urlaub im Zusammenhang mit Elternzeit gelten besondere Regeln. Wir zeigen, welche.
Typische Probleme stellen sich häufig vor allem bei der Frage der Übertragung von Urlaub und bei der Urlaubsabgeltung. Die Vorschriften des Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz (BEEG) gehen den Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) grundsätzlich als Sonderregelungen vor. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat sich kürzlich damit befasst, was dies im Einzelnen bedeutet (Urteil vom 16. Juni 2017 – 4 Sa 7/17).
Keine automatische Kürzung des Urlaubsanspruchs!
Es ist nach wie vor ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sich der Urlaubsanspruch für die Dauer der Elternzeit automatisch reduziert. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG regelt, dass der Arbeitgeber den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann. Der Arbeitgeber muss von dieser Kürzungsmöglichkeit also keinen Gebrauch machen, auch wenn die meisten Arbeitgeber dies tun.
Hinweis: Es empfiehlt sich dabei für Arbeitgeber, die Kürzung schriftlich zusammen mit der Bestätigung der Elternzeit zu erklären, damit sowohl er als auch der Mitarbeiter Planungssicherheit haben.
Wird dies versäumt, konnte der Arbeitgeber nach früher vertretener Ansicht die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG auch noch nach Ende des Arbeitsverhältnisses abgeben – etwa erst im Rechtsstreit um die Zahlung der Urlaubsabgeltung. Dies hat sich mit der vollständigen Aufgabe der sog. Surrogatstheorie geändert. Seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus 2015 (Urteil vom 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13) steht fest, dass die Kürzung nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist.
Hinweis: Arbeitgeber sollten daher vor allem bei Eigenkündigungen zum Ende der Elternzeit daran denken, spätestens während der einzuhaltenden Kündigungsfrist noch von ihrem Kürzungsrecht Gebrauch zu machen, sofern noch nicht geschehen.
Gekürzt ist der Urlaub – und nun?
Die Kürzung kann dazu führen, dass dem Mitarbeiter vor der Elternzeit zu viel Urlaub gewährt wurde. Für diesen Fall bietet § 17 Abs. 4 BEEG dem Arbeitgeber eine besondere Kürzungsmöglichkeit: er kann den zu viel gewährten Urlaub mit dem nach Rückkehr aus der Elternzeit entstehenden Urlaub verrechnen. Die Möglichkeit bietet sich jedoch nur, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während oder mit dem Ende der Elternzeit beendet wird, sondern darüber hinaus fortbesteht.
Vorsicht: Arbeitet der Mitarbeiter während der Elternzeit in Elternteilzeit, kommt eine Kürzung des Urlaubs für diesen Zeitraum nicht in Betracht. Es gilt in diesem Fall die allgemeine Problematik des Schicksals des Urlaubsanspruchs beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit, welche wir bereits hier beleuchtet haben.
Übertragung des Urlaubsanspruchs
Grundsätzlich muss gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Anders verhält es sich nach § 17 Abs. 2 BEEG für den Resturlaub, den der Mitarbeiter infolge der Elternzeit nicht mehr nehmen konnte: Der Arbeitgeber hat noch nicht gewährten Urlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.
Damit wird sichergestellt, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt. Der Übertragungszeitraum endet daher erst zum Jahresende des Folgejahres nach Beendigung der Elternzeit. Kann der Arbeitnehmer den Erholungsurlaub auch dann nicht nehmen, so findet eine weitere Übertragung nicht genommenen Erholungsurlaubs grundsätzlich nicht statt.
Ausnahmen gelten nur, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt oder sich unmittelbar eine zweite Elternzeit anschließt. Für den nach Beendigung der Elternzeit entstandenen Urlaubsanspruch gelten die Vorschriften des § 17 BEEG im Übrigen nicht.
Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Endet das Arbeitsverhältnis vor oder zum Ende der Elternzeit, so hat der Mitarbeiter nach § 17 Abs. 3 BEEG Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Dies führt insbesondere dann zu bösen Überraschungen auf Arbeitgeberseite, wenn es versäumt wurde, rechtzeitig den Urlaubsanspruch für die Zeit der Elternzeit zu kürzen. Denn dann ist nicht nur der Resturlaub aus der Zeit vor der Elternzeit (§ 17 Abs. 2 BEEG), sondern auch der Urlaub für den gesamten Zeitraum der Elternzeit bis zum Ausscheiden abzugelten. Bei längerer Elternzeit können hier beträchtliche Beträge zusammenkommen.
Sonderproblem: Beendigung erst nach Wiederaufnahme
Doch was gilt, wenn das Arbeitsverhältnis zunächst über das Ende der Elternzeit hinaus zunächst fortgesetzt und erst zu einem späteren Zeitpunkt beendet wird? Zu dieser Frage äußerte sich kürzlich das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 16. Juni 2017 – 4 Sa 7/17):
Der beklagte Arbeitgeber war der Ansicht, dass in diesem Falle aufgrund der abschließenden Sonderregelung des § 17 Abs. 3 BEEG keine Urlaubsabgeltung mehr für den vor der Elternzeit angesammelten Urlaub gezahlt werden müsse. Dieser Ansicht erteilte das Gericht eine klare Absage: Wird das Arbeitsverhältnis über das Ende der Elternzeit hinaus fortgesetzt, gelten die allgemeinen Vorschriften zur Urlaubsabgeltung (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Die Sonderregelung des § 17 Abs. 3 BEEG schränkt § 7 Abs. 4 BUrlG nicht ein, sondern erweitert lediglich die Möglichkeit der Urlaubsabgeltung. Die nach § 17 Abs. 2 BEEG übertragenen Urlaubsansprüche, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden können, sind daher in vollem Umfang abzugelten.
Zusammenfassend: Es lohnt sich, sich mit den Sonderregelungen für Urlaub rund um die Elternzeit auseinanderzusetzen. So können später böse Überraschungen vermieden werden.