Der Betriebsrat hat bei Fragen der innerbetrieblichen Lohngestaltung ein Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich auf die Entlohnungsgrundsätze, nicht aber auf die Höhe des Entgelts. Das Mitbestimmungsrecht soll lediglich dazu dienen, eine gleichmäßige Behandlung der Arbeitnehmer bei der Entlohnung zu gewährleisten. Dagegen ist es nicht Aufgabe des Betriebsrats, über die angemessene Höhe des Arbeitsentgelts mit zu entscheiden. Der Arbeitgeber kann deshalb auch mitbestimmungsfrei festlegen, ob und in welchem finanziellen Umfang (Dotierungsrahmen) er eine freiwillige Leistung gewährt. Zudem kann er den Leistungszweck, und damit den begünstigten Personenkreis mitbestimmungsfrei vorgeben. Über einen Grenzfall zwischen mitbestimmungsfreier Festlegung des begünstigten Personenkreises und mitbestimmungspflichtiger Änderung von Entlohnungsgrundsätzen hatte jüngst das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (BAG v. 21.2.2017 – 1 ABR 12/15).
Hintergrund der Entscheidung
Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber unterhielt deutschlandweit mehrere Produktionsbetriebe. Mit dem Gesamtbetriebsrat hatte er eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem für verschiedene sog. „Jobfamilien“ abgeschlossen, in denen es wiederum je unterschiedliche Gehaltsgruppen gab. Für die Gehaltsgruppen war jeweils ein Median gebildet, an dem sich Gehaltsbänder mit je fünf verschiedenen Stufen (zwischen 80 und 120 %) orientierten.
In der Gesamtbetriebsvereinbarung waren „Grundsätze der jährlichen Gehaltsanpassung“ geregelt. Danach sollte der Arbeitgeber jährlich das allgemein zur Verfügung stehende Leistungsvolumen bestimmen und dies dem Gesamtbetriebsrat mitteilen. Die Verteilung der Gehaltsanpassung sollte nach der Gesamtbetriebsvereinbarung leistungsabhängig erfolgen. In einer anderen bei dem Arbeitgeber geltenden Gesamtbetriebsvereinbarung war bestimmt, dass für die Festlegung der individuellen prozentualen Gehaltsanpassung des einzelnen Arbeitnehmers die Ergebnisse einer jährlichen Leistungsbeurteilung und die Position des Arbeitnehmers innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgeblich sein sollten.
Die Umsetzung der Gehaltserhöhungen sollte durch auf ein Jahr befristete Betriebsvereinbarungen mit den lokalen Betriebsräten erfolgen. In diesen Betriebsvereinbarungen wurde jeweils geregelt, um welchen Faktor sich der Gehaltsmedian erhöhen und nach welchem Verteilungsschlüssel sich die individuelle leistungsorientierte Gehaltsanpassung bestimmen sollte.
Partielle Streichung von Gehaltsanpassungen nach BAG stets mitbestimmungspflichtig
Nachdem der Arbeitgeber erstmals sämtliche Arbeitnehmer eines bestimmten Geschäftsbereiches von der jährlichen Gehaltserhöhung ausnehmen wollte, beantragte er beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass diese Maßnahme nicht mitbestimmungspflichtig sei.
Wie schon die Vorinstanz hielt das Bundesarbeitsgericht die partielle Herausnahme eines Geschäftsbereichs von der Gehaltsanpassung für mitbestimmungspflichtig. Zwar könne der Arbeitgeber das „Ob“ der Leistung, ihr Volumen sowie den Leistungszweck (und damit auch den begünstigten Personenkreis) mitbestimmungsfrei festlegen. Erhöhe der Arbeitgeber jedoch das Gesamtvolumen und nehme er Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von der Gehaltsanpassung aus, führe dies zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze. Denn durch die partielle Herausnahme bestimmter Geschäftsbereiche ändere sich der relative Abstand zwischen den jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer des Betriebs. Dies sei mitbestimmungspflichtig. Der Entlohnungsgrundsatz, nämlich der Verteilungsschlüssel für Gehaltserhöhungen, sei jeweils in den Betriebsvereinbarungen festgelegt. Durch Herausnahme eines Geschäftsbereiches änderten sich der Verteilungsschlüssel und damit die innerbetrieblichen Entlohnungsgrundsätze i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Jährliche Neufestlegung von Leistungsvolumen und Leistungszweck
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts überzeugt nicht. Das Bundesarbeitsgericht verkennt, dass der Arbeitgeber die freiwillige Leistung stets nur befristet für ein Jahr gewährt hat. Denn der Arbeitgeber hatte sich ausdrücklich vorbehalten, über das „ob“ der Leistung und das Dotierungsvolumen jährlich neu frei entscheiden zu dürfen. Wenn aber der Arbeitgeber über das „ob“ der freiwilligen Leistung und die Höhe des Dotierungsvolumens jedes Jahr neu bestimmen kann, muss er auch den Leistungszweck, und damit den begünstigten Personenkreis jährlich neu festlegen können. Die Gewährung der freiwilligen Leistung und die Festlegung des Leistungszwecks (samt Bestimmung des Adressatenkreises) beruhte somit jedes Jahr auf einer neuen und selbständigen Entscheidung des Arbeitgebers, die er stets mitbestimmungsfrei treffen konnte. Daher galt auch der mit dem Betriebsrat vereinbarte Verteilungsschlüssel immer nur befristet für den jeweiligen Bezugszeitraum und war somit kein dauerhafter Entlohnungsgrundsatz. Nur wenn sich der Arbeitgeber im Vorhinein festgelegt hätte, etwaige Lohnerhöhungen stets allen Arbeitnehmern zu gewähren, hätte er einen über den jeweiligen Bezugszeitraum hinausgeltenden Entlohnungsgrundsatz geschaffen, dessen Änderung mitbestimmungspflichtig gewesen wäre.
Erhebliche Beschränkung der Vertragsfreiheit
Das Bundesarbeitsgericht schränkt mit seiner Entscheidung die Vertragsfreiheit in bedenklicher Weise ein. Der Arbeitgeber hat das grundrechtlich geschützte Recht, mitbestimmungsfrei darüber zu entscheiden, ob und zu welchem Zweck er eine freiwillige Leistung gewähren und ob er sie einmalig, befristet oder unbefristet erbringen will. Das Bundesarbeitsgericht hingegen gibt dem Betriebsrat mit dieser Entscheidung ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des Leistungszwecks (Bestimmung des begünstigten Personenkreises), das ihm nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht zustehen soll.