Anfang März sollte das BAG sich mit der Frage befassen, ob es sich bei einem Privathaushalt um einen Betrieb i.S.d. §§ 1, 23 KSchG handelt. Da das Verfahren durch einen Vergleich beendet wurde, bleibt die Frage vorerst höchstrichterlich ungeklärt. Sie ist indes von praktischer Bedeutung, sofern eine Privatperson in ihrem Haushalt regelmäßig mehr als zehn Arbeitsnehmer beschäftigt. Soll einer dieser Mitarbeiter gekündigt werden, so stellt sich die Frage, ob die Vorschriften des KSchG zu beachten sind mit der Folge, dass eine Kündigung der sozialen Rechtfertigung bedarf. Dies hängt davon ab, ob ein Privathaushalt ein Betrieb i.S.d. §§ 1, 23 KSchG ist.
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 10.5.2016
In der Vorinstanz hatte das LAG Düsseldorf über die Kündigungsschutzklage einer in einem Privathaushalt beschäftigten Arbeitnehmerin zu entscheiden (Urt. v. 10.5.2016 – 14 Sa 82/16). Die Klägerin war in Vollzeit als Servicekraft in dem Privathaushalt des Beklagten tätig. Der Beklagte beschäftigt in seinem Haushalt dauerhaft etwa 15 Arbeitnehmer. Nachdem er das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Sowohl das ArbG Essen als auch das LAG Düsseldorf lehnten eine Anwendung des KSchG ab und erachteten die Kündigung als wirksam.
Kein Betrieb bei ausschließlicher Befriedigung des Eigenbedarfs
Was versteht man unter dem Betrieb? Allgemein wird hierunter die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf stelle ein Privathaushalt keinen Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG dar. Denn der in einem Betrieb typischerweise verfolgte Zweck, das Vorbringen von Gütern und Leistungen, werde in einem Privathaushalt gerade nicht verfolgt. Dessen Zweck sei vielmehr in der Deckung der privaten Bedürfnisse der Familienmitglieder zu sehen. Es gehe demnach ausschließlich um die Befriedigung des Eigenbedarfs, so dass es sich nicht um einen Betrieb handeln könne.
Schutz der Privatsphäre des Arbeitgebers
Eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 KSchG gebiete nach Ansicht des LAG kein anderes Ergebnis. Insbesondere liege kein Verstoß gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes stehe das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Privathaushalt – und damit in seinem privaten Lebensbereich – nur die Personen zu beschäftigen, die er hierfür für geeignet halte. Auf Seiten des Arbeitgebers sei insofern auch Art. 13 Abs. 1 GG zu beachten. Würde dem privaten Arbeitgeber aufgrund einer durchzuführenden Sozialauswahl im Ergebnis vorgeschrieben, welchen Personen er Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten habe, so sei hierin ein staatlicher Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG zu sehen. Die Interessen des privaten Arbeitgebers, der in besonders hohem Maße auf ein Vertrauensverhältnis zu seinen Arbeitnehmern angewiesen sei, seien im Ergebnis als höher zu bewerten. Dies gelte unabhängig von der Zahl der im Haushalt beschäftigten Personen. Gleichwohl könnten ab einer gewissen Zahl von Beschäftigten Zweifel daran begründet sein, ob diese ausschließlich zum Zwecke der Deckung des Eigenbedarfs beschäftigt werden oder ob es sich doch um einen Betrieb handeln könnte. Eine konkrete Zahl nennt das LAG indes nicht.
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf, die im Einklang zur herrschenden Auffassung in der Literatur steht, ist zu begrüßen. Eine Ausweitung des Betriebsbegriffs auf Privathaushalte hätte eine starke Beeinträchtigung der schützenswerten Interessen des Arbeitgebers zur Folge. Dieser sollte frei darüber entscheiden können, welchen Mitarbeitern er Einblick in seine Privatsphäre gewährt. Die in Privathaushalten beschäftigten Arbeitnehmer sind auch nicht schutzlos gestellt, sondern durch die zivilrechtlichen Generalklauseln gegen sitten- oder treuwidrige Kündigungen geschützt.
Weitere Fragen bei der Beschäftigung im Privathaushalt
Welche weiteren Problemfelder sind bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern in einem Privathaushalt zu beachten?
Bei einer Kündigung stellt sich die Frage, ob lediglich die vierwöchige Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB oder – bei längerer Beschäftigungsdauer – die längere Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB einzuhalten ist. Da § 622 Abs. 2 BGB auf die Betriebszugehörigkeit abstellt, könnte man die Anwendbarkeit mit der Begründung verneinen, ein Privathaushalt stelle keinen Betrieb dar. Das LAG Baden-Württemberg hat dies indes kürzlich anders entschieden (Urt. v. 26.6.2015 – 8 Sa 5/15). Nach Auffassung des LAG sei aus verfassungsrechtlichen Gründen die Einhaltung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB geboten. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in dieser Hinsicht positionieren wird.
Beschäftigt der Arbeitgeber in seinem Privathaushalt schwerbehinderte Personen, hat er bei einer Kündigung den Sonderkündigungsschutz nach § 85 Abs. 1 SGB IX zu beachten und demnach die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. Denn der Sonderkündigungsschutz setzt nicht voraus, dass der Schwerbehinderte in einem Betrieb beschäftigt wird, er erstreckt sich vielmehr auf alle Schwerbehinderte, die in einem wirksamen Arbeitsverhältnis stehen (ArbG Düsseldorf v. 12.1.2009 – 2 Ca 6263/08).
Zuletzt stellt sich die spannende Frage, ob die in einem Privathaushalt Beschäftigten einen Betriebsrat gründen können. Diese – bislang von der Rechtsprechung nicht entschiedene – Frage dürfte mit der herrschenden Auffassung in der Literatur zu verneinen sein. Denn das BetrVG gilt nur für Arbeitnehmer, die in einem Betrieb beschäftigt sind. Folgt man der Entscheidung des LAG Düsseldorf, dürfte dies bei einem Privathaushalt nicht der Fall sein.
Fazit
Personen, die in ihrem Haushalt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen, sind weiterhin mit Rechtsunsicherheiten konfrontiert, insbesondere wenn sie einem ihrer Angestellten kündigen möchten. Solange das BAG über die Frage der Anwendbarkeit des KSchG auf Privathaushalte nicht entschieden hat, ist nicht auszuschließen, dass Instanzgerichte diese Frage anders als das LAG Düsseldorf beantworten könnten. Gleiches gilt mit Blick auf die Frage, welche Kündigungsfristen zu beachten sind.