Von der Praxis bislang weitgehend unbemerkt, hat eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Ende 2015 (Urteil vom 9.9.2015 – 7 AZR 148/14) Bewegung in das Befristungsrecht gebracht. Das BAG eröffnet Arbeitgebern die Möglichkeit, frühzeitig einen zweckbefristeten Arbeitsvertrag zum Zweck der Elternzeitvertretung abzuschließen. Die Zweckbefristung kann bereits vereinbart werden, wenn die Stammkraft noch keine Elternzeit verlangt, sondern deren spätere Inanspruchnahme nur angekündigt hat. Ein den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechendes „formelles“ Elternzeitverlangen ist nicht erforderlich.
Worum ging es?
Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Stammkraft (Frau B.) ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft informierte und den errechneten Geburtstermin (10.5.2011) mitteilte. Sie erklärte außerdem, sie wolle „ein Jahr in Elternzeit gehen“. Bereits wenig später vereinbarte der Arbeitgeber mit einer Vertretungskraft die Einstellung ab dem 1.5.2011, „befristet bis zum Erreichen folgenden Zwecks: Ende der Elternzeit der Frau B.“.
Nach der Geburt ihres Kindes verlangte Frau B. die Gewährung von Elternzeit bis zum 16.5.2012. Mit Schreiben vom 27.3.2012 teilte der Arbeitgeber der Vertretungskraft mit, das befristete Arbeitsverhältnis der Parteien werde mit dem Ende der Elternzeit der Frau B. mit Ablauf des 16.5.2012 enden.
Die Vertretungskraft erhob fristgerecht Entfristungsklage gegen den Arbeitgeber. Sie beantragte die Feststellung, dass das Vertretungsarbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 16.5.2012 geendet habe. Die Befristung sei unwirksam. Insbesondere sei sie nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Denn die Befristung sei vor dem eigentlichen Elternzeitverlangen vereinbart worden.
ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Wie ist die Gesetzeslage?
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) ist die Befristung eines Arbeitsvertrages zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Eine Konkretisierung findet sich hierzu in § 21 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG). Nach § 21 Abs. 1 BEEG liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, insbesondere vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer einer Elternzeit eingestellt wird. Das Gesetz erlaubt in § 21 Abs. 3 BEEG Zeit- und Zweckbefristungen.
Klare Worte vom BAG: Zweckbefristung bereits bei Ankündigung der Elternzeit zulässig
Vor dem Hintergrund dieser Gesetzeslage beurteilte das BAG die Befristung als durch den Sachgrund der Vertretung für die Dauer einer Elternzeit von Frau B. nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt. Die bislang höchstrichterlich noch nicht entschiedene und im arbeitsrechtlichen Schrifttum kontrovers behandelte Frage, ob es der Wirksamkeit der Befristung entgegenstehe, wenn die Stammkraft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Vertretungskraft noch kein den Anforderungen des § 16 Abs. 1 BEEG genügendes Elternzeitverlangen geäußert habe (sondern die Inanspruchnahme von Elternzeit bloß angekündigt habe), hat es damit geklärt – und zugleich die Rechtssicherheit für die Praxis erhöht.
Das BAG stellt klar, dass der Sachgrund der Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG in Verbindung mit § 21 Abs. 1 BEEG nicht voraussetzt, dass bereits im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung ein rechtsverbindliches Elternzeitverlangen des zu vertretenden Arbeitnehmers vorliegt. Entscheidend ist nur, wie sich die Situation bei Arbeitsbeginn des Vertreters darstellt.
Die Zweckbefristung des Arbeitsvertrags mit dem Elternzeitvertreter kann also bereits vereinbart werden, wenn die Stammkraft die Inanspruchnahme von Elternzeit nur angekündigt hat.
Und jetzt: (Un)-Klarheit für die Praxis?
Einerseits erhöht sich für den Arbeitgeber die Planungssicherheit. Er muss nicht länger auf ein „formelles“, den gesetzlichen Voraussetzungen von § 16 Abs. 1 BEEG entsprechendes, Elternzeitverlangen der Stammkraft warten, bevor er eine Ersatzkraft zweckbefristet einstellt. Arbeitgeber können vielmehr schon nach der Ankündigung der Inanspruchnahme von Elternzeit bereits während des Arbeitsausfalls auf Grund der Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG den Arbeitsplatz mit derselben Ersatzkraft besetzen. Diese Flexibilisierung ist letztlich aus der Sicht aller in solchen Vertretungsfällen Beteiligten zu begrüßen.
Andererseits ergeben sich aus der Anknüpfung an eine (nur) angekündigte Elternzeit zwangsläufig Abgrenzungsprobleme: Unklar ist insbesondere, wann bereits eine „Ankündigung der Inanspruchnahme von Elternzeit“ vorliegt. Kann zukünftig alleine in der Mitteilung einer Schwangerschaft, eines errechneten Geburtstermins oder einer vagen Äußerung über eine „Auszeit nach dem freudigen Ereignis“ die Ankündigung der Inanspruchnahme von Elternzeit gesehen werden? Das BAG hatte (leider) keinen Anlass, den weichenstellenden Zeitpunkt der „angekündigten Inanspruchnahme“ inhaltlich zu präzisieren. Denn im zugrunde liegenden Fall lag eine angekündigte Inanspruchnahme angesichts der Mitteilung der Schwangerschaft, des errechneten Entbindungstermins, der Erkundigung über die Anzahl der Urlaubs- und Gleittage sowie insbesondere die Erklärung „ein Jahr in Elternzeit“ zu gehen, im maßgeblichen Zeitpunkt der Befristungsabrede eindeutig vor. Arbeitgeber dürften zukünftig auf der sicheren Seite sein, wenn sie sich insoweit nicht nur auf bloße Mutmaßungen oder subjektive Erfahrungen stützen, sondern möglichst objektive Gründe – beispielsweise die Mitteilung eines errechneten Geburtstermins und eine Erkundigung über die Anzahl der Urlaubstage – für die Ankündigung zugrunde legen.
Arbeitgeber aufgepasst: Risiko der Doppelbeschäftigung
Was aber ist, wenn Arbeitgeber und Vertretungskraft nach einer vollmundig angekündigten Elternzeitinanspruchnahme bereits einen zweckbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen haben und die Stammkraft dann doch keine Elternzeit in Anspruch nimmt? Trägt der Arbeitgeber zukünftig das Risiko der Doppelbeschäftigung? Ein Blick in das Gesetz lässt dies zunächst vermuten. Denn dort (§ 15 Abs. 2 TzBfG) ist nur geregelt, dass das Arbeitsverhältnis automatisch mit Erreichen des Zwecks endet, frühestens zwei Wochen nach Zugang einer entsprechenden Mitteilung des Arbeitgebers. Diese Regelung hilft dem Arbeitgeber nicht weiter. Denn nimmt die Stammkraft entgegen ihrer Ankündigung doch keine Elternzeit in Anspruch, kann auch der Zweck der Befristung („Ende der Elternzeit“) niemals erreicht werden. Er fällt vielmehr von Anfang an weg. Das Dilemma liegt auf der Hand: Das zweckbefristete Arbeitsverhältnis kann nicht enden – und beide Mitarbeiter (Stammkraft und Vertretungskraft) klopfen schon an das Werkstor.
Das BAG verweist für den Fall des Zweckwegfalls auf eine ergänzende Auslegung des befristeten Vertrags. Danach ist entscheidend, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BAG vom 26.6.1996 – 7 AZR 674/95). Hiervon ausgehend dürfte die ergänzende Auslegung regelmäßig ergeben, dass Fälle des Zweckwegfalls mit den gesetzlich geregelten Fällen der Zweckerreichung (§ 15 Abs. 2 TzBfG) gleichzusetzen sind. Denn der Arbeitgeber hätte den befristeten Vertrag nicht geschlossen, hätte er die spätere Nichtinanspruchnahme der Elternzeit durch die Stammkraft gekannt. Aber: Bis zur endgültigen Klärung dieser Folgefrage besteht Rechtsunsicherheit, wenn die Ankündigung ins Leere ging.
Fazit
Die Entscheidung des BAG bringt Bewegung in das Befristungsrecht. Die mit der Anknüpfung an die nur angekündigte Elternzeit einhergehende Flexibilisierung ist aus Sicht der Praxis zu begrüßen. Die Entscheidung wirft jedoch auch Fragen auf.
Um im konkreten Einzelfall das Risiko einer Doppelbeschäftigung aus Arbeitgebersicht zu minimieren, sollten Arbeitgeber neben dem Zweck der Befristung und der Zweckerreichung insbesondere den Zweckwegfall und dessen Folgen präzise im Vertrag regeln. Auf diese Weise umschiffen sie die Unwägbarkeiten einer ergänzenden Vertragsauslegung. Auch eine Doppelbefristung des Vertrages („…bis zum Erreichen des Zwecks des Endes der Elternzeit des Mitarbeiter X, längstens jedoch bis zum …“) ist denkbar (vgl. BAG vom 19.3.2014 – 7 AZR 718/12).
Zum „Massenentlassungsschutz auch in der Elternzeit“ siehe den Beitrag in diesem Blog vom 30. Januar 2017 von Dr. Alexa Paehler LL.M.