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Rückenwind für „Devesting“-Klauseln in VSOP-Verträgen

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Durch die Zuteilung von „virtuellen Unternehmensanteilen“ an Mitarbeiter können Arbeitgeber finanzielle Anreize für (wichtige) Mitarbeiter schaffen und sie zugleich möglichst langfristig an das Unternehmen binden. Die Mitarbeiterbindung wird hierbei üblicherweise durch sogenannte „Vesting- und Leaver-Klauseln“ in den Programmbedingungen erzielt, die ein Anwachsen von virtuellen Anteilen über mehrere Jahre (Vesting) und ein Verlust bei bestimmten Ereignissen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (Leaver), vorsehen. In der Praxis weniger verbreitet sind sogenannte „Devesting“-Klauseln. Diese regeln ein sukzessives Abschmelzen von zuvor angesparten (gevesteten) virtuellen Anteilen nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen. Die Wirksamkeit von Devesting-Klauseln ist umstritten. Rückenwind bekommen Devesting-Klauseln jetzt vom LAG München.

Inhalt von VSOP-Programmen

Virtual Employee Stock Ownership Programs („VSOP”) erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, v.a. bei Startups. Hierbei werden virtuelle Anteile am Unternehmen an die eigenen Mitarbeiter ausgegeben. Die nachgebildete Kapitalbeteiligung stellt den Mitarbeiter wirtschaftlich gesehen zu einem vorbestimmten Ereignis (zumeist „Exit“) einem Gesellschafter oder Inhaber von Anteilsoptionen gleich. Im Falle des Exits partizipiert der Mitarbeiter am Exiterlös entsprechend seiner virtuellen Beteiligungsquote am Unternehmen. Aufgrund der Virtualität der Beteiligung nimmt er keine Gesellschafterstellung ein und verfügt folglich auch über keine Gesellschafterrechte und -pflichten.

Ansparen von virtuellen Anteilen (Vesting)

In der Regel erfolgt die Zuteilung virtueller Anteile nicht „auf einen Schlag“, sondern sukzessive im Rahmen des sog. „Vesting“. Hierbei werden die Anteile nicht zu einem konkreten Stichtag ausgegeben, sondern ihre Zuteilung erfolgt nach Ablauf einer Wartezeit („Cliff“) gestaffelt über einen längeren Ansparzeitraum von regelmäßig bis zu fünf Jahren (sog. „Vesting-Periode“). Hierdurch wird u.a. dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Mitarbeiter durch seine längere Mitarbeit einen größeren Anteil an der Wertsteigerung des Unternehmens hat und er deshalb auch in größerem Umfang an möglichen Erfolgen finanziell beteiligt werden soll. Zudem bindet die Vesting-Periode den Mitarbeiter länger an das Unternehmen, in dem die finanzielle Beteiligung erst nach Ablauf einiger Jahre (voll) in Aussicht gestellt wird.

Anteilsverfall durch Devesting-Klauseln

Im Gegensatz zum Vesting sind Klauseln, die das Devesting betreffen, in der Praxis bisweilen von geringer Relevanz. Mit dem Begriff des „Devesting“ wird das Gegenstück zum Vesting, also der Abbau/Verfall virtueller Anteile innerhalb eines bestimmten Zeitraums, umschrieben. Beim Devesting bauen sich die während der Unternehmenszugehörigkeit angesparten virtuellen Optionsrechte nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen in einer vertraglich festgelegten Staffelung wieder ab. Der Abbau beginnt dabei zumeist wenige Monate nach dem Ausscheiden und erfolgt fortlaufend bis letztlich keine virtuellen Anteile mehr verfügbar sind. Damit werden Mitarbeiter davon abgehalten, das Unternehmen vor Eintritt des Ereignisses vorzeitig zu verlassen, weil dann die Chance auf eine (i.d.R. reizvolle) finanzielle Beteiligung sukzessive entfällt.

Rückenwind für Devesting-Klauseln vom LAG München

Nach Auffassung des LAG München sind solche Devesting-Klauseln im Grundsatz nicht zu beanstanden. Insbesondere benachteiligen sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens über einen Zeitraum von 15 Monaten insgesamt 31,25 % der möglichen virtuellen Optionen erlangt. Die Programmbedingungen des VSOP sahen für den Fall des Ausscheidens des Mitarbeiters aus dem Unternehmen ein Devesting vor. Nach der Devesting-Regelung sollte sich der Anteil der angesparten virtuellen Optionen für jedes abgelaufene Quartal nach dem Ausscheidenszeitpunkt um 12,5 % verringern. Nach Ablauf von 24 Monaten sollten zudem alle vormals angesparten Optionen vollständig verfallen. 21 Monate nach seinem Ausscheiden begehrte der Mitarbeiter die Feststellung, dass ihm alle während des Anstellungsverhältnisses angesparte Optionen unverfallen zustehen. Zu diesem Zeitpunkt waren nach der vertraglichen Devesting-Klausel bereits 87,5 % der Optionen verfallen.

Das Arbeitsgericht München wies die Klage ab. Dem schloss sich das LAG München mit Urteil vom 7. Februar 2024 (Az. 5 Sa 98/23) an. Die Gewährung von virtuellen Optionen sei zwar trotz ihrer spekulativen Natur als Vergütungsbestandteil zu qualifizieren. Allerdings gehe mit ihrer Gewährung kein unmittelbarer finanzieller Vorteil einher, sondern lediglich eine mögliche Gewinnchance. Durch den Verfall dieser Optionen werde dem Arbeitnehmer daher in Wahrheit nur diese Verdienstchance und kein echter finanzieller Vorteil entzogen. AGB-Klauseln, die für die Ausübung der virtuellen Optionen das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses voraussetzen, würden den Arbeitnehmer daher nicht unangemessen benachteiligen. Die Ungewissheit über den weiteren Bestand der Optionen und ihre Werthaltigkeit seien dem Arbeitnehmer von vornherein bekannt. Die Optionen seien daher wie ein „Los“ zu sehen, das nur für einen befristeten Zeitraum an Ziehungen teilnimmt. Zudem sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine freiwillige Vergütung zu gewähren, die auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter ihren Wert behält. Eine Ausnahme liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wider Treu und Glauben herbeigeführt habe.

Der Kläger hat Revision gegen das Urteil beim BAG eingelegt. Über die Entscheidung des BAG werden wir selbstverständlich auf unserem Blog informieren.

Martin Eisenbeis

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Martin Eisenbeis berät bundesweit Unternehmen umfassend im individuellen und kollektiven Arbeitsrecht. Schwerpunkte bilden die arbeitsrechtliche Gestaltung und Begleitung von Umstrukturierungen und Outsourcing-Projekten. Besondere Expertise hat er zudem in der arbeitsrechtlichen Beratung von Startups, Scaleups, Investoren, Private Equity und Venture Capital Gesellschaften, insbesondere zu Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und bei M&A-Transaktionen. Er ist Mitglied der Fokusgruppe Unternehmensmitbestimmung.
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