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Unternehmensübernahme: Wie sich Mitarbeiter durch Retention Programme binden lassen

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Stolz und Optimismus sind zwei von vielen möglichen Emotionen, die die Übernahme des eigenen Arbeitgebers durch einen Private Equity-Investor hervorrufen können. Zu diesen Emotionen gehören aber auch Unsicherheit, Skepsis oder die Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Einer hierdurch bedingten Abwanderung (wichtiger) Mitarbeiter kann der Investor durch gezielte Programme zur Mitarbeiterbindung sog. Retention Programme – entgegenwirken.

Die Übernahme von Unternehmen durch Private Equity-Investoren birgt nicht nur Chancen für Wachstum und Optimierung, sondern auch Herausforderungen im Hinblick auf die Mitarbeiterbindung. Die Ungewissheit, wie es zukünftig bei dem eigenen Arbeitgeber weitergeht, verleitet die Mitarbeiter dazu, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen und ggf. abzuwandern. Ein solcher Wechsel wird insbesondere den Spitzenleistern und Fachkräften im Unternehmen durch attraktive Angebote konkurrierender Unternehmen leicht gemacht, während der Investor diese zur Fortführung des Unternehmens eigentlich dringend benötigt. Programme zur Mitarbeiterbindung wie Retention-Programme spielen eine zentrale Rolle, einer solchen Abwanderung effektiv entgegenzutreten.

Sinn & Zweck von Retention-Programmen

Sinn und Zweck sogenannter Retention-Programmen bzw. Retention-Boni (dt. „Halteprämien“) ist die Belohnung der Betriebstreue. Sie sollen sicherstellen, dass (ggf. bestimmte) Mitarbeiter bis zu einem konkreten Zeitpunkt im Unternehmen bleiben. Es wird keine Arbeitsleistung und kein konkreter Arbeitserfolg honoriert. Es geht darum, Anreize für die Bestandsmitarbeiter zu schaffen und diese an das eigene Unternehmen zu binden.

Gestaltungsmöglichkeiten

Dabei gibt es viele unterschiedliche Anreize, die eine solche Bindung schaffen sollen. Neben rein monetären Anreizen wie beispielsweise Barauszahlungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in festgelegten Intervallen ausgezahlt werden, kommen auch Anreize wie verbesserter Schutz im Krankheitsfall, Zusatzurlaub oder die gezielte Förderung von Karriereentwicklungsmöglichkeiten und Fortbildungen in Betracht.

Die Umsetzung kann sowohl individualvertraglich als auch kollektivrechtlich erfolgen, wobei das Unternehmen sicherstellen muss, dass bestimmte Mitarbeiter oder Gruppen nicht diskriminiert werden. Der Betriebsrat hat, soweit keine leitenden Angestellten betroffen sind, ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, das insbesondere die Festlegung der Grundsätze über die Verteilung im Rahmen des vom Unternehmen ausgelobten Budgets und der Zweckvorgabe für die Leistung betrifft.

Besondere Vorsicht ist schließlich geboten, wenn die Regelungen Stichtagsklauseln enthalten sollen (vgl. hierzu Kliemt.blog vom 26. August 2021).

Der Rahmensozialplan als Stabilisator in unsicheren Zeiten

Geht es dem Investor darum, das übernommene Unternehmen für einen längerfristigen Zeitraum fortzuführen und den Mitarbeitern Sicherheit zu geben, bietet sich ein Rahmensozialplan an. Das ist eine freiwillige Vereinbarung zwischen den Betriebspartnern, die allgemeine Grundsätze und Regelungen vorsieht, die bei bestimmten Ereignissen wie beispielsweise betriebsbedingten Kündigungen oder Betriebsänderungen angewandt werden sollen. Typischerweise werden insbesondere Regelungen über eine Abfindung aufgenommen.

Eine solche Vereinbarung kann sowohl für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation sein. Ein Rahmensozialplan stärkt das Vertrauen der Mitarbeiter in das Unternehmen, weil Sie wissen, dass eine mögliche Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses strukturiert und fair ablaufen wird. Gleichzeitig können sich die Mitarbeiter sicher sein, dass sie im Falle einer Kündigung oder Aufhebung nicht mit leeren Händen dastehen. Es lohnt sich für sie finanziell, aktiv im Unternehmen zu verbleiben und nicht von selbst abzuwandern.

Das Unternehmen sollte jedoch darauf achten, dass die Vereinbarung zum Rahmensozialplan nicht die ordentliche Kündigung ausschließt und im Falle einer Kündigung nicht nachwirkt. Andernfalls kann der Rahmensozialplan, der zunächst die Interessen des Unternehmens schützen soll, zur Last werden, wenn das Unternehmen diesen nicht mehr los wird.

Besonderheiten bei der Übernahme von Unternehmen

In diesem Zuge ist insbesondere während der Übernahme-Phase durch Investoren Sensibilität gefragt. Die Kommunikation mit den Mitarbeitern über etwaige Veränderungen muss transparent und frühzeitig erfolgen. Ein erfolgreicher Private Equity-Investor wird darauf abzielen, die bestehenden Retention Boni zu optimieren und sie an die Unternehmensziele anzupassen, um die Mitarbeitermotivation aufrechtzuerhalten.

Besonderheiten im Rahmen des Verkaufsprozesses

Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass es einen erheblichen Einfluss auf die Werthaltigkeit des Unternehmens haben kann, ob und wie Retention Programme fortgeführt und ggf. angepasst werden. Das ist vor allem mit Blick auf den Verkaufsprozess zu beachten. Investoren müssen daher sicherstellen, dass bestehende Bonussysteme den Verkaufsbedingungen entsprechen und potenzielle Käufer von der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber überzeugen.

Fazit

Im Ergebnis zeichnet sich ein erfolgreiches Retention-Programm während einer Private Equity-Übernahme durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aus. Es sollte nicht nur kurzfristige Ziele, wie die Bindung von Schlüsselmitarbeitern während der Übernahme, verfolgen, sondern auch langfristige Ziele berücksichtigen, um die Kontinuität und Stabilität des Unternehmens sicherzustellen.

Durch eine kluge Gestaltung und Anpassung dieser Programme können Investoren nicht nur Talente sichern, sondern auch den Erfolg der Transaktion nachhaltig fördern.

Maximilian Melles

Rechtsanwalt

Senior Associate
Maximilian Melles berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity / M&A".
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