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Das wird man ja wohl noch sagen dürfen?!

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In Zeiten des Fachkräftemangels und des „War for Talents“ legen Unternehmen besonderen Wert auf ein positives Arbeitgeber-Image. Dabei spielen für den Außenauftritt Bewertungen von gegenwärtigen oder ehemaligen Mitarbeitern/Bewerbern auf Bewertungsportalen wie Glassdoor, Kununu oder MeinChef eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter von der Veröffentlichung negativer Bewertungen abhalten? Und was können Arbeitgeber tun, wenn der Verdacht besteht, dass der Verfasser einer negativen Bewertung nie beim Arbeitgeber tätig gewesen ist? Der nachfolgende Beitrag beantwortet diese Fragen.

Arbeitgeberbewertungsportale stehen hoch im Kurs. Einer Studie des HR-Marktforschungsinstituts Trendence zufolge (vgl. Personalwirtschaft News vom 3. Februar 2022), die im Auftrag eines interuniversitären Forscherteams mit 1.647 Bewerbenden durchgeführt wurde, nutzen 73,6 Prozent der Jobsuchenden Arbeitgeberbewertungsportale für den Check möglicher Arbeitgeber. Während viele positive Bewertungen das Employer Branding eines Unternehmens stärken und es für qualifizierte Bewerber attraktiver machen, können viele negative Bewertungen erhebliche Probleme bei der Mitarbeitergewinnung bereiten.

Abgabe negativer Bewertungen durch den Abschluss entsprechender vertraglicher Abreden vermeidbar?

Für Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob sie durch vertragliche Absprachen das Risiko von negativen Bewertungen verringern können.

Regelungen im Arbeitsvertrag – Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG

Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses können Klauseln in Arbeitsverträgen eine Lösung sein, die es dem Mitarbeiter ausdrücklich untersagen, sich auf Arbeitgeberportalen negativ über den Arbeitgeber zu äußern.

Zu berücksichtigen ist aber, dass Arbeitnehmer auch in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis und ihren Arbeitgeber von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt sind. Sachliche Kritik müssen Arbeitgeber daher hinnehmen. Eine arbeitsvertragliche Regelung kann die Meinungsfreiheit insoweit nicht einschränken.

Allerdings ist nicht jede negative Äußerung in Arbeitgeberbewertungen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind bereits von vornherein nicht geschützt. Die Grenzen der Meinungsfreiheit werden auch dann überschritten, wenn der Mitarbeiter den Arbeitgeber oder seine Kollegen beleidigt. Insbesondere die sogenannte Schmähkritik, d.h. eine Äußerung, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, sowie Formalbeleidigungen, d.h. Ehrverletzungen, die sich gerade aus der Form oder den äußeren Umständen ergeben, werden nicht durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt.

Im Übrigen ist bei negativen Äußerungen über Personen eine Einzelfallabwägung vorzunehmen.

Zu den Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis gehören die wechselseitige Rücksichtnahme und Loyalität. Denkbar ist daher eine Klausel im Arbeitsvertrag, welche den Mitarbeiter zur Rücksichtnahme auf die Arbeitgeberinteressen und zur Mäßigung bei öffentlichen Äußerungen über den Arbeitgeber anhält. Ungeachtet der Frage, ob eine solche Klausel im Einzelfall wirksam ist, können solche Klauseln jedenfalls verhaltenslenkende Wirkung haben.

Der Hauptanwendungsfall: Negative Bewertungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die meisten negativen Bewertungen werden von ehemaligen Arbeitnehmern abgegeben, die ihren Groll über den Arbeitgeber im Internet auf einschlägigen Portalen kundtun möchten. Daher ist es vor allem in Trennungssituationen üblich und ratsam, Klauseln in Aufhebungsverträge oder gerichtliche Vergleiche aufzunehmen, welche beide Parteien zu gemäßigten Äußerungen über die jeweils andere anhalten.

Eine solche Klausel könnte – ohne Berücksichtigung von Besonderheiten des Einzelfalls – beispielsweise lauten:

Auch nach dem Beendigungsdatum wird sich der Arbeitnehmer loyal gegenüber der Gesellschaft und den mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmen verhalten. Beide Parteien verpflichten sich, negative, insbesondere geschäfts- oder rufschädigende sowie unrichtige Äußerungen über die jeweilige andere Partei zu unterlassen.

Zudem lässt sich eine Vertragsstrafe für den Verstoß gegen diese Wohlverhaltenspflichten vereinbaren.

Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG Hamburg): Plattform muss Identität von Rezensenten offenlegen

Die Entscheidung

Das OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 9.2.2024 (Az. 7 W 11/24) die Position von Arbeitgebern gestärkt und entschieden, dass Arbeitgeberbewertungsportale die Identität von Verfassern negativer Bewertungen offenlegen oder die Bewertung löschen müssen, wenn Zweifel daran bestehen, dass der Verfasser der Bewertung weder ein gegenwärtiger noch ein ehemaliger Mitarbeiter des Arbeitgebers ist.

In dem zugrunde liegenden Fall verlangte der Arbeitgeber wegen Zweifeln an der Echtheit einer negativen Bewertung von der Plattform die Löschung. Die Plattform weigerte sich, da der Rezensent auf Nachfrage Nachweise über eine Tätigkeit bei dem Arbeitgeber in anonymisierter Form vorlegte und die Daten in diesen Tätigkeitsnachweisen mit den im Nutzerprofil des Rezensenten hinterlegten Bestandsdaten übereinstimmten. Dem Arbeitgeber genügten die anonymisierten Unterlagen jedoch nicht, um eine tatsächliche Mitarbeiterstellung des Rezensenten zu überprüfen.

Das OLG Hamburg gab dem Arbeitgeber Recht und entschied, dass Plattformbetreiber in solchen Fällen gehalten sind, den Rezensenten so weit zu individualisieren, dass es dem Arbeitgeber ermöglicht wird, das Vorliegen eines realen geschäftlichen Kontakts zu überprüfen. Dies sei in der Regel der Fall, wenn der Arbeitgeber den Klarnamen des Rezensenten erfahre. Diese Ansicht begründet das Gericht vor allem damit, dass Arbeitgeber Fake-Bewertungen nicht einfach ausgesetzt sein dürfen, sondern nachvollziehen können müssen, ob der Rezensent bei ihnen tätig (gewesen) ist.

Nach Ansicht des Gerichts besteht auch kein Anspruch auf Anonymität der bewertenden Person aus Datenschutzgründen. Denn in einer solchen Konstellation überwiege das Interesse des Arbeitgebers zu klären, ob überhaupt ein geschäftlicher Kontakt bestanden hat, gegenüber dem Interesse des Rezensenten, anonym zu bleiben.

Das Gericht hielt es schließlich auch nicht für rechtsmissbräuchlich, wenn ein Arbeitgeber eine Vielzahl von Bewertungen beanstande und behaupte, dass diese unecht seien. Es sei durchaus denkbar, dass auf einem Arbeitgeberbewertungsportal mehrere Bewertungen veröffentlicht sind, die nicht von echten Mitarbeitern oder Bewerbern verfasst wurden.

Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Hamburg ist zu begrüßen, da sie konsequent die Grundsätze des BGH (Urteil v. 09.09.2022 – Az. VI ZR 1244/20) zu Löschungsansprüchen bei Online-Bewertungen anwendet. Danach genügt für eine begründete Rüge des Bewerteten die Behauptung, dass kein geschäftlicher Kontakt besteht oder bestanden habe. Es liegt kein Grund vor, bei Arbeitgeberportalen andere Maßstäbe anzulegen, da auch Arbeitgeber sich effektiv gegen unechte Bewertungen wehren können müssen. Die häufig intransparenten Kontrollprozesse der Plattformen werden diesem Schutzbedürfnis nicht gerecht.

Insbesondere unter dem Deckmantel der Anonymität werden in der Praxis Online-Bewertungen abgegeben, die unwahre Tatsachenbehauptungen oder strafrechtlich relevante, ehrverletzende Äußerungen über Personen oder Unternehmen enthalten oder etwa gezielt von Wettbewerbern gestreut werden. Möglich ist auch, dass eine Person eine Vielzahl negativer Bewertungen zum selben Arbeitgeber veröffentlicht.

Die Entscheidung des OLG Hamburgs war im Eilrechtsverfahren ergangen, sodass eine andere Entscheidung des Senats im Hauptsacheverfahren möglich ist. Die betroffene Plattform hat bereits angekündigt, die Entscheidung des OLG Hamburgs überprüfen zu lassen. Es bleibt abzuwarten, ob trotz der dezidierten Auseinandersetzung des Gerichts im Eilverfahren mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Online-Bewertungen, den Besonderheiten des Einzelfalls und den Argumenten der Plattform eine abweichende Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergeht.

Fazit

Aufgrund der hohen Relevanz von Arbeitgeberbewertungen für den Außenauftritt von Arbeitgebern empfiehlt es sich, vor allem in Trennungssituationen Maßnahmen zu ergreifen, um das Risiko der Abgabe negativer Bewertungen zu verringern. Sofern die begründete Vermutung besteht, dass der Rezensent weder ein gegenwärtiger noch ehemaliger Mitarbeiter oder Bewerber ist, sollten Arbeitgeber sich wehren und eine Löschung dieser Bewertung veranlassen.

Kimia Wenzel

Rechtsanwältin

Associate
Kimia Wenzel berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten u. a. in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity/M&A".
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