Bereits seit Längerem muss sich die Rechtsprechung mit der Tatsache auseinandersetzen, dass soziale Medien nicht nur für „harmlose“ Zwecke genutzt werden. Statt der Verbreitung von Urlaubsfotos, Katzenvideos und (echten) Neuigkeiten, bieten Facebook & Co. auch Teilen der Bevölkerung eine Plattform für die Verbreitung ihrer Ansichten auf die Welt. Und diese sind nicht immer erfreulich. Grundsätzlich darf der Arbeitnehmer in seiner Freizeit tun was er will, ohne arbeitsrechtlichen Sanktionen zu fürchten. Anders kann dies dann sein, wenn das private Verhalten das Arbeitsverhältnis bzw. die Rechte des Arbeitgebers tangiert.
Die Entscheidung, wann eine Äußerung im Netz beispielsweise eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann, mag in Anbetracht divergierender Urteile zufällig wirken. Zuletzt haben das Arbeitsgericht Mannheim (Urteil vom 19. Februar 2016 – 6 Ca 190/15) und das Arbeitsgericht Herne (Urteil vom 22. März 2016 – 5 Ca 2806/15) in ähnlich gelagerten Fällen unterschiedliche Entscheidungen im Hinblick auf die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Kündigung getroffen. Für Arbeitgeber stellt sich daher die berechtigte Frage, wie sie unter bestimmten Voraussetzungen auf das Verhalten der Mitarbeiter außerhalb des Arbeitsplatzes reagieren können und zum Schutz ihrer Interessen sogar sollten.
Die Entscheidungen
Der Entscheidung des Arbeitsgerichts Herne lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein seit 32 Jahren beschäftigter Mitarbeiter eines Bergwerkes hatte auf Facebook einen Beitrag des Nachrichtensenders n-tv kommentiert, in dem über ein Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft berichtet wurde. Er kommentierte den Beitrag mit den Worten: „hoffe, dass alle verbrennen, die nicht gemeldet sind“. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, das Arbeitsgericht erachtete diese Kündigung für wirksam.
Der Sachverhalt der Entscheidung des Arbeitsgericht Mannheim stellte sich wie folgt dar: Ein seit 14 Jahren beschäftigter Mitarbeiter der Deutschen Bahn postete ein Foto des Konzentrationslagers Auschwitz auf seiner Facebook-Seite mit der Unterschrift „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Das Arbeitsgericht erachtete diese Kündigungen für unwirksam.
Trotz der unterschiedlichen Ergebnisse legten die Gerichte jedoch konsequent ähnliche Maßstäbe bei der Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage an. Sie untersuchten insbesondere zwei Fragestellungen näher:
- Wo findet das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung seine rechtlichen Grenzen?
- Unter welchen Voraussetzungen kann ein privates Verhalten des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeit eine arbeitsrechtliche Sanktion nach sich ziehen?
Grenzen der Meinungsfreiheit
Beide Arbeitnehmer beriefen sich im Prozess auf ihre grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit. Wären die Postings der Arbeitnehmer von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen, so wäre die Bewertung als Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten unter Umständen nicht möglich gewesen.
Ob ein anstößiges Posting auf Facebook jedoch eine Meinung darstellt (und damit dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfällt oder nicht), ist stets im Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich geschützt sind „durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnete Äußerungen“ (BVerfG), darüber hinaus wahre Tatsachenbehauptungen. Nicht geschützt sind hingegen unwahre Tatsachenbehauptungen, Herabwürdigungen, Beleidigungen und Schmähkritik.
Des Weiteren findet das Recht zur Ausübung der Meinungsfreiheit seine Grenzen dort, wo die Rechte anderer betroffen sind. Das schließt insbesondere die Rechte anderer Menschen (insb. Menschenwürde) sowie auch die Rechte des Arbeitgebers mit ein, die sich aus der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht ergeben. In den vorbenannten Entscheidungen gingen die Gerichte jeweils davon aus, dass die Äußerungen „im Netz“ geeignet waren, diese Rechte zu verletzen.
Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verpflichtet den Arbeitnehmer dazu, seine Arbeit so zu erledigen und die Interessen des Arbeitgebers so zu berücksichtigen, wie dies auf Grund der Umstände von ihm erwartet werden kann (BAG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 2 AZR 265/14). Darunter zählt auch die Pflicht, außerhalb der eigentlichen Arbeitstätigkeit solche Handlungen zu unterlassen, die den Ruf des Vertragspartners schädigen können.
Bezug zum Arbeitsverhältnis
Eine Rufschädigung des Arbeitgebers kann insbesondere dann hervorgerufen werden, wenn das private Verhalten des Mitarbeiters auf den Arbeitgeber „abfärben“ kann. Dies kann bei Äußerungen im öffentlichen Raum, etwa öffentlich bei Facebook, insbesondere dann der Fall sein, wenn der Mitarbeiter in seinem Profil angegeben hat, bei welchem Arbeitgeber er beschäftigt ist.
So lag es auch in beiden zitierten Entscheidungen. Jeder Facebook-User, der das Profil des jeweiligen Mitarbeiters öffnete, sah in den Informationen, bei welchem Arbeitgeber dieser beschäftigt war. Die jeweiligen Arbeitgeber konnten mit den Kommentaren ihrer Mitarbeiter mithin unmittelbar in Verbindung gebracht werden. Der Ruf des Arbeitgebers war durch diese Postings beschädigt, jedenfalls aber gefährdet.
Hier divergierten die Arbeitsgerichte interessanterweise in der Bewertung im Rahmen der Interessenabwägung: Während das Arbeitsgericht Herne ausführte, dass es irrelevant sei, ob der Mitarbeiter sich zum Zeitpunkt der Kommentierung bewusst gewesen sei, dass er seinen Arbeitgeber in seinem Profil angegeben habe und diesen durch sein Verhalten in ein schlechtes Licht stellen könnte, ging das Arbeitsgericht Mannheim davon aus, dass gerade dieses Unbewusstsein zu Gunsten des Mitarbeiters berücksichtigt werden müsste.
Praxisempfehlung
Es sind zahlreiche Konstellationen denkbar, bei denen die Frage, ob ein kündigungsrechtlich ausreichender Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben ist, nicht eindeutig beurteilt werden kann. Wandelt man die zitierten Ausgangsfälle nur leicht ab, kann sich die Wertung schon wieder verändern: Etwa dann, wenn
- der Mitarbeiter sein Profil so eingestellt hat, dass nur seine Freunde seine Postings sehen können,
- das Posting in einer geschlossenen (oder offenen) Gruppe getätigt wurde,
- oder wenn der Mitarbeiter zwar seinen Arbeitgeber nicht in seinem Profil angegeben hat, er über eine Suche nach seinem Namen jedoch eindeutig mit dem Arbeitgeber in Verbindung gebracht werden kann.
Ebenfalls schwer kann die Entscheidung fallen, ab wann eine Äußerung im Einzelfall nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, folglich gravierend genug ist, um eine arbeitsrechtliche Maßnahme zu rechtfertigen. Eine vollständige strafrechtliche Bewertung, ob etwa eine Volksverhetzung vorliegt, kann dem Arbeitgeber im Einzelfall nicht immer gelingen und ist arbeitsrechtlich auch nicht erforderlich.
Es ist naheliegend, dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung, wie er in solchen Zweifelsfällen vorgehen will, vorrangig von dem Interesse getragen ist, dauerhafte Imageschäden zu vermeiden.
Nicht selten machen Kunden oder Außenstehende die Arbeitgeber auf fragwürdige Postings der Mitarbeiter aufmerksam. Sie erwarten eine klare Distanzierung des Arbeitgebers von den Aussagen des Mitarbeiters. Gleichzeitig ist der Arbeitgeber aber gehalten, sich – wenn der Arbeitnehmer nicht rechtswidrig gehandelt hat – vor diesen zu stellen.
Ob daher arbeitsrechtliche Maßnahmen vollzogen werden sollten oder nicht, kann nur im Rahmen einer Gesamtabwägung im Einzelfall berücksichtigt werden.
Vertiefungshinweis:
Mehr zum Thema „Facebook-Postings als Kündigungsgrund“ finden Sie in dem Gastbeitrag von Hoffmann-Remy „Private Facebook-Posts: Riskiere ich meinen Job?“ auf www.karrierebibel.de, sowie in einem Interview mit Hoffmann-Remy zum Thema „Rechte Hetze im Internet“ für die Zeitung Norddeutsches Handwerk.