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Arbeitszeitmodell „Vier-Tage-Woche“: (K)Eine gute Idee aus Arbeitgebersicht?

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Das Arbeitszeitmodell „Vier-Tage-Woche“ sowie das Thema „Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit“ im Allgemeinen erfahren aktuell eine besondere Aufmerksamkeit. Dies ist nicht zuletzt auf entsprechende Forderungen der Gewerkschaften in Tarifverhandlungen zurückzuführen. So fordert auch die die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) im aktuellen Tarifstreit mit der Deutschen Bahn für bestimmte Arbeitnehmergruppen eine Verringerung der Wochenarbeitszeit (bei gleichbleibender Vergütung). Auch nicht-tarifgebundene Arbeitgeber sehen sich zunehmend mit dem Wunsch (gerade jüngerer) Arbeitnehmer und Bewerber konfrontiert, die Arbeitszeit auf die individuellen Bedürfnisse und Lebenssituationen anpassen zu können.

Im Folgenden ordnen wir das Arbeitszeitmodell „Vier-Tage-Woche“ arbeitsrechtlich ein.

Begriffsklärung

Der Begriff der „Vier-Tage-Woche“ hat keine feste Definition. Stattdessen können mit dem Begriff die folgenden verschiedenen Arbeitszeitmodelle gemeint sein, deren gemeinsamer Nenner die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf vier Wochenarbeitstage ist:

„Modell 1“: Vier Tage/Woche bei reduzierter Arbeitszeit und reduzierter Vergütung

„Modell 2“: Vier Tage/Woche bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit und gleichbleibender Vergütung

„Modell 3“: Vier Tage/Woche bei reduzierter Arbeitszeit und gleichbleibender Vergütung

Das zuerst genannte Modell 1 ist bereits als Gestaltungsform der Teilzeitarbeit etabliert: Arbeitnehmer können nach bestehender Rechtslage eine (nach Wahl zeitlich begrenzte) Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit bei entsprechender Verringerung der Vergütung verlangen, §§ 8 und 9a TzBfG. Den Parteien des Arbeitsvertrages steht es dabei frei, eine Verteilung der verringerten wöchentlichen Arbeitszeit auf vier anstelle von fünf Arbeitstagen pro Woche zu vereinbaren. Einige Arbeitgeber bieten ihren in Teilzeit Beschäftigten diese Teilzeitvariante bereits an.

Die „Vier-Tage-Woche“ im Sinne dieses Teilzeit-Arbeitsmodells stellt mithin keine Neuerung dar und ist auch nicht Gegenstand der aktuellen Diskussionen, Forderungen und Pilotprojekte.

In der aktuellen Debatte zur Vier-Tage-Woche geht es – in Abgrenzung zum vorgenannten Teilzeitmodell – vielmehr um die Modelle 2 und 3. Hierbei erbringen Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung bei gleichbleibendem Arbeitspensum und gleichbleibender Vergütung an vier statt an fünf Tagen pro Woche. Dabei erbringen Arbeitnehmer im Modell 2 schlicht mehr Arbeitsstunden pro Arbeitstag (reine Verlagerung der Arbeitszeit), wohingegen im Modell 3 zusätzlich auch eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt.

Rechtlicher Rahmen – Grenzen des Arbeitszeitgesetzes

Auch die Arbeit in einer Vier-Tage-Woche hat die zwingenden Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zu befolgen. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit Modell 2, bei dem die wöchentliche Arbeitszeit nicht verringert wird, ein wichtiger Aspekt.

Nach § 3 ArbZG beträgt die täglich zulässige Höchstarbeitszeit acht Stunden. Sie kann auf bis zu max. zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraumes von sechs Kalendermonaten bzw. 24 Wochen eine durchschnittliche Arbeitszeit von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird.

Soll ein Arbeitnehmer, der bislang in einer 40h-Woche an fünf Tagen pro Woche tätig war, seine Arbeitsleistung also ohne Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit zukünftig an lediglich vier anstelle von fünf Tagen pro Woche erbringen (Modell 2), wird die täglich zulässige Höchstarbeitszeit von zehn Stunden bereits im Regelfall erreicht. Neben der verpflichteten Einhaltung der Durchschnittsarbeitszeit innerhalb des Ausgleichszeitraums stehen Arbeitgeber damit vor der Herausforderung, dass gegenüber diesem Arbeitnehmer an seinen jeweiligen Arbeitstagen keine Mehrarbeit und keine Überstunden mehr angeordnet werden können. Dies dürfte die Flexibilität des Arbeitgebers merklich nachteilig beeinflussen, insbesondere, wenn nicht nur ein einzelner, sondern eine Vielzahl an Arbeitnehmern in einem Betrieb im Modell 2 tätig sind. Hinzu kommt, dass für bestimmte Arbeitnehmergruppen (Jugendliche, werdende oder stillende Mütter) abweichend von Vorstehendem geringere maximal zulässige Höchstarbeitszeiten gelten.

Das Modell 2 erscheint damit (jedenfalls bei einer 40h-Woche) bereits vor dem Hintergrund der zwingenden Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes nichterstrebenswert. Auch ist nicht ersichtlich, wie die von Befürwortern der „Vier-Tage-Woche“ angeführten Mehrwerte und Vorteile (siehe hierzu unten) durch die „Vier-Tage-Woche“ erreicht werden könnten.

Mitbestimmungsrechte / kein Anspruch auf eine Vier-Tage-Woche

Die freiwillige Einführung des Arbeitszeitmodells „Vier-Tage-Woche“ liegt, soweit Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen keine gegenteiligen Regelungen enthalten, im Ermessen des Arbeitgebers. Allerdings steht dem Betriebsrat, sofern vorhanden, ein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs.1 Nr.2 u. Nr.3 BetrVG zu.

Arbeitnehmer haben nach aktueller Gesetzeslage keinen gesetzlichen Anspruch zur Erbringung der Arbeitsleistung in einer Vier-Tage-Woche bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen.

Die Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche dürfte bei den allermeisten Betrieben jedenfalls eine umfassende Umstellung der Betriebsabläufe erforderlich machen. Je nach Branche dürfte dies mit erheblichen Hürden verbunden sein. Daneben wären Arbeitgeber damit konfrontiert, die Kundenerwartung entsprechend zu managen. Auch droht bei undurchdachter Einführung, dass die im Interesse der Beschäftigten gedachte Maßnahme zu Unzufriedenheiten in der Belegschaft führt (Stichwort: Grundsatz der Gleichbehandlung). Eine sorgfältige und vorausschauende Planung und Abwägung der erwarteten Vorteile und Nachteile ist daher eine notwendige Grundvoraussetzung, bevor Arbeitgeber erwägen, den Beschäftigten die Arbeit in einer Vier-Tage-Woche anzubieten. In diese Abwägung ist insbesondere auch die Frage einzustellen, ob die Einführung der Vier-Tage-Woche wirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist.

Pilotprojekt

Interessant werden vor diesem Hintergrund die Erkenntnisse und Resultate eines Pilotprojektes samt begleitender Pilotstudie sein, welches ab Februar dieses Jahres in Deutschland durchgeführt werden soll. Das Pilotprojekt wird von einem Beratungsunternehmen koordiniert und unter anderem von einer Forschungsgruppe der Universität Münster begleitet. Nach einer Mitteilung des RedaktionsNetzwerks Deutschland soll das Projekt im Zeitraum von Februar bis August 2024 durchgeführt werden und sollen sich mehr als 50 Unternehmen verschiedener Branchen daran beteiligen. Es handele sich hierbei um das erste große Pilotprojekt dieser Art in Deutschland. Der Fokus soll dabei auf der Erprobung einer Arbeitszeitverkürzung um einen Arbeitstag/Woche bei gleichbleibendem Gehalt und gleichbleibender Produktivität (Modell 3) liegen. Die begleitende Studie sei ferner darauf ausgerichtet, sowohl mögliche positive Effekte als auch mögliche Nachteile und Risiken zu beleuchten. Dazu sei ein Beirat gegründet worden, dem unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaft IG Metall, des Arbeitgeberverbands BDA und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks angehörten.

Chancen und Risiken

Im September 2023 veröffentlichte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages einen Sachstands-Bericht zu dem Thema „Vier-Tage-Woche: Aktuelle Debatte und deren Entwicklung in Deutschland“.

Der Bericht gibt als maßgebende „Pro“-Argumente der Befürworter unter anderem wieder: Eine Verbesserung bei der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sowie eine geringere Stressanfälligkeit und gesteigerte Zufriedenheit der Arbeitnehmer, die auch zu einem längeren Verbleib der Arbeitnehmer im Unternehmen führen könnten. Dieses Ergebnis werde (nach Auffassung der Befürworter) insbesondere durch ein im Jahr 2022 in Großbritannien durchgeführtes Pilotprojekt gestützt, bei dem sich eine Vielzahl der beteiligten Unternehmen nach Projektende für eine Beibehaltung der Vier-Tage-Woche ausgesprochen hätte. Daneben führten die Befürworter mögliche positive Effekte auf die Erreichung von Zielen in den Bereichen Gleichstellung sowie und Vereinbarkeit von Familie und Beruf ins Feld, ebenso wie mögliche positive Effekte auf die CO2-Bilanz von Betrieben.

Gerade am Beispiel des Arguments der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird jedoch besonders deutlich, dass die aktuelle Debatte leider mindestens zu wenig differenzierend geführt wird. So ist bereits nicht nachvollziehbar, warum die Einführung der Vier-Tage-Woche generell einen positiven Effekt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben soll. Schließlich ist diese Vereinbarkeit von ganz individuellen Voraussetzungen, wie zum Beispiel Öffnungs- und Schließzeiten von Betreuungseinrichtungen abhängig. Überdies schafft gerade in diesem Bereich die bereits bestehende Möglichkeit der Teilzeitarbeit die nötige Flexibilität.

Die Argumente, die gegen die Vier-Tage-Woche angeführt werden, sind nach dem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages geprägt von Zweifeln daran, dass eine durch die Vier-Tage-Woche erwartete Attraktivitätssteigerung überhaupt zu einer Verbesserung der Fachkräftesituation führen könnte. Als maßgebende „Contra“-Argumente nennt der Bericht zudem, dass eine Vier-Tage-Woche in manchen Branchen bereits strukturell und arbeitsorganisatorisch nicht umsetzbar sei. Zudem sei zu bezweifeln, dass die Arbeitnehmer ihre Produktivität an den verbleibenden vier Tagen wirklich im erforderlichen Maße steigern könnten.

Fazit

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob das für Deutschland geplante Pilotprojekt positive Resultate zeigen wird. Entscheidend für die Resultate des Projektes und deren Bewertung dürfte u.a. sein, welche konkreten Unternehmen aus welchen Branchen sich hieran beteiligen.

Zwar mag das Angebot der Erbringung der Arbeitsleistung in einer Vier-Tage-Woche die Attraktivität eines Unternehmens in den Augen manch eines potenziellen Bewerbers steigern, jedoch wird die Umsetzung insbesondere für kleinere Betriebe auch mit großen Herausforderungen einhergehen.

Wenn sich Arbeitgeber Forderungen aus der Belegschaft oder des Bewerbermarktes ausgesetzt sehen, sollten sie daher sehr kritisch prüfen, welche Vorteile und welche Nachteile in ihrem konkreten Fall mit dem Angebot der Vier-Tage-Woche einhergehen.

Sophie Haubold

Rechtsanwältin

Associate
Sophie Haubold berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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