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Update CSDDD: Die europäische Lieferkettenrichtlinie kommt

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Die EU-Mitgliedstaaten haben am 15.03.2024 der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zugestimmt, die Unternehmen verpflichtet, ihre Lieferketten auf nachhaltige Umwelt- und Arbeitspraktiken zu überprüfen. Nachdem die Abstimmung zuletzt mehrfach verschoben wurde, kam doch noch eine Einigung auf den Kompromissvorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft zustande, welcher einen reduzierten Anwendungsbereich und eine gestaffelte Umsetzung vorsieht. Um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, wird Deutschland vermutlich Anpassungen beim bestehenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vornehmen müssen.

Aller guten Dinge sind drei: So viele Anläufe hat es gebraucht, um im Rat eine qualifizierte Mehrheit für Europas Lieferkettenregulierung zu erzielen. Nachdem der Richtlinienvorschlag aus den Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament (über die Inhalte des damaligen Entwurfs haben wir hier berichtet) zweimal am Widerstand unter anderem von Deutschland, Frankreich und Italien gescheitert war, konnte sich am Ende ein Kompromissvorschlag Belgiens mit Zustimmung aus Frankreich und Italien durchsetzen; Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung.

Reduzierter Anwendungsbereich

Dennoch bleibt der verabschiedete Kompromissvorschlag deutlich hinter der ursprünglichen Trilog-Einigung aus Dezember 2023 zurück. Der Anwendungsbereich der Richtline wurde (erneut) stark eingeschränkt.

  • Erfasst werden Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ursprünglich lag die Schwelle bei 500 Beschäftigten und EUR 300 Millionen Umsatz pro Jahr.
  • Nicht-EU-Unternehmen sind betroffen, wenn sie einen Jahresumsatz von mind. EUR 300 Mio. in der EU erwirtschaften.
  • Der in der Ursprungsfassung vorgesehene Ansatz, Unternehmen aus bestimmten Hochrisikosektoren (B. Landwirtschaft, Textilindustrie und Bausektor), unabhängig von deren Größe und Umsatzvolumen zumindest schrittweise in den Anwendungsbereich einzubeziehen, wurde vollständig aufgegeben.
  • Auch der Finanzsektor soll weitgehend ausgeklammert bleiben.
  • Stattdessen erfolgt eine schrittweise Heranführung der Unternehmen an die neuen Vorgaben. Mithilfe einer zeitlich gestaffelten Umsetzungsfrist von drei, vier oder fünf Jahren wird den Unternehmen, gekoppelt an Unternehmensgröße und Umsatz, Zeit gegeben, die Bestimmungen nach Inkrafttreten der Richtlinie anzuwenden. Dafür sind folgende Staffeln vorgesehen:
    • Nach 3 Jahren (2027) gilt die CSDDD für Unternehmen mit >5000 Beschäftigten und EUR 1500 Millionen Umsatz.
    • Nach 4 Jahren (2028) ist sie in Unternehmen mit >3000 Beschäftigten und EUR 900 Millionen Umsatz anzuwenden.
    • 5 Jahre nach Inkrafttreten (2029) gilt die CSDDD für Unternehmen mit >1000 Beschäftigten und EUR 450 Millionen Umsatz.
  • Holding-Gesellschaften können von den Sorgfaltspflichten befreit werden, sofern sie nicht an Management-, Betriebs- oder Finanzentscheidungen beteiligt sind, die die Unternehmensgruppe oder ihre Tochtergesellschaften betreffen.
Erweiterte Sorgfaltspflichten und zivilrechtliche Haftung im Vergleich zum LkSG

Darüber hinaus enthält der verabschiedete Kompromissvorschlag weitere Anpassungen. Gestrichen wurde etwa die Verpflichtung für bestimmte Unternehmen, Klimaschutzpläne zu erstellen und entsprechende finanzielle Anreize für das Management zu schaffen. Geblieben ist am Ende jedoch die zivilrechtliche Haftung: So wird es geschädigten Personen, Gewerkschaften, und NGOs ermöglicht, innerhalb von fünf Jahren Unternehmen für Missstände entlang ihrer Wertschöpfungskette zu verklagen. Das deutsche LkSG schließt eine solche zivilrechtliche Haftung derzeit ausdrücklich aus (vgl. § 3 Abs. 3 LkSG).

Mit der CSDDD nehmen auch die Sorgfaltspflichten im Vergleich zum LkSG zu. Erfasst werden nicht nur (un)mittelbare Zulieferer, sondern Unternehmen in der gesamten – vorgelagerten (upstream) und nachgelagerten (downstream) – Lieferkette, was neben Zulieferern auch etwa Lagerung, Vertrieb und Entsorgung mitumfasst. Die Sorgfaltspflichten werden insbesondere in Bezug auf Umweltbeeinträchtigungen deutlich verschärft, wo hingegen der Fokus des LkSG auf dem Schutz von Menschenrechten liegt.

What’s next? Umsetzung in Deutschland, Prozessrisiken

Das angepasste EU-Lieferkettengesetz muss nun vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Eine Abstimmung im Parlament wird am 24.04.2024 erwartet. 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union tritt die CSDDD in Kraft. Im Anschluss muss die Richtlinie zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Hierfür haben die Mitgliedstaaten regelmäßig zwei Jahre (bis 2026) Zeit.

Für die nationale Umsetzung der CSDDD in deutsches Recht wäre das LkSG anzupassen. Dieses gilt seit 2023 für alle Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten ohne zusätzliche Umsatzvorgaben. Mithin sind von der EU-Lieferkettenrichtlinie deutlich weniger Unternehmen betroffen als bisher vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ein weiterer gravierender Unterschied besteht in Haftungsfragen. Das LkSG enthält kein Haftungsregime, sondern setzt vornehmlich auf Berichtspflichten. Unschärfen in der Richtline ermöglichen jedoch flexiblere Haftungsregelungen durch die Mitgliedstaaten. Neben hohen Bußgeldern (bis zu 5 % des weltweiten Jahresumsatzes) bei Verstößen drohen Unternehmen in Zukunft auch zunehmend Ansprüche von Betroffenen.

Weltweit wächst der Trend von „Klimaklagen“. Es ist zu erwarten, dass Rechtsstreitigkeiten über Umwelt und Menschenrechte auch in Deutschland zunehmen. Hinzukommen arbeitsrechtliche Streitigkeiten über soziale Themen wie Lohngleichheit, Homeoffice und Diversity. Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein und ihre Richtlinien und Berichtspflichten zu ESG-Themen weiter stark in den Fokus rücken.

Isabell Flöter

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Counsel
Isabell Flöter berät Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Bereich des Betriebsverfassungs- und Tarifrechts, der Betreuung von Kündigungsschutzstreitigkeiten und Unternehmenstransaktionen sowie in der Erstellung und Gestaltung von Arbeits-, Änderungs- Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen. Sie ist Mitglied der Fokusgruppeen "ESG" und "Unternehmensmitbestimmung".
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