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Neues zur Probezeit: Was ist angemessen?

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Die gesetzlichen Regelungen zur Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis sind höchst schwammig: Vorgeschrieben ist einzig, dass die Länge im Verhältnis zur Befristung stehen muss. Nun beginnt die Rechtsprechung damit, einen Rahmen zu stecken. Wie lange darf die Erprobung im befristeten Arbeitsverhältnis dauern? Was ist die Rechtsfolge beim Verstoß gegen diese Regelung? Außerdem stellt sich die Frage: wie kann im Ausnahmefall die Probezeit doch noch verlängert werden?

Schon seit dem 17. August 2022 steht fest:

„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“

So steht es in § 15 Abs. 3 TzBfG (siehe hierzu unseren Blog-Beitrag vom 12. Juli 2022).

Die Probezeit muss also im Verhältnis zur Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen. So weit so klar. Und doch so unklar. Wann genau besteht denn dieses Verhältnis? Und ab wann haben wir ein Missverhältnis? Der deutsche Gesetzgeber hat es sich leicht gemacht. Schließlich hatte die EU-Richtlinie (EU) 2019/1152 den Mitgliedsstaaten auch nur genau das Folgende vorgegeben: Die Befristung soll im Verhältnis zur Dauer der Befristung und zur Art der Tätigkeit stehen.

Wann konkret die Befristungsdauer verhältnismäßig sein soll, hat der Gesetzgeber damit in die Hände der Gerichte gelegt.

Was sagt die Rechtsprechung?

Der (mutmaßliche) Wunsch des Gesetzgebers wurde erhört: Die Gerichte beginnen sich mit der angemessenen Dauer der Befristung zu befassen. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „Verhältnisses“ wird mit Leben gefüllt. Noch steht die Einschätzung der höchsten arbeitsgerichtsgerichtlichen Autorität aus. Das BAG hat sich seit der Anpassung des TzBfG im August 2022 mit der Auslegung des § 15 Abs. 3 TzBfG noch nicht befasst.

Der LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 18. Oktober 2023 – 3 Sa 81/23) entschied zuletzt einen Fall zur Dauer der Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Dabei kommt das LAG zu einem eindeutigen Ergebnis:

Eine Probezeit, die die Hälfte der Befristungsdauer umfasst, ist angemessen.

Darüber hinaus sei als zweites Kriterium auch immer die Art der Tätigkeit zu berücksichtigen. Dieses Korrekturkriterium solle nur dann greifen, wenn die Dauer der Probezeit nach dem ersten Kriterium (Hälfte der Befristungsdauer) nicht ausreiche. Im Klartext: Die Hälfte der Befristungsdauer ist immer angemessen. Aufgrund der besonderen Art der Tätigkeit sei ausnahmsweise auch eine längere Befristung möglich. Welche Arten von Tätigkeiten dies sein könnten, lies das LAG offen – musste es ja auch nicht entscheiden. Klargestellt wurde allerdings, dass die Darlegungslast bezüglich dieses zweiten Faktors den Arbeitgeber träfe.

Das LAG hat die Revision vor dem BAG zugelassen.

Rechtsfolgen einer unwirksamen Regelung?

Wenn die Probezeit entgegen § 15 Abs. 3 TzBfG zu lang ist, greift die verkürzte zweiwöchige Kündigungsfrist der Probezeit von zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB nicht mehr.

Dies führt allerdings nicht dazu, dass Arbeitnehmer dadurch in den Genuss eines speziellen Kündigungsschutzes gelangen. Die Regelungen des § 1 Abs. 1 KSchG werden durch eine unwirksame Probezeit (natürlich) nicht ausgehebelt. Das Kündigungsschutzgesetz ist in jedem Fall erst nach Ablauf von sechs Monaten anwendbar.

Spannender ist die Frage, ob das befristete Arbeitsverhältnis durch einen Verstoß gegen § 15 Abs. 3 TzBfG ordentlich unkündbar wird.

Falls die Parteien keine spezielle Regelung getroffen haben, dass das Arbeitsverhältnis (trotz Befristung) ordentlich kündbar sei, ist die Antwort eindeutig: Dann kann das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Befristung nicht ordentlich gekündigt werden. Nach § 15 Abs. 4 TzBfG unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist.

Falls aber eine solche Regelung besteht: Kann in diesem Fall die unangemessene Probezeitregelung die Regelung zur ordentlichen Kündbarkeit infizieren? Diesbezüglich wird mitunter vertreten, dass die Kündbarkeit des befristeten Vertrags gemäß § 139 BGB insgesamt entfalle. Diese Argumentation ist jedoch schwer nachvollziehbar. Schließlich handelt es sich bei beiden Regelungsgegenständen nicht um ein einheitliches Rechtsgeschäft: Auf der einen Seite die unangemessene Probezeitdauer und auf der anderen die generelle Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses. Auch in der Gesetzesbegründung heißt es nur, dass bei einer unwirksamen Probezeitvereinbarung nur die verkürzte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB unanwendbar werde.

Arbeitgeber sollten sich dennoch absichern und im Rahmen der Vertragsgestaltung klar zwischen ordentlicher Kündigung und Probezeitkündigung differenzieren.

Probezeit verlängern?

Das deutsche Befristungsrecht sieht keine Möglichkeit vor, die Probezeit zu verlängern. Jedenfalls dann nicht, wenn die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 TzBfG erreicht ist.

Die Richtlinie (EU) 2019/1152  sah neben den Regelungen zur Befristung noch vor: „Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die Probezeit in Fällen, in denen der Arbeitnehmer während der Probezeit der Arbeit ferngeblieben war, entsprechend verlängert werden kann.“  Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht.

Dies kann in besonderen Konstellationen dennoch im Interesse beider Parteien sein, z.B. weil der Arbeitnehmer krankheitsbedingt einen Großteil der Erprobungsphase verpasst hat. Hierzu besteht die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis in der Probezeit freiwillig mit einer längeren Kündigungsfrist zu kündigen. Außerdem kann ein Aufhebungsvertrag in der Probezeit abgeschlossen werden, der eine längere Beendigungsfrist vorsieht. In beiden Konstellationen kann in Aussicht gestellt werden, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wenn sich in diesem Zeitraum bewährt wird.

Aber auch hier ist Vorsicht geboten! Die jeweiligen Fristen dürfen nicht maßlos überschritten werden. Das BAG hat im Fall eines Aufhebungsvertrages eine Verlängerung von vier Monaten nicht beanstandet (Urteil vom 7. März 2002 – 2 AZR 93/01). Außerdem sollte weiteren Streitigkeiten vorgebeugt werden: Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sollte deshalb nicht unter Bedingungen gestellt, sondern dem Ermessen des Arbeitgebers überlassen werden (wie dies in der Probezeit auch der Fall ist).

Praktische Hinweise
  • Mit der Auffassung des LAG Schleswig-Holstein ist eine Probezeit immer verhältnismäßig, wenn sie die Hälfte der Befristungsdauer umfasst.
    Empfehlung: Arbeitgeber sind jedoch gut beraten, wenn sie bis zu einer Entscheidung des BAG den vorsichtigeren Ansatz wählen und höchstens bis zu 1/3 der Befristungsdauer befristen.
  • Die Probezeit kann nach Auffassung des LAG Schleswig-Holstein sogar noch weiter verlängert werden, wenn dies die Art der Tätigkeit hergibt. Die Darlegungslast trage hier der Arbeitgeber.
    Empfehlung: Hierzu besteht weder eine Kasuistik noch existieren Fallbeispiele aus der Rechtsprechung. Dieses Eisen sollten Arbeitgeber daher tunlichst nicht anfassen. Wer eine längere Probezeit vereinbart, weil die Art der Tätigkeit so besonders sei, benötigt eine gehörige Portion Mut…
  • Nach einer (aus unserer Sicht unzutreffenden) Rechtsansicht führt die unangemessene Probezeitbefristung zur Unwirksamkeit einer Vereinbarung zur ordentlichen Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses.
    Empfehlung: Hier sind klare Formulierungen im Arbeitsvertrag wichtig. Beide Klauseln sollten sprachlich eindeutig getrennt werden.

Tobias Vößing

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Senior Associate
Tobias Vößing berät deutsche wie internationale Unternehmen und Führungskräfte in allen Fragen des Arbeitsrechts. Schwerpunkte bilden Arbeitsgerichtsprozesse und Vertragsgestaltungen sowie Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes. Außerdem unterstützt er seine Mandantschaft bei Kündigungsschutzverfahren, Umstrukturierungen und Outsourcing-Projekten.
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