Trunkenheit im Verkehr, Ladendiebstahl oder Steuerhinterziehung: Straftaten eines Arbeitnehmers – auch im Privatleben – können sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer inhaftiert wird. In einigen Fällen kann die Inhaftierung des Arbeitnehmers den Arbeitgeber auch zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Selbstverständlich ist dies jedoch nicht.
Bei der Inhaftierung eines Arbeitnehmers müssen Arbeitgeber einiges beachten. In diesem Beitrag geben wir einen kurzen Überblick über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Punkte.
Entgeltfortzahlung
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Sitzt der Arbeitnehmer in Haft, erbringt er in der Regel keine Arbeitsleistung. Dementsprechend entfällt auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung. Die Zeit der Inhaftierung kann gegebenenfalls auch als unbezahlter Urlaub oder unbezahlte Freistellung behandelt werden.
Die Einstellung der Lohnfortzahlung ist für den Arbeitgeber auch deswegen relevant, da bei Entgeltfortzahlung ohne Gegenleistung der Straftatbestand der Untreue zu Lasten des Unternehmens verwirklicht sein kann.
Rückgabe der Arbeitsmittel
Zudem sollte der Arbeitgeber prüfen, welche Arbeitsmittel der Arbeitnehmer noch in seinem Besitz hat und diese gegebenenfalls über den Strafverteidiger des Arbeitnehmers zurückfordern.
Sozialversicherung
Für die Zeit der Arbeitsunterbrechung wegen Inhaftierung ruht das Arbeitsverhältnis in der Regel. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dann von der Sozialversicherung abmelden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Arbeitsunterbrechung nicht länger als einen Monat andauert. Sollte jedoch ein Monat vergehen, ohne dass der Arbeitnehmer wieder arbeiten kann, muss die Abmeldung von der Sozialversicherung innerhalb von sechs weiteren Wochen erfolgen.
Kündigung
Die bloße Unterbringung eines Arbeitnehmers in Straf- oder Untersuchungshaft als solche, berechtigt den Arbeitgeber nicht ohne Weiteres zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In manchen Fällen steht dem Arbeitgeber jedoch ein Kündigungsrecht zu. Hierbei muss zunächst zwischen Straftaten im dienstlichen und außerdienstlichen Bereich und damit zwischen verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen unterschieden werden.
Konstellation 1: verhaltensbedingte Kündigung
Lediglich Straftaten im dienstlichen Bereich (z.B. Diebstahl von Eigentum des Arbeitgebers) stellen eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar und können zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigen. Eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung fehlt jedoch regelmäßig bei außerdienstlichen Straftaten.
Konstellation 2: personenbedingte Kündigung
Bei Straftaten im außerdienstlichen Bereich ist in der Regel nur eine personenbedingte Kündigung möglich. Entscheidend für die Wirksamkeit einer solchen personenbedingten Kündigung sind Art und Umfang der mit der Strafhaft bzw. Untersuchungshaft verbundenen Betriebsstörungen und die Möglichkeit von Überbrückungsmaßnahmen.
Für die Zumutbarkeit von Überbrückungsmaßnahmen kommt es nach der Auffassung des BAG darauf an, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit die Prognose rechtfertigen, dass der Arbeitnehmer für längere Zeit an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert sein wird. Diese prognostizierte Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da Arbeitgeber bei haftbedingter Abwesenheit des Arbeitnehmers von der Entgeltfortzahlungspflicht befreit sind, soll nach der Rechtsprechung des BAG die Dauer der Haft sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen für die Frage der Zulässigkeit einer personenbedingten Kündigung entscheidend sein. Eine Grenze ziehen die Arbeitsgerichte dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten ist. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Arbeitgeber sind dann berechtigt, den Arbeitsplatz dauerhaft neu zu besetzten. Sind dabei jedoch keine betrieblichen Störungen nachweisbar, kommt nur eine ordentliche Kündigung in Betracht. Erst wenn die von der Rechtsprechung angenommene Maximalfrist von zwei Jahren deutlich überschritten wird, kommt auch eine außerordentliche Kündigung in Betracht.
Unterschreitet die Strafhaft jedoch zwei Jahre bzw. dauert eine Untersuchungshaft jedenfalls noch keine sechs Monate an, kann der Arbeitgeber dem inhaftierten Arbeitnehmer in der Regel nicht wirksam kündigen. In diesem Fall gehen die Arbeitsgerichte davon aus, dass der Arbeitgeber die Abwesenheit mit zumutbarem Mehraufwand überbrücken und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freihalten kann.
Der Arbeitgeber muss weiterhin vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Insbesondere muss er den Arbeitnehmer zu der Frage anhören, welche Freiheitsstrafe zu erwarten ist und welche genauen Umstände zur Inhaftierung geführt haben. Der Arbeitnehmer muss sich gegenüber dem Arbeitgeber zwar nicht konkret zur Tat äußern. Er ist aber aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten verpflichtet, dem Arbeitgeber einen drohenden Schaden anzuzeigen. Wenn ein Arbeitnehmer also damit rechnet, dass er aufgrund einer Straftat für längere Zeit inhaftiert sein wird, muss er dies seinem Arbeitgeber mitteilen.
Fazit
Befindet sich ein Arbeitnehmer in Haft, hat der Arbeitgeber vieles zu beachten. Gerade in Bezug auf eine etwaige Kündigung sollten Arbeitgeber mit Bedacht vorgehen, den Sachverhalt zunächst sorgfältig aufklären und nicht voreilig eine Kündigung aussprechen. Im Zweifel sollten Arbeitgeber sich hier anwaltlich beraten lassen. Bei außerdienstlichen Straftaten eines Arbeitnehmers sollte im Hinblick auf eine mögliche personenbedingte Kündigung zunächst geprüft werden, ob betriebliche Störungen durch den Ausfall des Arbeitnehmers eintreten und ob Überbrückungsmaßnahmen ergriffen werden können. Hier kann insbesondere die Länge der (zu erwartenden) Haftstrafe entscheidend sein.
Dieser Beitrag ist mit der freundlichen Unterstützung von Franziska Gerlach, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Düsseldorfer Büro, entstanden