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„Corona“ – Neues aus der Rechtsprechung

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In den letzten Jahren führte vor allem die SARS-CoV-2 Infektion zu zahlreichen Urteilen in Hinblick auf eine Entgeltfortzahlung, etwa aufgrund einer Betriebsschließung wegen eines Lockdowns (siehe hierzu auch Blogbeitrag vom 18. Oktober 2021). Nun traf das BAG eine Grundsatzentscheidung zur Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Zusammenhang mit einer „Corona“ Infektion nach einer unterlassenen Schutzimpfung (vgl. Pressemitteilung vom 20. März 2024).

Sachverhalt

Der Kläger war als Produktionsmitarbeiter beschäftigt und wurde am 26. Dezember 2021 positiv auf die SARS-CoV-2-Infektion getestet. Einer Schutzimpfung gegen das Corona-Virus hatte er sich nicht unterzogen. In den ersten Tagen nach dem positiven Test litt der Kläger an Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen. Sein Arzt stellte ihm für diesen Zeitraum eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Am 29. Dezember 2021 erließ die Gemeinde zudem eine Verfügung, in der sie gegenüber dem Kläger für zwei Wochen eine Isolierung (Quarantäne) in häuslicher Umgebung anordnete. Eine Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte der Arzt dem Kläger für diesen Zeitraum nicht mehr aus. Der Kläger konnte als Produktionsmitarbeiter aufgrund der behördlichen angeordneten Quarantäne seiner Arbeitsleistung nicht – auch nicht aus dem Homeoffice – nachgehen. Der Arbeitgeber behielt daraufhin für diesen Zeitraum den Lohn des Klägers in Höhe von ca. EUR 1.000,00 brutto ein. Der Kläger verlangte mit seiner Klage vom Arbeitgeber die Zahlung dieses Betrags.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG hatte in seiner Entscheidung drei wesentliche Fragestellungen zu klären, welche auch unabhängig vom Corona Virus Bedeutung haben werden.

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG (Entgeltfortzahlungsgesetz) hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich für die Dauer von insgesamt sechs Wochen für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber. Voraussetzung einer solchen Entgeltfortzahlung ist allerdings, dass der Arbeitnehmer infolge der Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne, dass ihn ein Verschulden trifft. Im Übrigen hat der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG ein Leistungsverweigerungsrecht, solange der Arbeitnehmer seiner Vorlagepflicht zur Arbeitsunfähigkeit bzw. seine Pflicht zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht nachkommt.

1. Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch bei einer behördlichen Anordnung zur häuslichen Isolation?
Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts steht nun fest, dass die SARS-CoV-2-Infektion eine Krankheit i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG darstellt, die zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe und zwar unabhängig davon, ob sie symptomfrei verläuft. Die Quarantäneanordnung sei keine eigenständige, parallele Ursache für die Arbeitsunfähigkeit, vielmehr beruhe das daraus resultierende Tätigkeitsverbot gerade auf der Infektion.

Das gilt zumindest dann, wenn die behördliche Anordnung und somit das Tätigkeitsverbot keine zusätzliche parallele Ursache zur Krankheit darstellen, sondern vielmehr ausschließlich aufgrund der Infektion, also der Krankheit erfolgten. Es darf dem Arbeitnehmer also nur aufgrund der Krankheit nicht möglich sein, die Arbeitsleistung zu erbringen. Anders wird dies wohl aber in Fällen zu beurteilen sein, in denen der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung etwa aus dem Homeoffice heraus – also trotz Isolationsanordnung – erbringen kann. Insoweit sind jedoch die Entscheidungsgründe des BAG abzuwarten.

2. Unterlassene Schutzimpfung – kein Automatismus bei der Annahme eines „Verschulden gegen sich selbst“
Eine unterlassene empfohlene Schutzimpfung führt nach Auffassung des BAG nicht automatisch dazu, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ausgeschlossen ist. Zwar handelt ein Arbeitnehmer schuldhaft, wenn er Vorkehrungen unterlässt, durch die seine Arbeitsunfähigkeit vermieden oder verkürzt worden wäre. Allerdings war nach dem BAG zu berücksichtigen, dass trotz Schutzimpfungen auch stets das Risiko von Impfdurchbrüchen besteht. Das bedeutet, dass mit der empfohlenen Schutzimpfung zwar mit einem leichteren Verlauf der Erkrankung gerechnet werden kann, es aber trotz Impfung auch weiterhin zu einer Arbeitsunfähigkeit bei vollständig geimpftem Arbeitnehmer kommen kann.

3. Leistungsverweigerungsrecht – ein gleich geeigneter Nachweis genügt
Schließlich stellte das BAG fest, dass die fehlende Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG begründet. Für den Entgeltfortzahlungsanspruch genügt es, wenn der Arbeitnehmer in anderer, aber gleich geeigneter Weise nachweisen kann, dass die Erbringung der Arbeitsleistung infolge Krankheit nicht möglich war. Dazu war die Vorlage der behördlichen Quarantäneanordnung als Nachweis ausreichend.

Ausblick

Mit dieser Entscheidung hat das BAG nun klar Position bezogen. Das bloße Unterlassen einer empfohlenen Schutzimpfung führt nicht automatisch zum Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Für Arbeitgeber bedeutet das, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Arbeitnehmern im Einzelfall stets sorgfältig zu prüfen ist.

Dr. Anna Lohmann

Rechtsanwältin

Associate
Dr. Anna Lohmann berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung.
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