Der ‚Standort Deutschland‘ steht plötzlich wieder in Frage. Fachkräftemangel, Bürokratie und vergleichsweise sehr hohe Energiekosten gepaart mit einem ebenfalls vergleichsweise niedrigen Arbeitsvolumen treffen weltwirtschaftlich auf große Sorgen im China-Geschäft und eine Biden-Gesetzgebung (Inflation Reduction Act – ifo Kurzexpertise zum Inflation Reduction Act), die im Vorwahlkampf um jeden Arbeitsplatz auf amerikanischem Boden ringt.
Die Standortentscheidungen fallen daher reihenweise zugunsten der NAFTA-Region aus und gegen Europa, geschweige denn Deutschland. Das ist in Zeiten des ‚Kampfs um die Talente‘ misslich, weil die Arbeitsplatzsicherheit durch entsprechende Zusagen zum gesicherten Repertoire einer Personalpolitik gehören, so wie derzeit auch die Tarifanwendung aus Nachfragegründen eine gewisse Renaissance erlebt.
Wie aber sollen sich deutsche Unternehmen in diesem Umfeld positionieren? Dazu einige aktuelle Hinweise:
Beschäftigungssicherung bei Sanierung
In der Sanierung sind beschäftigungssichernde Aussagen jedenfalls in der Metall- und Elektroindustrie zwingend, um im Wege des Sanierungs- oder Ergänzungstarifvertrages Abweichung zu erzielen (‘Pforzheimer Modell’). Aber selbst hier zeigt sich, dass der Weg über Zukunfts-, Standortentwicklungs- oder auch nur Zielbild-Vereinbarungen bei komplexen Transformationsprozessen ausreicht, sofern diese Prozesse sozialpartnerschaftlich begleitet werden. Die Realität dieser Prozesse ist längst über klassische ‘harte’ Standortgarantien oder den pauschalen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen hinweg (zumal diese schädlich sind für den Bezug von Transfer-KUG, Schmädicke/Stark, ArbAktuell 2020, 278). Dennoch zeigt sich bei der Formulierung von Zielbild-Vereinbarungen, dass es oft die derzeit eher kleinen, sich noch entwickelnden Geschäftseinheiten sind, die eine Zukunft haben, dass daher das Gros der Mitarbeitenden in eine berufliche Neuorientierung muss (auch nach Außen als Perspektiv-Qualifizierung) und dass die Aussagen derart offen sind, um wirklich die Verlässlichkeit der bestehenden Arbeitsplätze zu sichern.
Zusätzliche Herausforderung ‘Kampf um Mitglieder’
Dabei ist die Frage von ‘harten’ Aussagen gerade auch für die Sozialpartner ein herausforderndes Thema: Denn bei nach wie vor ungebremstem Mitgliederschwund sind zeitlich befristete Zusagen eher die ‘Ankündigung eines bevorstehenden Todes’ und das gerade (und bereits) vor dem Hintergrund der nächsten Betriebsratswahlen 2026. Denn wenn die Zusagen nicht über diese Wahlen hinausreichen (2027 oder sogar 2032), stünden die Nachverhandlungen ja praktisch im Jahr des Wahlkampfes 2025 an… In der Sozialpartnerschaft werden daher derzeit intensiv Wege gesucht, wie die Mitgliedschaft in der Verbandswelt auf beiden Seiten attraktiv gehalten werden kann, auch und gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der enormen Bedürfnisse nach betrieblicher Flexibilisierung. Hier wird man aber zunehmend zum Ergebnis kommen, dass attraktive aber betrieblich flexible Haustarifverträge weitaus bessere beschäftigungssichernde Wirkung haben als die pauschalen Standort- und Beschäftigungssicherungen der Vergangenheit.
Gesellschaftsrechtliche Grenzen
Es zeigt sich daher, dass an der Vergangenheit orientierte – ‘bewahrende’ – Zusagen in der jetzigen Lage nicht nur unsinnig sind, sondern Veränderungsprozesses gerade erschweren und daher letztlich personalpolitisch auch keine Glaubwürdigkeit haben. Es ist sogar so, dass – von der Frage der Zustimmungspflichtigkeit einmal abgesehen (geschriebene oder ungeschriebene Aufsichtsratskompetenz, Hoffmann-Remy, Röger Insolvenzarbeitsrecht, 2018, § 8 Rn. 510ff.) eine Geschäftsleitungsentscheidung unter der Business Judgement Rule (ebd.) zugunsten einer harten Standort- und Beschäftigungssicherung zunehmend schwer vertretbar sein wird.
Alternative Wege
Der Weg geht daher in drei Richtungen:
EBIT-bedingte Bestandsklauseln
Sofern in der Unternehmensgruppe Mindest-Erfolgsziele für die Geschäftseinheiten vorgegeben werden, empfiehlt es sich, den Bestand und die Beschäftigungssicherung entweder auf Jahresbasis oder auch als transformationsbezogenes Erfolgsziel zu formulieren: Wenn die Geschäftseinheit binnen X Jahren das EBIT-Ziel erreicht, verbleibt die Geschäftseinheit im Konzern / werden Geschäftsbereiche nicht verlagert oder nicht verkauft. Es hat sich gerade bei sehr herausfordernden konzerninternen Sanierungen gezeigt, welche enorme Wirkung diese Vorgaben auf einen sozialpartnerschaftlich orientierten Sanierungsprozess haben können. Über wirtschaftliche Berater (Steering Committee-Lösungen usw.) werden die Sozialpartner regelmäßig in den Projektstand integriert und können so – auch bei unerwarteten Marktentwicklungen – schnell gemeinsam gegensteuern. Die gemeinsame Zielerreichung ist dann auch ein ‘Event’, das die Sozialpartnerschaft nachhaltig stärkt (gutes Beispiel ist die Sanierung der MAN Energy Solution in der Volkswagen-Gruppe).
Monitoring-Prozess-gestützte Entwicklungsklauseln
Ergänzend (oder alternativ) können Standortentwicklungs- und Zielbildprozesse auch dadurch ‘Glaubwürdigkeit’ gewinnen, dass an Stelle von (oder ergänzend zu) den sozialpartnerschaftlich besetzten Steering Committees ein externer ‘Monitor’ eingesetzt wird, der in regelmäßigen Berichten an den Aufsichtsrat den Stand dieser Prozesse berichtet und aufgrund entsprechender Erfahrungen Hinweise gibt. Dieser Weg hat sich gerade in M&A-Prozessen (PE-Transaktionen und damit einhergehende ‘Best Owner’-Vereinbarungen) bewährt, etwa im Zusammenhang mit den Übernahmen von TK Elevators oder OSRAM. Hier zeigt sich, dass die vorgeblich fehlende ‘Stabilität’ fehlender Standort- und Beschäftigungsgarantien prozessual durchaus durch eine belastbare Monitor-Lösung ausgeglichen werden kann. Hierzu wäre ein intensiverer Austausch zwischen den Sozialpartnern sicher wünschenswert.
Gesprächsregelungen für die Zeit nach Durchführung einer Sanierung
Nur wenn diese Instrumente nicht angezeigt sind, etwa weil die Umbruchssituation derart gravierend ist, wie wir das derzeit etwa in der KFZ-Zulieferindustrie und möglicherweise auch in der Chemie erleben müssen – können Gesprächsverpflichtungen der letzte Ausweg sein. Dazu bieten sich entweder Verfahren nach §§ 92a / 97 BetrVG an (‘Dialog am Standort’) oder man vereinbart für die Zeit nach einer Transformation/Sanierung zeitnah Gespräche über eine dann belastbare Beschäftigungssicherung aufzunehmen. Das mag schwach klingen, gibt aber leider die Situation vieler Unternehmen durchaus realistisch wieder. Denn in vielen Fällen werden solche Gespräche erst nach den jetzt anstehenden Refinanzierungsrunden geführt werden können.
Fazit
An der Vergangenheit orientierte – ‘bewahrende’ – Beschäftigungsaussagen sind personalpolitisch nicht mehr wirklich glaubhaft und gesellschaftsrechtlich nur noch schwer begründbar. Die Aussagen müssen daher zukunftsbezogen sein (‘Zielbild in der Transformation’) oder sogar an die Erfüllung von Rahmenbedingungen geknüpft werden. Nur auf sog. ‘Crash’-Klauseln und entsprechende Nachverhandlungsklauseln zu vertrauen, wird angesichts der bevorstehenden industriellen Umbrüche kaum mehr ausreichen, zumal die Sozialpartner hier belastbare (z.B. mit Schlichtungs- und Einigungsstellenmechanismen versehene) Lösungen oft ablehnen. Richtiger dürften daher die an der Erfüllung konkreter Bedingungen orientierte Aussagen sein, wenn nicht sogar ‘nur’ Monitoring-Regelungen oder Gesprächsverpflichtungen getroffen werden.