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Iterative Digitalisierung – Arbeitsrechtliche Next-Level-Lösungen für CEO, CHRO, CTO/CIO

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Die Digitalisierung verändert die Welt und führt zu unterschiedlichen Herausforderungen: technisch, (arbeits-)rechtlich, für HR und teils für die gesamte Belegschaft. Die Herausforderungen sind größer, wenn Unternehmen keine nachhaltige (HR-)Digitalisierungs­strategie haben oder durchsetzen können. Unternehmen können eine nachhaltige (HR-)Digitalisierungsstrategie auf verschiedenen Wegen versuchen zu erreichen und verschiedene Tools nutzen. Insbesondere ist ein stringentes „Change- und Transformations-Management“ elementar.

Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen nach unserer Erfahrung häufig diverse Prozesse auf ein neues Level heben und bestehende Prozesse neu aufstellen. In unserem OnePager zeigen wir die wichtigsten „Baustellen“ und Handlungsfelder / Actionpoints, die Unternehmen bei der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie im Blick haben müssen.

Indizien für Digitalisierungs-„Baustellen“ in Unternehmen

Eine fehlende nachhaltige Digitalisierungsstrategie und ein wenig zielgerichtetes Change- und Transformationmanagement machen sich oft an „Kleinigkeiten“ bemerkbar. Ein Beispiel sind ineffiziente Workflowszwischen internen Stakeholdern und die falsche Einbindung von IT-Experten. Dies kann Digitalisierungsprozesse im Unternehmen lahmlegen oder jedenfalls verzögern. Eine Folge davon ist häufig, dass IT-Systeme einzeln eingeführt und beim Betriebsrat vorgestellt werden, ohne Kontext zum Geschäftsmodell oder der Digitalisierungsstrategie. Dies wiederum kann das Konfliktpotential mit Arbeitnehmervertretern verstärken, alles wird noch langsamer und die Verunsicherung in der Belegschaft wächst. In Extremfällen kommt es zu einer Überforderung in der Belegschaft und/oder der Ablehnung von Digitalisierungsprojekten (durch Arbeitnehmervertreter oder gar Teile der Belegschaft). Nicht nur in digitalen Geschäftsmodellen kann dies über kurz oder lang zu existenziellen Gefährdungen von Unternehmen führen.

„Strategie Discovery/Review“ als ein Baustein eines iterativen Digitalisierungsprozesses

Doch wie schaffen es Unternehmen nicht in einen Teufelskreis von (rechtlichen) Unmöglichkeiten bei der Digitalisierung zu geraten, schneller Digitalisierung umzusetzen und dabei alle relevanten Stakeholder sinnstiftend einzubinden?

Es gibt, soviel sei verraten, keine „Silverbulletsolution“, also nicht „die eine Lösung“. Vielmehr spielen diverse Faktoren eine Rolle, die vor einer Lösungsfindung von allen Stakeholdern beleuchtet werden müssen. Eine Annährung an Lösungen schaffen die Unternehmen am besten, die sich ganzheitlich und iterativ auf eine „Strategie Discovery/Review“ begeben und hieraus Aktionen in diversen Handlungsfeldern ableiten. Hier nur eine (sehr beschränkte) Auswahl der relevanten Fragen, die Unternehmen sich für eine Bestandsaufnahme stellen müssen:

  • Wie digital ist unser Geschäftsmodell?
  • Müssen wir intern und/oder extern digitaler werden?
  • Wie schnell müssen wir unser Geschäftsmodell digitalisieren?
  • Wie digital ist unsere Belegschaft?
  • Was machen wir, um digitale Mindsets zu etablieren?
  • Wie ist das Verhältnis zu unseren Arbeitnehmervertretungen?
  • Wie digital ist unsere Arbeitnehmervertretung?
  • Welche Vorbehalte gegen Digitalisierung bestehen in der Belegschaft und warum?
  • Wie (gut) kommunizieren wir Digitalisierungsprojekte und Geschäftsmodelle?
  • Wer kommuniziert Digitalisierungsprojekte und Geschäftsmodelle?
  • Arbeiten wir mit Software von der Stange oder mit Eigenentwicklungen?
  • Wie gut ist unsere Dokumentation der IT- und Software-Umgebung?

Die Fragen und insbesondere Antworten müssen Unternehmen in einen Kontext setzen, der in eine ganzheitliche (HR-)Digitalisierungsstrategie mündet. Hieraus lassen sich dann – individuell in den Maßnahmen und Intensitäten divergierende – Handlungsfelder und Actionpoints ableiten.

Handlungsfeld und Actionpoint #1: Arbeitsrechtliche Spielräume verstehen und nutzen

Digitalisierung findet weder bei Start-ups noch bei etablierten Unternehmen auf einer rechtlichen grünen Wiese statt. Vielmehr müssen die rechtlichen Anforderungen und Risiken im Blick behalten werden. Hierzu gehören auch Strategien zur Minimierung von Risiken. Zentrale Leitplanken bilden das Datenschutzrecht und diverse Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte. Hierfür haben Unternehmen häufig Profis angestellt oder holen sich die Expertise von außen. Doch der beste Profi nützt nichts, wenn bei anderen relevanten Stakeholdern Verständnisschwierigkeiten für die rechtlichen Rahmenbedingungen oder gar (konzern-)politische Vorbehalte bestehen. Auch ist vieles eine Frage der Perspektive. So kann Mitbestimmung und Datenschutz als Verlangsamung wahrgenommen werden und der Blick auf die Unmöglichkeiten gerichtet werden. Viel interessanter ist es aber, wenn Stakeholdern, die keine Profis im Arbeitsrecht sind, Möglichkeiten und Spielräume an die Hand gegeben werden. Eine begrenzte Auswahl der Spielräume haben wir im Blog bereits dargestellt.

Handlungsfeld und Actionpoint #2: Projekte effizient steuern und erklärbar machen

Digitalisierungsprojekte sind in erster Linie eines: Komplex. Selbst erfahrene ITler haben nach unserer Beobachtung teils große Schwierigkeiten in einfachen Worten zu vermitteln, was, warum und wie (bzw. mit welchen Nebeneffekten) digitalisiert werden soll. Die Schwierigkeiten potenzieren sich, wenn begriffsstutzige oder so tuende Ansprechpartner ins Spiel kommen. Jedes Unternehmen ist daher weit im Vorfeld des Erstkontakts mit Arbeitnehmervertretern oder der Belegschaft gut beraten, wenn Kommunikationsprofis oder erfahrene Experten die Plausibilität der Storyline von Digitalisierungsprojekten hinterfragen, prüfen und gestalten. Gleichermaßen müssen Unternehmen die Projektablaufpläne und die effiziente Einbindung aller Stakeholder im Blick behalten. Hierbei können technische Lösungen helfen. Beides, gut erklärte IT und abgesteckter rechtlicher Rahmen, wird insbesondere dann wichtig, wenn IT-Themen in der Einigungsstelle landen (sollen). Denn hierbei müssen Unternehmen im Blick behalten, dass in 99% der Fälle technischen Laien sehr komplexe technische Vorgänge begreifbar gemacht werden müssen. Sowohl Software als auch Hardware müssen „benutzerfreundlich“ erläutert werden. Hierauf müssen in der Regel auch IT-Profis vorbereitet werden, um Stolpersteine bei der Mitbestimmung und im Datenschutz zu erkennen. Wichtiger ist allerdings häufig die „richtige“ Auswahl der externen „Benutzer“ (u.a. IT-Sachverständige, Einigungsstellenvorsitzende, Mediatoren), die am iterativen Prozess beteiligt werden sollen. Bei der richtigen Auswahl helfen nur Erfahrungswerte. Bestehen diese nicht, können Pitches angesetzt werden. Dafür muss allerdings häufig erst um Verständnis geworben werden, da sie gerade bei u.a. langgedienten Richtern nicht üblich sind.

Handlungsfeld und Actionpoint #3: Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zielgerichtet gestalten

Für die erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung ist eine zielgerichtete Kommunikation und (teils nur sukzessiv zu erreichende) vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat essenziell. Letztlich nur durch Kommunikation lassen sich Probleme und Herausforderungen erkennen und eindämmen. Auch hierfür müssen die Nichtprofis die arbeitsrechtlichen Spielräume kennen und – in the long run und gesteuert – Arbeitnehmervertretungen als möglichen Teil der Digitalisierungsstrategie begreifen. Denn bei aller Langsamkeit des BetrVG darf man nicht übersehen, dass der Mitbestimmungsprozess gewissermaßen eine Blaupause für Digitalisierungsprojekte bildet. In der Mitbestimmung nach insbesondere § 87 BetrVG sind iterative Elemente enthalten, die bei jeder Softwareentwicklung zum Tagesgeschäft gehören. Jedes Unternehmen hat die planerische Gestaltung eines solchen iterativen Prozesses in der Hand und sollte diese vor allem auch nutzen

Handlungsfeld und Actionpoint #4: Maßnahmen für Vorbehalte und Blockaden früh planen

Jedes noch so kooperative Verhalten kann – auch dies ist in § 87 BetrVG angelegt – in Blockaden enden. Blockaden kann man konfliktiv (Gerichtsverfahren) überwinden und auch hierbei haben Unternehmen nach unserer Erfahrung oft gute Karten. Besser und nachhaltiger ist es, Situation und Lösungen vorausschauend zu planen. Hierzu können kontrollierbare Gerichtsverfahren (auch als Eilverfahren) gehören. Sie sollten aber in einen strategischen Rahmen eingebettet sein und letztlich dem langfristigen Ziel dienen, nämlich eine Digitalisierungsstrategie umzusetzen. Bestenfalls wird daher der Umgang mit Gerichtsverfahren, Vorbehalten und Blockaden in Vereinbarungen gegossen, die auf die Digitalisierungsstrategie einzahlen (zu den Einzelheiten solcher Vereinbarungen siehe bereits unseren Blogbeitrag zu IT Cooperation Agreements). Durch verschiedene Regelungen kann etwa proaktiv im Vorfeld geklärt werden, welche Regeln im Umgang mit Informationsprozessen gelten sollen, wie mit internem und externem Sachverstand umzugehen ist und wie die Funktionsfähigkeit von IT-Systemen (z.B. bei Updates) sicherzustellen ist.

Handlungsfeld und Actionpoint #5: Stakeholdermanagement ist kein „One Trick Pony“

Die Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie ist ein langfristiges Projekt in kontinuierlichem Wandel. Hierfür braucht es ein fluides Verhandlungs- und Stakeholdermanagement. Ein regelmäßiges Strategiereview (und gegebenenfalls Anpassung), eine gegenseitige Auffrischung des Wissens zwischen den jeweiligen Stakeholdern (u.a. zwischen IT und HR) sind wesentliche langfristige Erfolgsfaktoren. Hierfür bieten sich regelmäßige Workshops, Trainings und Rehearsals an. Bei ausreichendem Vertrauen können Arbeitnehmervertretungen hierbei kontinuierlich eingebunden werden. Denn auch insoweit bietet betriebliche Mitbestimmung eine Blaupause für iterative Prozesse: Nahezu jede Regelung ist bei heutiger technologischer Entwicklungsgeschwindkeit eine Betaversion. Eine kontinuierliche Anpassungs(-fähigkeit) sollte daher Teil einer jeden erfolgreichen Digitalisierungsstrategie sein.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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