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Sonderzahlungen zum Jahresende – nicht den Betriebsrat vergessen!

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Jahresende und Jahresanfang sind typische Zeiten für die Gewährung von Boni, Prämien, 13ten Monatsgehältern, Weihnachtsgeld und Co. Neu hinzugekommen ist die Inflationsausgleichsprämie (unser Blogbeitrag dazu hier). Sollen solche Sonderzahlungen im Unternehmen geleistet werden, darf die (rechtzeitige) Beteiligung des Betriebsrats nicht übersehen werden. Dessen fehlende Beteiligung kann teure Folgen haben.

Möchte ein Unternehmen seinen Mitarbeitern zum Jahresende eine Prämie gewähren, werden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berührt. Wo genau die Mitbestimmung ansetzt, wer überhaupt die richtigen Verhandlungspartner sind und welche Folgen Fehler haben, möchten wir nachfolgend darstellen.

Was unterfällt der Mitbestimmung (und was nicht)?

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei:

Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung

Hierher gehört die Zahlung eines freiwilligen Weihnachtsgeldes, einer Gewinnbeteiligung und auch einer Inflationsausgleichsprämie bzw. all die Fälle, in denen der Arbeitgeber – ohne bereits aus anderem Grund hierzu verpflichtet zu sein – freiwillig zusätzliche Leistungen erbringt.

Ohne Mitspracherecht des Betriebsrats legt der Arbeitgeber dabei im ersten Schritt fest, ob er überhaupt einen Bonus gewähren möchte, er kann den Zweck festlegen, den er mit seiner Leistung verfolgen will, und er kann den Personenkreis bestimmen, den er im Rahmen dieses Zwecks begünstigen will. Frei ist der Arbeitsgeber auch in der Festlegung des Budgets, das zur Verfügung stehen soll.

Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens hat der Betriebsrat über die gerechte Verteilung mitzubestimmen. Dies kann etwa die unterschiedliche Behandlung von Voll- und Teilzeitkräften, die Berücksichtigung von Fehlzeiten, die Honorierung besonderer Leistungen (und die Art der Evaluierung) sein. Nicht bestimmen kann er aber, ob überhaupt Geld für freiwillige Leistungen zur Verfügung zu stellen ist und wofür genau der Arbeitgeber dieses aufwenden will.

Der Betriebsrat könnte also nicht etwa erzwingen, dass überhaupt im Betrieb eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt wird, auch nicht, wie hoch diese insgesamt ausfallen soll. Entscheidet der Arbeitgeber aber, allen Mitarbeitern eine Prämie zu zahlen, ist der Betriebsrat zu beteiligen, wie das hierfür vorgesehene Budget gerecht aufgeteilt wird.

Welcher Betriebsrat ist zuständig?

Je nach Größe des Unternehmens oder Konzerns besteht gegebenenfalls nicht nur ein Betrieb und ein Betriebsrat, sondern mehrere Betriebe mit verschiedenen örtlichen Betriebsräten, einem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat.

Damit eine Betriebsvereinbarung z.B. über die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie wirksam ist, muss sie zwischen den richtigen Verhandlungspartnern geschlossen werden.

Das zuständige Gremium bestimmt sich dabei anhand der gesetzlich zwingenden Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsräten, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat. Doppelzuständigkeiten gibt es an sich nicht. Für die Regelung einer der Mitbestimmung unterfallenden Angelegenheit sind ausschließlich entweder die örtlichen Betriebsräte oder der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat zuständig. Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist in den Fällen der gesetzlich angeordneten Mitbestimmung zwingend und unabdingbar. Auch dann, wenn es aufgrund der Absicht, im Gesamtunternehmen die gleiche Leistung zu erbringen, praktischer wäre, dies gleich mit dem Gesamtbetriebsrat für alle Betriebe eines Unternehmens zu verhandeln, so ist dieser gleichwohl nicht unbedingt zuständig. Denn insofern kommt es darauf an, ob die einzelnen Betriebsräte die Angelegenheit nicht regeln „können“, so §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 BetrVG. Und der Praktiker weiß: „Nichtkönnen“ liegt eher selten vor.

So verhält es sich auch mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, welches etwa bei Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie einschlägig wäre. Es ist genau anhand der oben dargelegten (mitbestimmungsfreien) Entscheidungen des Arbeitgebers über Budget, Verwendungszweck und begünstigtem Personenkreis zu überlegen, welches dann das insoweit zuständige Betriebsratsgremium ist. Die Umsetzung kann dann in Form einer Betriebsvereinbarung oder gegebenenfalls auch in Form einer Regelungsabrede erfolgen.

Folgen fehlender Beteiligung (des richtigen Gremiums)

Wird der Betriebsrat nicht beteiligt oder eine Betriebsvereinbarung mit einem unzuständigen Gremium geschlossen, sind die vom Arbeitgeber vorgenommenen Maßnahmen unwirksam. Der Betriebsrat kann Unterlassung der Auszahlung verlangen.

Die nachträgliche Korrektur des verletzten Mitbestimmungsrechts kann auch dazu führen, dass der Arbeitgeber – dem Grundsatz entgegen – doch mehr Mittel als ursprünglich vorgesehen aufbringen muss, will er die Prämie nun nach durchgeführter Mitbestimmung entsprechend dem Verhandlungsergebnis mit dem Betriebsrat auszahlen, kann aber bereits mitbestimmungswidrig geleistete Zahlungen von Arbeitnehmern regelmäßig nicht zurückfordern, die nach der gefundenen Regelung weniger zu bekommen gehabt hätten. Auch dürfte es geboten sein, in der Regelung mit dem Betriebsrat Anrechnungsmechanismen für solche Mitarbeiter zu verabreden, die bereits etwas erhalten haben. Letzteres gilt auch dann, wenn parallel etwa Tarifvertragsverhandlungen laufen, die zum Beispiel die Leistung einer Inflationsausgleichsprämie vorsehen sollen, aber noch nicht abzusehen ist, wann diese vereinbart werden und zu zahlen sind.

Stephan Nakszynski


Rechtsanwalt
Senior Associate
Stephan Nakszynski berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät er seine Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Whistleblowing und Compliance".
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