Der Startschuss für die Betriebsratswahlen 2022 ist gefallen. Seit dem 1. März werden deutschlandweit neue Betriebsräte gewählt. Die Wahlperiode läuft noch bis zum 31. Mai 2022. Arbeitgeber können die Zeit nutzen, um in Ruhe zu prüfen, ob die Wahlen bisher ordnungsgemäß abgelaufen sind. So können sie sich rechtzeitig auf etwaige Rechtsstreitigkeiten nach den Wahlen vorbereiten. Wir zeigen, worauf insbesondere Unternehmen mit standortübergreifender Zusammenarbeit oder Matrixstrukturen achten sollten.
Die eindeutige Zuordnung von Arbeitnehmern zu einem bestimmten Betrieb fällt nicht immer leicht. Doch eine zuverlässige Zuordnung ist entscheidend insbesondere für die Bestimmung der Betriebsratsfähigkeit von Standorten, das Wahlrecht der Arbeitnehmer für die Betriebsratswahl, die Festlegung der Größe eines zu errichtenden Betriebsrats sowie später für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten.
Hat der Wahlvorstand die Zuordnung richtig vorgenommen?
Maßgeblich für die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung von Arbeitnehmern zu einem Betrieb ist neben dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses die tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb (sog. 2-Komponenten-Lehre). Eine tatsächliche Eingliederung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs verfolgt, ihn hierdurch somit in die Betriebsorganisation integriert. Dass dieser Grundsatz auch für Arbeitnehmer gilt, die in standortübergreifenden Teams einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck verwirklichen, hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung vom 26. Mai 2021 – 7 ABR 17/20 bestätigt. Darin hat es drei wichtige Aspekte herausgearbeitet, die für die Praxis von besonderer Bedeutung sind:
1. Der arbeitstechnische Zweck ist entscheidend
Die betriebliche Eingliederung erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Arbeitgeber mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des in Frage kommenden Betriebs verfolgt.
Wird ein und derselbe arbeitstechnische Zweck standortübergreifend und damit in mehreren Betrieben verfolgt, spricht eine Vermutung dafür, dass die Eingliederung an dem Standort der Verrichtung der Tätigkeit und Nutzung der Betriebsmittel gegeben ist. Diese Umstände dienen im Regelfall als wichtiges Indiz für die Eingliederung in einen von mehreren möglichen Betrieben wegen des Prinzips der ortsnahen Interessenvertretung.
Werden dagegen unterschiedliche arbeitstechnische Zwecke an verschiedenen Standorten verfolgt, richtet sich die Eingliederung (allein) danach, welchen arbeitstechnischen Zweck der Arbeitnehmer verfolgt. Der Ort der Verrichtung der Tätigkeit und die Nutzung der Betriebsmittel spielen im Regelfall keine Rolle.
Übrigens: Eine mehrfache Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers, der bei nur einem Arbeitgeber beschäftigt ist, ist möglich, wenn der Arbeitnehmer zur Verfolgung mehrerer arbeitstechnischer Zwecke eingesetzt wird. In der Folge kann auch eine Wahlberechtigung zu mehreren Betriebsräten bestehen.
2. Die Eingliederung des Arbeitnehmers folgt nicht der Ansässigkeit des Vorgesetzten
Für die Eingliederung von Arbeitnehmern ist es grundsätzlich unerheblich, wo der jeweils (fachlich) weisungsbefugte Vorgesetzte ansässig ist. Die Eingliederung des Arbeitnehmers richtet sich nicht nach dem Beschäftigungsbetrieb des Vorgesetzten, sondern bestimmt sich hiervon unabhängig.
Die Eingliederung des Vorgesetzten – soweit diese überhaupt von Belang ist, der Vorgesetzte also insbesondere kein leitender Angestellter ist – richtet sich vielmehr (umgekehrt) nach dem Eingliederungsbetrieb der unterstellten Arbeitnehmer. Das ist auch konsequent, da durch die Wahrnehmung der Führungsverantwortung jedenfalls auch der arbeitstechnische Zweck des Betriebs verwirklicht wird, in dem die dem Vorgesetzen unterstellten Arbeitnehmer tätig sind.
3. Betriebsratsmitbestimmung nur zugunsten von Personen, die dem Betrieb zuzuordnen sind
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erstrecken sich (nur) auf Arbeitnehmer, die dem Betrieb zuzuordnen sind, für den der Betriebsrat gewählt wurde. Für die Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Maßnahmen, die unter Beteiligung des Betriebsrats erfolgen – insbesondere personelle Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG –, ist die richtige Zuordnung von Arbeitnehmern essenziell. Wird der für den spezifischen Arbeitnehmer unzuständige Betriebsrat beteiligt, können Maßnahmen des Arbeitgebers unwirksam sein. Auch ist in diesem Rahmen auf eine Mehrfachzuordnung von Arbeitnehmern zu achten, sodass je nach Fall mehrere Betriebsräte zu beteiligen sind.
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Bei allen Fragen rund um die Betriebsratswahl können Sie sich an unsere Fokusgruppe zur Betriebsratswahl 2022 unter betriebsratswahl@kliemt.de wenden. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!