Haben Sie vom 1. Januar bis zum 10. März 2021 umsonst gearbeitet? Ein uns fortwährend begleitendes Problem ist der Gender Pay Gap. Die Europäische Kommission versucht diesem mit ihrem Richtlinienvorschlag zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen erneut zu begegnen.
Der Gender Pay Gap ist ein nach wie vor ungelöstes Problem – und die bisherigen Bemühungen des Gesetzgebers, diesen zu schließen, führten in der Praxis nicht zum gewünschten Erfolg. Wie das Statistische Bundesamt mit der Pressemitteilung Nr. 106 vom 9. März 2021 anlässlich des Equal Pay Day am 10. März 2021 mitteilte, verdienten Frauen im Jahr 2020 mit durchschnittlich 18,62 Euro brutto in der Stunde 18 Prozent, d. h. 4,16 Euro brutto, weniger als Männer (22,78 Euro). Rechnet man den Prozentwert in Tage um, arbeiteten Frauen vom 1. Januar bis zum 10. März 2021 umsonst. Das im Juli 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz („EntgTranspG“) vermochte den Gender Pay Gap nicht weiter zu schließen. Zudem begegnet uns auch der dort festgeschriebene individuelle Auskunftsanspruch in der Praxis nur selten.
Um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu überwinden, hat die Europäische Kommission am 4. März 2021 einen Richtlinienvorschlag „zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Lohntransparenz und Durchsetzungsmechanismen” vorgelegt, der mehr Lohntransparenz gewähren und mithin zur erleichterten Geltendmachung von Rechten verhelfen soll.
Der Richtlinienvorschlag umfasst im Wesentlichen folgende Aspekte:
- Auskunftsrecht für Stellenbewerber hinsichtlich des Einstiegseinkommens bzw. dessen Spanne:
- Arbeitgeber müssen in veröffentlichten Stellenausschreibung oder anderweitig vor einem Vorstellungsgespräch über das Einstiegseinkommen bzw. dessen Spanne informieren.
- Arbeitgeber dürfen Bewerber nicht nach ihrer Lohnentwicklung in ihren früheren Beschäftigungsverhältnissen befragen.
- Auskunftsrecht für Arbeitnehmer über ihr individuelles Einkommen und über die Durchschnittseinkommen – aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Arbeitnehmern, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Arbeitgeber sind verpflichtet alle Arbeitnehmer jährlich über dieses Recht zu informieren.
- Arbeitgeber mit mehr als 250 Arbeitnehmern müssen einmal jährlich Informationen über das geschlechterspezifische Lohgefälle in benutzerfreundlicher Weise auf ihrer Website oder anderweitig öffentlich zugänglich machen und an eine von den EU-Mitgliedstaaten neu einzurichtende Überwachungsstelle weitergeben. Beträgt das geschlechterspezifische Lohngefälle mindestens 5% und können Arbeitgeber das Gefälle nicht anhand geschlechtsneutraler Faktoren rechtfertigen, so muss gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern eine Entgeltbewertung vorgenommen werden. Diese beinhaltet u. a. eine Analyse der Gründe und Maßnahmen zur Beseitigung.
- Beweislast auf Seiten der Arbeitgeber: Hat ein Arbeitnehmer das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung glaubhaft gemacht, obliegt es den Arbeitgebern zu beweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt.
- Den Mitgliedstaaten wird auferlegt Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts zu sanktionieren.
Ausblick
Da der Richtlinienvorschlag zunächst das Europäischen Parlament sowie den Rat passieren muss und dieser den Mitgliedstaaten bei Inkrafttreten darüber hinaus eine zweijährige Frist zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zugesteht, ist mit einer kurzfristigen Verbesserung der Entgeltsituation ohnehin nicht zu rechnen. Aber auch langfristig dürfte der Richtlinienvorschlag – zumindest für sich betrachtet – als unzureichend zu bewerten sein. Bereits 2018 haben wir uns kritisch mit dem Entgelttransparenzgesetz auseinander gesetzt. Auch der Richtlinienvorschlag vom 4. März 2021 – sollte er umgesetzt werden – wird den wünschenswerten Durchbruch bei der Schließung des Gender Pay Gap nicht erreichen. Soweit die Europäische Kommission mit ihrem Richtlinienvorschlag versucht, Arbeitgeber zu ermutigen, ihre Vergütungsstrukturen zu überprüfen, erlegt sie diesen vielmehr Verpflichtungen auf, die für viele Arbeitgeber eine Herausforderung darstellen werden. Das erforderliche Umdenken in der Gesellschaft lässt dabei zugleich auf sich warten. Erst wenn veraltete Rollenbilder abgeschafft wurden und wir das Thema Work-Life-Family-Balance geschlechtsneutral betrachten, können wesentliche Fortschritte zur Reduzierung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles erzielt und dieses vielleicht sogar überwunden werden.