Das Löschen betrieblicher Daten kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 17. September 2020 – 17 Sa 8/20) zufolge gilt dies unabhängig von der Frage, ob sich der Arbeitnehmer durch sein Verhalten strafbar gemacht hat. Ferner kommt es nicht darauf an, ob und mit welchem Aufwand die Daten teilweise oder vollständig wiederhergestellt werden können und in welchem Umfang die Daten tatsächlich für den Geschäftsablauf erheblich waren.
Worum ging es?
Der Kläger, der seit dem 1. Februar 2016 bei der Beklagten, einem Unternehmen, das Reinigungsgeräte produziert und vertreibt, als Key-Account-Manager im Außendienst angestellt war, wurde zu einem Personalgespräch geladen. Wenige Wochen zuvor wurde er bereits abgemahnt, da er gegen die Weisung, seine Wochenplanung für die folgende Woche freitags vorzulegen, verstoßen hatte. Im Rahmen des Personalgesprächs wurde dem Kläger die Aufhebung seines Arbeitsvertrags nahe gelegt. Da die Parteien sich jedoch nicht über die Einzelheiten einigen konnten, endete das Gespräch „erfolglos“. An den darauffolgenden Tagen erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Die Beklagte stellte am zweiten Tag der Abwesenheit des Klägers fest, dass Daten in erheblichem Umfang auf ihrem Server gelöscht wurden. Die IT-Infrastruktur der Beklagten sieht vor, dass jeder Mitarbeiter seine Dateien auf dem Server in einem dem Mitarbeiter jeweils zugewiesenen Verzeichnis ablegt. Der Kläger hatte die Daten in dem – nach seiner Ansicht „seinem“ – Verzeichnis zwischenzeitlich zu einem großen Teil gelöscht. Zu den Dateien zählten unter anderem Umsatzmeldungen, Vorlagen für Preislisten (Schweiz), Auswertungen von Daten des Bundesamts für Statistik sowie Wettbewerbsanalysen. Die Datenmenge umfasste insgesamt 7,48 Gigabyte, konnte aber später wiederhergestellt werden. Die Beklagte richtete sich indes wenige Tage nach diesem Vorfall per Schreiben an den Kläger und bot ihm die Möglichkeit der Anhörung, worauf dieser jedoch nicht reagierte. Sodann erklärte die Beklagte form- und fristgerecht die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 1. Oktober 2019 – 27 Ca 97/19) erachtete lediglich die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung als gerechtfertigt.
Entscheidung des LAG Baden-Württemberg – Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung
Das LAG Baden-Württemberg hingegen hielt die außerordentliche Kündigung für wirksam. Die Löschung von Daten auf dem Server der Beklagten stelle bereits einen wichtigen Grund – an sich – dar. Dafür reiche nämlich auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB, wonach die Parteien des Arbeitsverhältnisses auf die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Partei Rücksicht zu nehmen haben, aus. Das unbefugte, vorsätzliche Löschen betrieblicher Daten auf EDV-Anlagen des Arbeitgebers stelle ebenso wie das Vernichten von Verwaltungsvorgängen einen solchen Grund dar. Dies gelte unabhängig von der Frage, ob zugleich eine Straftat i.S.d. §§ 303a, 303b StGB vorliege, ob bzw. mit welchem Aufwand die Daten teilweise oder vollständig wiederhergestellt werden könnten oder ob bzw. in welchem Umfang die Daten überhaupt benötigt würden. In einem Arbeitsverhältnis, auf das die auftragsrechtlichen Grundsätze des BGB Anwendung finden, hat der Arbeitnehmer gemäß § 667 BGB analog dem Arbeitgeber alles, was er zum Zwecke der Ausführung seiner Tätigkeit sowie das, was er daraus erlangt hat, herauszugeben. Kommt er diesem Verlangen nicht nach, wie hier aufgrund des eigenmächtigen Entzugs des Zugriffs oder der unbefugten Löschung entsprechend herauszugebender Daten, so stellt dies eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Dem LAG Baden-Württemberg nach rechtfertige eine solche Handlung die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da dem Arbeitgeber eine Fortsetzung nicht mehr zuzumuten sei. Insbesondere sei auch das Erfordernis einer Abmahnung entbehrlich, da ein Arbeitnehmer nicht annehmen könne, dass ein derartiges Verhalten vom Arbeitgeber hingenommen werde. Im vorliegenden Fall waren weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe für das Verhalten ersichtlich. Letztlich sei das Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers in einem solchen Fall derart tief und unwiederbringlich zerstört, dass auch die Interessenabwägung im Einzelfall zu keinem anderen Ergebnis führte – auch wenn berücksichtigt werden sollte, dass der Arbeitnehmer nur ein dreijähriges und indes nicht störungsfreies Arbeitsverhältnis vorweisen konnte und der Kündigung somit nur wenige gewichtige Gründe entgegengehalten werden konnten.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg verdeutlicht einmal mehr, dass die Rechtsprechung die Vernichtung oder Entwendung von Daten, auf welche Weise auch immer, ob durch das Löschen von Dateien, den Transfer von Kundendaten oder eine sonstige Entwendung, zuletzt nicht als Bagatelldelikt einstufte – im Gegenteil (vgl. auch LAG Hessen, Urteil vom 5. August 2013 – 7 Sa 1060/10; Urteil vom 29. August 2011 – 7 Sa 248/11). Das LAG Baden-Württemberg lässt keinen Zweifel daran, dass das Löschen betrieblicher Daten das Vertrauen des Arbeitgebers unwiederbringlich zerstören kann, so dass diesem selbst ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Schließlich besteht das große Risiko, dass ein Arbeitnehmer – gerade vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis vor einer Beendigung steht – noch mehr Schaden anrichten könnte. Das hat dieser Fall nicht zuletzt gezeigt. Zu begrüßen ist auch, dass das Gericht eine einschlägige Abmahnung als entbehrlich ansieht. Ein in der Praxis immer wieder entscheidender Streitpunkt. Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass sich ein zusätzliches Daten-Back-Up in jedem Fall auszahlt – der Arbeitnehmer, der eine solche in Rede stehende Handlung begeht, kommt dadurch auch nicht unbedingt besser davon.