2,2 Milliarden – so viele Überstunden haben die Deutschen einer Studie zufolge 2018 geleistet. Darf man das? Muss man das? Und werden alle Stunden zusätzlich vergütet? Eins ist klar: Überstunde ist nicht gleich Überstunde. Bei der Erbringung und Kompensation zu viel geleisteter Arbeitsstunden gibt es einiges zu beachten.
Was sind eigentlich „Überstunden“?
Es gibt keine gesetzliche Definition der Überstunde, sodass im Prinzip betriebsinterne Regelungen zu dieser Begrifflichkeit getroffen werden könnten. Sofern das nicht geschieht, kann man sich an Folgendem orientieren: „Überstunden sind nach allgemeinem Verständnis die Arbeitsstunden, die über die persönlich geschuldete Arbeitszeit hinausgehen.“ Bei einem Teilzeitmitarbeiter gilt also genau so ein individueller Maßstab, die betriebsübliche Stundenzahl muss nicht erst erreicht werden.
Wer ist wann und warum zur Leistung von Überstunden verpflichtet?
Sofern eine feste Stundenzahl geregelt ist, müssen Arbeitnehmer grundsätzlich nur in diesem Umfang ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Aber: Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel!
- Ausnahme: Eine vertragliche Regelung zur Überstundenverpflichtung besteht.*[i]
- Ausnahme: Die Besonderheiten des Berufsbildes ergeben eine solche Verpflichtung.*[ii]
- Ausnahme: Verpflichtung aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers.*[iii]
Kompensation der Überstunden
Mit geleisteten Überstunden kann auf unterschiedlichste Art und Weise umgegangen werden.
Je nach Job findet man häufig arbeitsvertragliche Regelungen, wonach Überstunden pauschal mit der Vergütung abgegolten sind. Solche Regelungen sind in Arbeitsverträgen nur bedingt zulässig: Die Anzahl der ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden muss konkret angegeben werden, ansonsten ist die Regelung unwirksam.
Die Anzahl der ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden muss – unter Berücksichtigung der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes und der Rechtsprechung zur pauschalen Überstundenvergütung – konkret angegeben werden, ansonsten ist die Regelung unwirksam.
Doch was gilt dann? Unwirksam geregelte Überstunden werden genauso behandelt, als wäre gar keine diesbezügliche Regelung getroffen werden. Das kann regelmäßig dazu führen, dass Überstunden in Geld zu vergüten sind. Aber Achtung: Das gilt nur, sofern die Überstunden vom Arbeitgeber „angeordnet, gebilligt, geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind“. Klingt kompliziert? Ist es leider auch und führt in der Praxis häufig zu Streit, da diese Begrifflichkeiten unscharf sind und die Überstunden-Vorfälle häufig schon eine Weile zurückliegen.
Wenn kein Interesse an zusätzlicher Bezahlung besteht, können die Arbeitsvertragsparteien auch eine Abgeltung in Freizeit vereinbaren. Besonderheit zum Urlaubsrecht: Erkrankt der Arbeitnehmer während des verbindlich festgelegten Zeitraums des „Abbummelns“ angehäufter Überstunden, trägt dieser das Risiko. Die arbeitnehmerfreundliche Regelung aus dem Bundesurlaubsgesetz gilt insofern nicht.
An alle Arbeitgeber: Tipps für möglichst konfliktfreie Überstunden
- Konkrete betriebsinterne Ausgestaltung: Wann handelt es sich um eine „Überstunde“? Und wann ist eine solche „angeordnet“? Legen Sie verbindliche, rechtswirksame Definitionen und Prozesse fest. Das sorgt für Gleichbehandlung im Unternehmen und niemand fühlt sich unfair behandelt.
- Stimmen Sie unterschiedliche betriebliche Arbeitszeitregelungen aufeinander ab: Im Unternehmen besteht bereits eine Gleitzeitregelung? Hier ist Vorsicht geboten! Sonst wird aus einer Gleitzeitstunde ganz schnell eine Überstunde und wieder zurück…oder war es andersrum? Mit einem einheitlichen Regelwerk behalten Sie den Durchblick.
- Personalplanung im Hinterkopf: Sind Überstunden in Ihrem Unternehmen unerwünscht? Oder können kurzfristige Personalengpässe durch entsprechende Regelungen gut aufgefangen werden? Ob Freizeitausgleich, Vergütung oder sogar extra Überstundenzuschläge als Lockmittel – vieles ist eine Frage der richtigen Strategie – natürlich im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes.
- …und ganz allgemein gilt, wie so oft: Zufriedene Mitarbeiter arbeiten gern mal etwas länger, wenn Sie sich wertgeschätzt und fair behandelt fühlen. Oft ist es eine Frage der richtigen Kommunikation und verbindlicher Absprachen zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem. Schließlich kann Arbeit ja auch Spaß machen!
[i] Dabei gelten die individuellen Regelungen des Vertrags, z.B. Verpflichtung nur bei besonderer Personalnot.
[ii] Beispiel gefällig? Sie sind Dachdecker. Das neue Dach ist nur halb fertig geworden, die Uhr zeigt Feierabend, für die Nacht ist ein Unwetter angekündigt – da nützt es leider alles nichts, Sie müssen weiter ran.
[iii] Wer kennt es nicht: Die Heizung fällt aus. Mitten im Winter. Natürlich am Freitagabend. In solchen Fällen sind Hausmeister stets in der Pflicht – schließlich soll ja niemand erfrieren.