Die zeit- und kostengerechte Umsetzung von großen Restrukturierungen ist mit mannigfaltigen Herausforderungen verbunden. Richtig eingesetzt können dabei Freiwilligenprogramme bei kreativer und passgenauer Ausgestaltung ein für alle Beteiligten attraktives und effektives Instrument des Personalabbaus darstellen. Allerdings lauern auch einige rechtliche Fallstricke, die es durch sorgfältige Planung zu vermeiden gilt.
Unter einem Freiwilligenprogramm versteht man die Durchführung eines Personalabbaus durch den systematischen Abschluss von Aufhebungsverträgen zu in der Regel vorher kommunizierten einheitlichen Konditionen. Ein solches Freiwilligenprogramm kann isoliert aufgesetzt werden, einen Personalabbau durch betriebsbedingte Kündigungen flankieren oder ihm als Vorschaltprogramm vorangehen.
Vorteile des Freiwilligenprogramms
Freiwilligenprogramme bieten im Vergleich zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen klare Vorteile. Der vielleicht entscheidende Vorteil liegt aus Arbeitsgebersicht darin, dass die beim Ausspruch einer Kündigung erforderliche Durchführung einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG vermieden werden kann. Damit können auch ältere und besonders geschützte Mitarbeiter abgebaut werden. Aufgrund der Freiwilligkeit der Teilnahme werden Freiwilligkeitsprogramme als eine Form des „sozialverträglichen“ Personalabbaus angesehen. Daher kann ein solches Programm sowohl die Entstehung von Unruhe in der Belegschaft, als auch eine negative Presseberichterstattung sowie Reputationsverluste bei Kunden vermeiden. Je nach Gestaltung führt ein Freiwilligenprogramm zu deutlich schnelleren Ergebnissen als ein einseitiger Personalabbau. Dies gilt insbesondere, wenn bei letzterem der Betriebsrat sämtliche Blockademöglichkeiten im Rahmen der §§ 111 ff. BetrVG, 17 KSchG ausreizt. Zwar können Beteiligungsrechte nach diesen Normen auch bei einem Freiwilligenprogramm bestehen; hier sind die Widerstände und damit der Zeitverlust aber erfahrungsgemäß wesentlich geringer. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen im Rahmen eines Freiwilligenprogramms schafft schnell Rechtssicherheit. Im Gegensatz dazu droht beim Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen die Führung einer Vielzahl gleichermaßen langwieriger wie ressourcenintensiver Kündigungsschutzverfahren – mit ungewissem Ausgang.
Die Auswahl der Teilnehmer
Es lauern aber auch zahlreiche Fallen, die in der Praxis nicht selten übersehen werden. Zentrale Herausforderung bei der Gestaltung eines Freiwilligenprogramms ist es, die „richtigen“ Arbeitnehmer zu erreichen und ein Ausscheiden der „falschen“ Arbeitnehmer zu vermeiden.
Verbreitet sind dabei sog. selektive Angebotsverfahren. Hier wird der potentielle Teilnehmerkreis von vornherein auf bestimmte Bereiche, Positionen oder Arbeitnehmergruppen beschränkt. Denkbar ist auch, umgekehrt einzelne Arbeitnehmergruppen (z.B. solche mit bestimmter Qualifikation) oder konkret namentlich benannte Arbeitnehmer (z.B. durch Negativlisten oder Leistungsträgerlisten) von vornherein von der Teilnahme auszuschließen. Ggf. kann auch der Betriebsrat (z.B. im Rahmen einer Kommission) mit einbezogen werden, z.B. wenn es aus personalpolitischen Erwägungen nicht opportun erscheint, die Sperrliste publik zu machen.
Bewährt und empfehlenswert ist vor allem das auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannte Mittel der „doppelten Freiwilligkeit“ (vgl. BAG vom 25.2.2010, Aktenzeichen 6 AZR 911/08). Hierbei behält sich der Arbeitgeber im Rahmen einer Einzelfallprüfung vor, ob er mit dem jeweiligen konkret ausscheidenswilligen Arbeitnehmer tatsächlich einen Aufhebungsvertrag abschließt. Stets gilt: Sorgfältige Gestaltung der relevanten Dokumente und Veröffentlichungen vermeiden unangenehme Überraschungen, die drohen, wenn die Unternehmensleitung ohne vorherige juristische Beratung „vorprescht.“
Mit oder ohne Betriebsrat?
Ein Freiwilligenprogramm als solches unterfällt keinem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 BetrVG. Insbesondere sind die Regelungen zur Festlegung der Abfindung keine Fragen der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Unterrichtungs- und Beratungsrechte des Betriebsrats bei der Personalplanung (§ 92 BetrVG) sind zwar einschlägig, stehen aber in der Praxis nicht im Vordergrund des Interesses. Denn jedenfalls nach herkömmlicher Auffassung ziehen Verstöße hiergegen weder die Unwirksamkeit der Maßnahme nach sich, noch geben sie dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch.
Äußerst praxisrelevant sind dagegen Fragen der Massenentlassung und der Betriebsänderung. Erreicht das Freiwilligenprogramm die Schwellenwerte des § 17 KSchG, kann dies eine Pflicht zur vorherigen Stellung einer Massenentlassungsanzeige und Durchführung eines Konsultationsverfahrens auslösen. Denn auch Aufhebungsverträge sind von den Massenentlassungsvorschriften erfasst, wenn sie vom Arbeitgeber veranlasst sind. Eine Veranlassung setzt nach der Rechtsprechung des EUGH und des BAG eine „unmittelbare Willensäußerung“ des Arbeitgebers voraus. Diese liegt etwa vor, wenn Arbeitnehmer konkret angesprochen werden (BAG v. 19.03.2015, Az. 8 AZR 119/14). Dagegen ist ungeklärt, ob auch die bloße allgemeine Bekanntgabe eines Freiwilligenprogramms ausreicht, wenn der Arbeitnehmer sich daraufhin letztlich eigeninitiativ um eine Teilnahme „bewirbt“. Für die Praxis gilt jedenfalls: Über jedem größeren Freiwilligenprogrammen hängt das Damoklesschwert des § 17 KSchG. Hier ist besondere Sorgfalt und Fingerspitzengefühl bei der Kommunikation und der Ausgestaltung geboten. Denn im Worst Case-Szenario droht die Unwirksamkeit aller abgeschlossenen Aufhebungsverträge.
Zugleich wird bei Überschreiten der Schwellenwerte des § 17 KSchG in der Regel auch eine Betriebsänderung (in der Form einer Einschränkung des Betriebs, § 111 Ans. 1 Satz 3 Nr. 1 BetrVG) und damit eine Pflicht zum Führen von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen im Raum stehen. Diese können dann sinnvollerweise mit dem Konsultationsverfahren verknüpft werden.
Selbstverständlich kann das Freiwilligenprogramm auch zusammen mit andere Maßnahmen Teil einer umfassenderen interessenausgleichspflichtigen Betriebsänderung sein. In derartigen Fällen stellt sich dann die Frage des Verhältnisses zwischen Freiwilligenprogramm und Sozialplanabfindung. Im Sozialplan selbst darf nach der – wenn auch zweifelhaften – Rechtsprechung des BAG nicht zwischen einem Ausscheiden durch vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag und betriebsbedingter Kündigung unterschieden werden. Hier droht sonst eine Angleichung der Abfindungen nach oben. Grundsätzlich zulässig ist es dagegen – innerhalb bestimmter Grenzen – in einer gesonderten freiwilligen Betriebsvereinbarung ein Freiwilligenprogramm mit höheren Abfindungssummen für freiwillig ausscheidende Arbeitnehmer auszugestalten. Die Auslobung zusätzlicher sog. Sprinterprämien (also besondere Anreize zum zeitnahen Abschluss von Aufhebungsverträgen) kann dabei als Katalysator für die Umsetzung eines Freiwilligenprogramms wirken.
Fazit
Bei der Planung und Umsetzung großer Restrukturierungen können Freiwilligenprogramme ein durchaus attraktives Mittel des Personalabbaus bilden. Sie gelten als sozialverträglich, haben daher eine hohe Akzeptanz, vermeiden langwierige Kündigungsschutzverfahren und können damit die Umsetzung einer Restrukturierung beschleunigen. Vor allem aber sind sie ein probates Mittel, die vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung notwendige Sozialauswahl zu vermeiden, jedenfalls aber zu entschärfen. Damit kann die Altersstruktur eines Unternehmens verbessert werden. Allerdings lauern auch einige rechtliche Fallstricke, der Vermeidung viel Fingerspitzengefühl, Erfahrung und eine sorgfältige Vorbereitung und Begleitung erfordern.