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Einigungsstelle Interessenausgleich Umstrukturierung

Einigungsstellen taktisch klug gestalten: Das Windhundprinzip

Windhund

Wenn die Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat stocken, kann die Einigungsstelle mit einem unparteiischen Vorsitzenden konstruktive Lösungen hervorbringen. Aus Sicht des Arbeitgebers bietet die Einigungsstelle Chancen, das Verhandlungsergebnis zu seinen Gunsten zu gestalten. In unserem Beitrag befassen wir uns mit dem sogenannten Windhundprinzip und seinem Einfluss auf das taktische Vorgehen.

Windhundprinzip – was ist das?

Das Windhundprinzip steht im Zusammenhang mit der Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle im arbeitsgerichtlichen Einsetzungsverfahren. Einige Arbeitsgerichte vertreten die Auffassung, dass sie bei einem Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle grundsätzlich an den Kandidatenvorschlag des Antragstellers gebunden seien. Nur wenn der Antragsgegner begründete Bedenken gegen die Geeignetheit dieses Kandidaten darlegt (z. B. Parteilichkeit), kann das Gericht nach dieser Ansicht einen Alternativkandidaten zum Einigungsstellenvorsitzenden bestimmen. Der Antragsgegner muss sich also gegen den im Antrag vorgeschlagenen Kandidaten „wehren“.

Da sowohl Arbeitgeber als auch Betriebsrat einen Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle stellen können, führt dies häufig zu einem Wettlauf: Jeder möchte den Antrag als Erster stellen, damit das Gericht über „seinen“ vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden entscheidet. Dieser Wettlauf wird Windhundprinzip genannt.


Das Windhundprinzip kommt aber nicht bei allen Arbeitsgerichten zum Tragen. Manche gehen davon aus, dass sie von vornherein nicht an den Kandidatenvorschlag im Antrag gebunden seien. Ein Wettlauf darum, wer den Antrag als Erster stellt, muss dann nicht stattfinden.

Wo gilt das Windhundprinzip (nicht)?

Das Windhundprinzip kam in der Vergangenheit u. a. bei diesen Gerichten zum Tragen:

  • Landesarbeitsgericht Bremen
  • Landesarbeitsgericht Hamburg

Keine Bedeutung hatte das Windhundprinzip in der Vergangenheit – soweit ersichtlich – u. a. bei diesen Gerichten:

  • Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
  • Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Vorsicht ist allerdings geboten. Denn zum einen liegen für einige der genannten Gerichte lediglich ältere Entscheidungen vor. Diese Gerichte könnten ihre Praxis bei neuen Fällen ändern. Zum anderen gelingt eine Einteilung nach Gerichten nicht immer. So kommt es vor, dass innerhalb desselben Gerichts eine Kammer das Windhundprinzip „anwendet“, während eine andere Kammer es ablehnt. Dies gilt etwa für die Landesarbeitsgerichte Berlin-Brandenburg und Hamm. Insoweit sollten Arbeitgeber mit Hilfe des Geschäftsverteilungsplans antizipieren, welche Kammer zuständig ist.

Das Windhundprinzip beeinflusst die Taktik

Die Aufstellung des Arbeitgebers wird maßgeblich davon abhängen, ob das Windhundprinzip im jeweiligen Gerichtsbezirk gilt oder nicht. Dies sollten Arbeitgeber frühzeitig in Erfahrung bringen – und zwar bereits zu Beginn der freien Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle.

Wenn das Windhundprinzip zum Tragen kommt, kann eine (Regelungs-)Abrede über den Einigungsstellenvorsitz Sinn machen. Darin werden Kandidaten unter Benennung einer Reihenfolge vereinbart , die für den Vorsitz angefragt werden, sobald eine der Betriebsparteien die freien Verhandlungen als gescheitert ansieht. So kann das Wettrennen um eine schnelle Antragstellung beim Arbeitsgericht vermieden werden.

Nur in Ausnahmefällen ist es ratsam, sich das Windhundprinzip bewusst zu Nutze zu machen. Dies kommt allenfalls in Frage, wenn der Betriebsrat keine Kenntnis davon hat, dass im zuständigen Gerichtsbezirk das Windhundprinzip zur Anwendung kommt. Dann könnte der Arbeitgeber gezielt als Erster den Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle stellen, um dadurch „seinen“ Kandidaten durchzusetzen.

Zur Bedeutung des Einigungsstellenvorsitzenden vgl. unseren Blogbeitrag „Zankapfel Einigungsstellenvorsitz: Wer wird’s denn?”.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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