Grundsätzlich sind die Betriebsparteien bei der Gestaltung von Sozialplänen weitestgehend frei. Das BAG hat ihnen in den letzten Jahren einen zunehmend größeren Gestaltungsspielraum bei der Verteilung des Sozialplanbudgets eingeräumt. Grenzen bestehen aber vor allem für Sozialpläne, die während eines Insolvenzverfahrens oder durch eine eingesetzte Einigungsstelle aufgestellt werden.
Grundsätze bei der Aufstellung eines Sozialplans
Die Betriebsparteien sind bei der Gestaltung eines Sozialplans außerhalb eines Insolvenzverfahrens weitestgehend frei. Sie haben die allgemeinen Grenzen des BetrVG, insbesondere den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG), zu beachten.
Das BAG räumte den Betriebsparteien in den letzten Jahren einen zunehmend größeren Gestaltungsspielraum bei der Verteilung des Sozialplanbudgets ein (zuletzt zu Abfindungshöchstbeträgen BAG, 10.03.2022, 1 AZR 252/21).
Dotierung des Sozialplans durch die Einigungsstelle
Kommt zwischen Unternehmen und Betriebsrat eine Einigung über den Sozialplan nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans (§ 112 Abs. 5 BetrVG). Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Die Einigungsstelle hat sich außerhalb eines Insolvenzverfahrens lediglich an den Vorgaben des § 112 Abs. 5 BetrVG sowie an dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG zu orientieren.
Die Bemessung des Sozialplanvolumens durch die Einigungsstelle erfolgt zweistufig: Auf der ersten Stufe werden die drohenden Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestimmt. Auf der zweiten Stufe wird das Ergebnis aus Stufe 1 ins Verhältnis zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen gesetzt.
Nach § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG hat die Einigungsstelle neben sozialen Belangen der betroffenen Arbeitnehmer auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen zu beachten. Die Begriffe „soziale Belange“ und „wirtschaftliche Vertretbarkeit“ werden durch die Ermessensrichtlinien in § 112 Abs. 5 S. 2 BetrVG konkretisiert. Beides sind Faktoren, die die Einigungsstelle bei ihrer Ermessenentscheidung zu berücksichtigen hat. Das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit soll verhindern, dass das Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht durch den Sozialplan übermäßig belastet wird. Der Umfang der in diesem Verhältnis zulässigen Belastung des Unternehmens richtet sich nach den Umständen im jeweiligen Einzelfall.
Das BAG stellte bereits zuvor fest, dass unter Berücksichtigung dieser Vorgaben des BetrVG bei einem wirtschaftlich wenig leistungsstarken Unternehmen im Falle der Entlassung eines großen Teils der Belegschaft auch einschneidende Belastungen bis an den Rand der Bestandsgefährdung zulässig sein können (BAG, 06.05.2003, 1 ABR 11/02, Sozialplan in Höhe von 1,7 Mio. DM im Verhältnis zu Fehlbeträgen von 2,69 bzw. 4,57 Mio. DM).
Die Einigungsstelle hat bei der Bemessung des Gesamtbetrags der Sozialplanleistungen die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und das Verbot der Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens zu beachten. Die Bemessung der Sozialplanleistungen ist nach § 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG unter Abwägung der sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für das Unternehmen vorzunehmen. Dies stellt eine zusätzliche Ermessensgrenze für die Einigungsstelle dar. Es wird angenommen, dass die sozialen Belange der Arbeitnehmer dabei in keinem Fall höhere Leistungen rechtfertigen als ein vollständiger Ausgleich aller mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile verlangt. Der Fortbestand des Unternehmens und der Arbeitsplätze darf durch das Volumen des Sozialplans nicht gefährdet werden. Maßgeblich ist allein die getroffene Regelung im Einzelfall (BAG, 22.01.2013, 1 ABR 85/11).
Bei einem Gemeinschaftsbetrieb ist ein Sozialplan nicht bereits dann wirtschaftlich angemessen, wenn dieser für eines mehrerer Trägerunternehmen wirtschaftlich vertretbar ist.
Wie das BAG erneut und zutreffend betont, kommt es für das Kriterium der wirtschaftlichen Vertretbarkeit innerhalb eines Konzerns nur auf die wirtschaftliche Lage des Vertragsarbeitgebers an (BAG, 14.02.2023, 1 ABR 28/21). Das BAG stellt dabei auf den Wortlaut des § 112 Abs. 5 BetrVG („das Unternehmen“) ab sowie auf die Gesetzesbegründung (BT-Dr. 10/2102 S. 17).
Vom BAG noch nicht entschieden ist die Frage, ob nur auf die finanzielle Lage des Vertragsarbeitgebers abzustellen sei, wenn der Sozialplan eine gesamtschuldnerische Haftung des Trägerunternehmens vorsieht (so im Fall zur Entscheidung 1 ABR 28/21 ausdrücklich nicht vorgesehen). Die Betriebsparteien können frei darüber disponieren, ob Sozialplanabfindungen nur vom Vertragsarbeitgeber oder gesamtschuldnerisch von allen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen geschuldet werden sollen. Sieht ein Sozialplan aber ausdrücklich eine solche gesamtschuldnerische Haftung vor, wäre konsequenterweise hinsichtlich der finanziellen Lage dann auch die des Trägerunternehmens zu berücksichtigen.
Ebenso ungeklärt ist die Frage, ob sich die Betriebsparteien und Einigungsstelle bei der Festlegung des Sozialplanvolumens an einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags orientieren müssen. Ein automatischer Bemessungsdurchgriff auf den Sozialplan ist deshalb abzulehnen, weil § 302 Abs. 2 AktG keine analoge Anwendung findet. Richtigerweise kann das Vermögen einer beherrschenden Gesellschaft nicht bei der Dotierung eines Sozialplans einer Tochtergesellschaft herangezogen werden.
Das BAG zur Frage der Wirtschaftlichkeit eines Sozialplans
Mit der letzten Entscheidung zum Thema Sozialplandotierung vom 14.02.2023 führt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans fort.
Das BAG hatte dazu Stellung zu nehmen, nach welchen Kriterien bewertet wird, ob ein außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellter Sozialplan wirtschaftlich vertretbar ist.
Die Antragsstellerinnen (Holding und Tochtergesellschaft) unterhielten einen Gemeinschaftsbetrieb. Das Eigenkapital der Tochtergesellschaft war ab 2017 vollständig aufgezehrt. Im Oktober 2018 erteilte die Konzerngesellschaft der Tochter eine auf einen Höchstbetrag von 4 Mio. EUR begrenzte Liquiditätszusage „für eine insolvenzvermeidende Betriebsstilllegung“. Die Liquiditätszusage galt aber ausdrücklich „nicht für etwaige Liquiditätslücken der Gesellschaft, welche im Zusammenhang mit Leistungen unter einem wie auch immer gearteten Sozialplan stehen“.
2018 wurde die Belegschaft über die Betriebsstilllegung informiert und es wurde durch die gerichtlich eingesetzte Einigungsstelle 2019 ein Sozialplan mit einem Volumen von 3 Mio. EUR festgesetzt. Die Arbeitgeberin hat den Einigungsstellenspruch angefochten. Sie hat geltend gemacht, dass die Einigungsstelle mit der Festlegung des Volumens ihr Ermessen überschritten habe. Der Betrag führe zu einer Überkompensation bei den Arbeitnehmern und ist zum anderen für die Tochtergesellschaft wirtschaftlich nicht vertretbar.
Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen.
Das BAG hat im vorliegenden Fall der Rechtsbeschwerde stattgegeben und der Arbeitgeberin insoweit Recht gegeben, dass die Einigungsstelle ihr gesetzlich eingeräumtes Ermessen überschritten hat.
Nunmehr stellt das BAG erneut klar, dass § 123 InsO nicht auf Fälle außerhalb eines Insolvenzverfahrens angewendet werden kann und auch keine generelle Orientierungshilfe zur Bewertung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines Sozialplans bieten kann. Es bleibt dabei, dass § 123 InsO nur auf Insolvenzverfahren Anwendung findet.
Das BAG stellte fest, dass die Einigungsstelle im vorliegenden Fall bei der Dotierung des Sozialplans die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit missachtet hat. Im vorliegenden Fall war der Sozialplan bereits deshalb wirtschaftlich nicht vertretbar, weil die Arbeitgeberin ausweislich der Bilanzen überschuldet war. Die mittels der Liquiditätszusage zugesagten Mittel waren bereits aufgebraucht.
Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines durch eine Einigungsstelle außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplans ist regelmäßig überschritten, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Sozialplans zu einer Illiquidität des Unternehmens, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt.
Nach diesen Grundsätzen hielt sich der Sozialplan nicht innerhalb der für die Einigungsstelle maßgeblichen Ermessensgrenzen. Die Belastung der Arbeitgeberin war wirtschaftlich nicht vertretbar und der Spruch der Einigungsstelle war daher unwirksam.
Fazit
Können sich die Betriebsparteien nicht auf einen Sozialplan einigen, entscheidet die Einigungsstelle. Das von der Einigungsstelle festgesetzte Sozialplanbudget muss für den Vertragsarbeitgeber wirtschaftlich vertretbar sein. Will der Arbeitgeber einen durch eine Einigungsstelle aufgestellten Sozialplan anfechten, muss er darlegen, dass entweder die Dotierung zu einer Überkompensation der Arbeitnehmer führt oder für das Unternehmen wirtschaftlich nicht vertretbar ist (BAG, 22.01.2013, 1 ABR 85/11).
Die Grenze der wirtschaftlichen Vertretbarkeit eines durch eine Einigungsstelle außerhalb eines Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplans ist regelmäßig überschritten, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Sozialplans zu einer Illiquidität des Unternehmens, einer bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr hinnehmbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt, wie das BAG zuletzt im Februar 2023 bestätigte. Wir unterstützen Unternehmen bei der Verhandlung von Sozialplänen und im Rahmen von Einigungsstellen.