Das Sondierungsergebnis zwischen CDU/CSU und der SPD vom 12.01.2018 betrifft in nicht unwesentlichen Teilen auch das Arbeitsrecht. Nachdem der Parteitag der SPD am 21.01.2018 der Aufnahme von Verhandlungen zugestimmt hat, rückt eine weitere große Koalition („GroKo III“) damit in Sichtweite. Wenn diese Gleichung u.a. mit dem geplanten Mitgliederentscheid der SPD auch eine gewisse Unbekannte enthält, so stellt sich doch schon jetzt die wichtige Frage, was auf die Unternehmen in der nächsten Legislaturperiode an arbeitsrechtlichen Neuregelungen zukommen könnte. Hierzu geben wir nachfolgend einen ersten Überblick über wesentliche Aspekte.
Dauerbaustelle Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht wird auch in der kommenden Legislaturperiode eine der wichtigsten Baustellen bleiben. So weit, so wenig verwunderlich. Allein die exponentiell fortschreitende Digitalisierung, der demographische Wandel und der Fachkräftemangel bieten mannigfaltige Ansatzpunkte. Sie stellen die Politik, aber auch die Unternehmen, vor erhebliche Herausforderungen. Diese Lage spiegelt sich in dem Sondierungsergebnis vom 12.01.2018 grundsätzlich wieder. Dennoch ist derzeit nicht absehbar, ob auch die kommenden vier Jahre ähnlich einschneidende arbeitsrechtliche Maßnahmen wie diejenigen der jetzt noch geschäftsführend agierenden Koalition mit sich bringen werden. Allen voran der gesetzliche Mindestlohn, aber auch die Neuregelungen zur Arbeitnehmerüberlassung und Schwerbehindertenvertretung sowie der erstmals seit Anfang 2018 greifende individuelle Auskunftsanspruch nach dem Entgelttransparenzgesetz, bilden deren in quantitativer Hinsicht eindrucksvolle Bilanz. Nur die weitere Beachtung und Implementierung der damit verbundenen Vorgaben wären Aufgabe genug, von der ab dem 25.05.2018 anwendbaren europäischen Datenschutzgrundverordnung einmal ganz abgesehen. Gleichwohl wird es keinen Stillstand der Legislative geben. Was also ist im Detail geplant?
Recht auf befristete Teilzeit
Die potentiellen Koalitionäre planen ein Recht auf befristete Teilzeit (vulgo „Rückkehrrecht in Vollzeit“). Ob die damit intendierte Vermeidung der berühmt-berüchtigten „Teilzeitfalle“ tatsächlich erreicht wird, bleibt ebenso abzuwarten, wie eine harmonische Integration in die bestehenden Reglungen nicht nur des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Im Einzelnen wurde Folgendes „sondiert“:
- Der Anspruch soll erst ab einem unternehmensbezogen Schwellenwert von mehr als 45 Mitarbeitern greifen. In Unternehmen mit bis zu 200 Mitarbeitern steht der Anspruch außerdem lediglich einem pro angefangenen 15 Mitarbeitern zu. Bei Überschreitung dieser Zumutbarkeitsgrenze kann der Antrag abgelehnt werden. Nicht ersichtlich ist insoweit, weshalb Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern befristete Teilzeiten in unbegrenzter Anzahl bewältigen können sollten. Außerdem bleibt auf eine klare Regelung zu hoffen, wonach wegen Unzumutbarkeit abgelehnte Anträge nicht etwa in eine Art „Warteschlange“ fallen, sondern, sofern wieder ein befristeter Teilzeitarbeitsplatz frei wird, erneut gestellt werden müssen.
- Außerdem ist eine Mindest- und Maximaldauer vorgesehen. Demnach kann die befristete Teilzeit abgelehnt werden, wenn sie ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreitet. Tarifvertraglich kann hiervon abgewichen werden. Die Untergrenze scheint praktikabel, vermeidet sie doch „atomisierte“ Teilzeiten. Umgekehrt mutet die Höchstdauer von fünf Jahren gegriffen an. Denkbar wäre z.B. auch das Anknüpfen an die sachgrundlose Befristung (zwei Jahre) oder die Elternzeit (3 Jahre) gewesen. Im Übrigen ist unsicher, ob Gewerkschaften zur Verkürzung der Maximaldauer bereit sein werden. Im Zweifel könnte es also sogar zu noch längeren „befristeten Teilzeiten“ kommen, die arbeitgeberseitig „organisiert“ werden müssen.
- Der Weg in die befristete Teilzeit ist zwar keine Falle, aber ein „one-way ticket“. Dies bedeutet, währenddessen soll kein Anspruch auf Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit oder auf vorzeitige Rückkehr zur früheren Arbeitszeit bestehen. Eine solche Regelung ist unverzichtbar, weil anderenfalls in der Praxis kaum zu bewältigende Organisationsprobleme auftreten dürften.
- Für den Anspruch auf eine erneute befristete Teilzeit soll eine Wartezeit von einem Jahr gelten. Indes gilt, „Ein Jahr ist schnell vergangen“, auch zwischen zwei befristeten Teilzeitvereinbarungen. Praktisch dürfte es den Unternehmen jedenfalls häufig nicht möglich sein, binnen so kurzer Zeit „hin und her“ zu organisieren. Mit der Einführung der befristeten Teilzeit nimmt der Gesetzgeber diese Herausforderungen jedoch hin.
Arbeitszeitflexibilisierung
- Es soll ein „Rahmen geschaffen werden, in dem Unternehmen, Beschäftigte und die Tarifpartner den vielfältigen Wünschen und Anforderungen in der Arbeitszeitgestaltung gerecht werden können“. Damit dürften Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten, d.h. eine entsprechende Öffnung des Arbeitszeitgesetzes angesprochen sein. Ob „tarifliche“ Lösungen in diesem Zusammenhang zugleich auch „flexible“ sein werden, bleibt indes abzuwarten. Abzuwarten bleibt auch, inwieweit etwaige Regelungen mit den sich überholenden Realitäten Schritt halten werden.
- Bei der Arbeit auf Abruf soll sichergestellt werden, dass für die Arbeitnehmer ausreichend Planungs- und Einkommenssicherheit besteht. Dem lässt sich allerdings weniger eine angestrebte Flexibilisierung und Modernisierung, als vielmehr eine weitere Reglementierung dieses Modells entnehmen. Begrüßenswert wäre demgegenüber der Ansatz gewesen, diese Beschäftigungsform überhaupt erst einmal zeitgemäß zu regeln.
Neue Beschäftigungsformen
Neue Beschäftigungsformen sollen gefördert und (lies: „aber“) zugleich die Tarifbindung gestärkt werden. Hier droht eine Quadratur des Kreises: So stellt sich z.B. die Frage, wie einerseits flexibles, digitales und mobiles Crowdworking gefördert, und gleichzeitig eine statische, lokale Tarifbindung gestärkt werden soll. Die angekündigten „fördernden“ Maßnahmen bleiben daher mit Spannung abzuwarten.
Arbeitnehmerüberlassung
Im Jahr 2019 soll eine Evaluierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes durchgeführt werden. Abzuwarten bleibt freilich, ob diese Evaluation zu den dringend notwendigen Korrekturen der jüngsten Reform aus dem Jahr 2017, z.B. bei der Ausgestaltung der Festhaltensklärung des Leiharbeitnehmers, führen oder nicht eher ergebnislos bleiben wird.
Rechte des Betriebsrats
Das allgemeine Initiativrecht des Betriebsrats für Weiterbildung soll gestärkt werden. Auch wenn das Sondierungsergebnis hier noch vage bleibt, dürfte damit jedenfalls weiterer Zeit- und Kostenaufwand in der Zusammenarbeit mit den Betriebsräten auf die Arbeitgeber zukommen. Die Notwendigkeit für Unternehmen, Weiterbildung verstärkt auf die Agenda zu setzen, bleibt hiervon aber unberührt.
Und täglich grüßt…die sachgrundlose Befristung
Auch wenn sich das Sondierungsergebnis nicht zur sachgrundlosen Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG verhält, darf dies nicht mit einer Entwarnung für dieses wichtige Instrument verwechselt werden. So verhallen die Forderungen nach dessen Abschaffung nicht und könnten im Zuge der Koalitionsverhandlungen immer lauter werden. Selbst wenn es dann lediglich zu Einschränkungen käme, würde der Start der „GroKo III“ damit für die Praxis eine „arbeitsrechtliche Bauchlandung“ bedeuten.