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Antidiskriminierung

Online-Bewerbungsportale – Keine Abfrage von Diskriminierungsmerkmalen!

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Online-Bewerbungsportale sind für Arbeitgeber wie Arbeitsuchende ein gern und mit zunehmender Häufigkeit genutztes Mittel, unkompliziert Bewerbungen zu platzieren. Doch wie bei der klassischen Stellenausschreibung ist aus Arbeitgebersicht auch hier Vorsicht geboten: Denn das Abfragen von Diskriminierungsmerkmalen stellt ggf. ein Indiz für einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dar und ist damit geeignet,  Schadensersatzansprüche auszulösen. In der hier behandelten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kam die Arbeitgeberin aber noch einmal mit dem Schrecken davon.

Was war der Bewerberin zugestoßen?

In dem Fall, über den das BAG zu entscheiden hatte, klagte eine (im Übrigen in diesem Zusammenhang altbekannte) 1961 geborene deutsche Staatsangehörige nichtdeutscher Herkunft eine Entschädigung gegen die Arbeitgeberin (eine Tochtergesellschaft eines Telekommunikationsunternehmens) ein. Die Klägerin vertrat unter anderem die Auffassung, die beklagte Arbeitgeberin habe sie wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft sowie ihres Alters benachteiligt und forderte eine Entschädigung in Höhe von mindestens 10.000 Euro. Sie argumentierte wie folgt:

  • Die Pflichtangabe der Anrede „Herr/Frau“ in dem Onlineportal stelle ein Indiz für eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts dar.
  • Die Pflichtangabe zu ihren „Deutschkenntnissen“ mit den Auswahlmöglichkeiten „Deutsch Muttersprache“, „Deutsch verhandlungssicher“, „Deutsch fortgeschritten“ oder „Deutsch Grundkenntnisse“ stelle ebenfalls ein Indiz für eine Diskriminierung dar – in diesem Fall wegen ihrer ethnischen Herkunft.
  • Auch die Abfrage des Geburtsdatums (dies war in dem Onlineportal allerdings keine Pflichtangabe) stelle ein Indiz für eine Diskriminierung – nämlich wegen des Alters – dar.

Das BAG urteilte, dass es bei dem Vorbringen der Klägerin keine Indizien für eine Diskriminierung erkennen könne und der Klägerin somit auch kein Anspruch – insbesondere nicht nach § 15 Abs. 2 AGG – auf Zahlung einer Entschädigung in Geld zustehe.


Für das Einstellen der Bewerbung in das Online-Portal der Arbeitgeberin wurden von den Bewerberinnen und Bewerbern umfassende Informationen abgefragt. Das BAG hatte in seiner Entscheidung dann im Einzelnen zu urteilen, ob es sich bei den von der Klägerin beanstandeten abgefragten Angaben um Indizien für eine Diskriminierung gemäß § 22 AGG wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) handelte.

Denn schreibt ein Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG aus (diese Norm verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe), so kann dies die Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass die Bewerberin bzw. der Bewerber im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG benachteiligt wurde.

Das BAG wies die Klage jedoch vollumfänglich ab, weil es keine Indizien für das Vorliegen einer Diskriminierung nach dem AGG erkennen konnte.

Darf man das Geschlecht erfragen?

Ein Indiz für eine Diskriminierung sah das BAG bei der Abfrage des Geschlechts nicht. Hierbei handelte es sich in dem konkreten Onlineportal zwar um eine Pflichtangabe (die, wie üblich, mit einem * gekennzeichnet war). Die Arbeitgeberin argumentierte hier aber, dass sie diese Pflichtangabe nur deshalb fordere, um Bewerbungen zeitnah mit der zutreffenden Anrede beantworten zu können. Diesem Argument folgte das BAG und lehnte ein Indiz für eine Diskriminierung ab.

Und Sprachkenntnisse?

Auch die Abfrage der Deutschkenntnisse als Pflichtangabe stellte nach dem BAG kein Indiz für eine Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft dar. Das BAG führte zwar aus, dass die erworbene Muttersprache typischerweise mittelbar mit der ethnischen Herkunft verknüpft sei und damit einen in § 1 AGG genannten Diskriminierungsgrund darstellen könne. Gleichwohl sah das BAG kein Indiz für eine Diskriminierung. Denn im Onlineportal seien mehrere Möglichkeiten verfügbar gewesen, um die Frage nach den Deutschkenntnissen beantworten zu können. Deshalb konnte nicht darauf geschlossen werden, dass es der Arbeitgeberin ausschließlich darum ging, nur deutsche Muttersprachler zu suchen. Vielmehr ließen die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten den Schluss zu, dass es der Arbeitgeberin darum ging, Informationen über das Sprachniveau und die Qualität der Beherrschung der deutschen Sprache zu erlangen – und dies löst noch nicht die von der Klägerin vorgebrachte Indizwirkung aus.

Wie ist es mit dem Alter des/der Bewerbers/in?

Die außerdem vorgesehene Möglichkeit, das Geburtsdatum anzugeben, beanstandete das BAG ebenfalls nicht. Dies begründete es damit, dass das Geburtsdatum nicht obligatorisch anzugeben war und die Bewerbung auch ohne Angabe des Geburtsdatums auf den Weg hätte gebracht werden können. Außerdem, so stellte das BAG klar, bestehe auch überhaupt kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass der Arbeitgeber allein mit der Frage nach dem Alter eines Bewerbers bzw. einer Bewerberin regelmäßig bereits signalisiere, ein Interesse an der Beschäftigung jüngerer oder älterer Mitarbeiter zu haben.

Bei dieser Argumentation beließ es die Klägerin im Übrigen nicht: Sie beanstandete daneben, dass sich eine Indizwirkung für eine Diskriminierung bereits daraus ergebe, dass am Ende ein jüngerer Bewerber als sie eingestellt worden sei, dass nur zwei Männer zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden seien usw. Auch die weiteren Argumente wies das BAG jedoch als unbegründet ab.

Fazit

Bei dem Bereitstellen eines Online-Bewerbungsportals für Bewerbungen sind dieselben Spielregeln zu beachten, wie bei Stellenausschreibungen oder in Vorstellungsgesprächen: Diskriminierungsmerkmale und Fragen, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Bewerbers/der Bewerberin verletzen, sind tabu. Gleichwohl lässt das BAG erkennen, dass allgemein übliche Angaben in einem Bewerbungsportal nicht immer Indizien nach dem AGG auslösen müssen. Aus dem Urteil folgt aber auch, dass Onlineportale sorgfältig erstellt werden und die im Urteil aufgestellten Grundsätze, z.B. eine bloß freiwillige Angabe des Geburtsdatums, darin Berücksichtigung finden sollten.

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