Die seit 1. April 2017 geltenden Änderungen des AÜG haben den nunmehr als „Gleichstellungsgrundsatz“ definierten Grundsatz des equal pay an sich unangetastet gelassen; er ist nunmehr in § 8 AÜG zusammengefasst. Der Verleiher ist nach wie vor verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt zu gewähren. Und wie bisher sind Maßstab die Arbeitsbedingungen vergleichbarer Stammmitarbeiter beim Entleiher. Mehr als unklar ist aber, worauf der Vergleichsmaßstab konkret abstellt. Wir zeigen die maßgebliche Systematik auf.
Ausnahmen vom „Gleichstellungsgrundsatz“
Ausnahmen vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag sind weiterhin möglich, jedoch nunmehr zeitlich beschränkt auf eine Überlassungsdauer von 9 bzw. 15 Monaten. Findet kein entsprechender Tarifvertrag beim Verleiher Anwendung, oder geht die Überlassung über 9 bzw. 15 Monate hinaus, stellt sich praktisch sowohl für Verleiher, aber insbesondere auch für Entleiher, die vom Verleiher aufgefordert werden, den Vergleichslohn zu ermitteln, die Frage:
Welcher Stammarbeitnehmer ist konkret vergleichbar?
Ziel des AÜG ist es, diejenigen Arbeitsbedingungen bzw. dasjenige Gehalt zu ermitteln, das der Leiharbeitnehmer erhalten hätte, wenn er unmittelbar vom Entleiher als Stammmitarbeiter für den konkreten Arbeitsplatz im konkreten Zeitpunkt der Überlassung eingestellt worden wäre. Sind insoweit vergleichbare Stammmitarbeiter beim Entleiher vorhanden, bilden sie den Maßstab.
Vergleichbar sind dabei alle Stammmitarbeiter mit gleicher oder ähnlicher Tätigkeit, es sei denn, sie erfüllen zusätzliche Kriterien, die nach dem Entgeltschema des Entleihers vergütungsrelevant sind (z.B. langjährige Berufserfahrung, bestimmte Ausbildung, besondere Fachkenntnisse, gewisse Betriebszugehörigkeit). Sodann ist grundsätzlich auf das Gehalt desjenigen Stammmitarbeiters abzustellen, der zuletzt eingestellt wurde. Gibt es keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer, ist ein hypothetisches Einstellungsgehalt zu ermitteln.
Für die Ermittlung vergleichbarer Stammmitarbeiter können folgende Prüfungsschritte herangezogen werden:
Welche Stammmitarbeiter verrichten gleiche oder ähnliche Aufgaben?
Stammmitarbeiter sind vergleichbar, wenn sie in demselben Betrieb gleiche oder ähnliche Tätigkeiten verrichten. Tätigkeiten sind gleich, wenn sie identisch sind. Tätigkeiten sind ähnlich, wenn sie auf derselben Hierarchieebene angesiedelt sind und vergleichbare Anforderungen (Qualifikation, Fähigkeiten, Verantwortungsbewusstsein, körperliche Belastung) stellen.
Erfüllen diese Stammmitarbeiter zusätzliche entgeltrelevante Kriterien?
Sind aufgrund der Tätigkeit an sich vergleichbare Stammmitarbeiter vorhanden, scheidet deren Vergleichbarkeit jedoch wiederum aus, wenn sie zusätzliche Kriterien erfüllen, die nach dem Entgeltschema des Entleihers vergütungsrelevant sind (z.B. langjährige Berufserfahrung, besondere persönliche Merkmale wie Ausbildung, besondere Fachkenntnisse), und die der Leiharbeitnehmer nicht erfüllt.
Entsprechendes gilt, wenn das Entgeltschema an die Betriebszugehörigkeit anknüpft. Für den Leiharbeitnehmer ist dann eine Betriebszugehörigkeit von null anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Entgeltschema tatsächlich für die Höhe des Gehalts auf diese Kriterien abstellt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Vergütungsordnung für eine bestimmte Berufserfahrung, bestimmte Ausbildung oder Betriebszugehörigkeit höhere Gehaltsstufen vorsieht.
An der Vergleichbarkeit fehlt es auch dann, wenn sich im Laufe der Zeit Vergütungsregelungen geändert haben; in diesem Fall sind nur solche Stammmitarbeiter vergleichbar, die den aktuellen Regelungen unterfallen (z.B. bei Wegfall freiwilliger Leistungen ab einem bestimmten Stichtag).
Was gilt, wenn mehrere vergleichbare Stammmitarbeiter mit unterschiedlichem Gehalt vorhanden sind?
Gibt es mehrere vergleichbare Stammmitarbeiter, die ein unterschiedliches Gehalt beziehen, ist grundsätzlich auf das Gehalt des zuletzt eingestellten Stammmitarbeiters abzustellen. Denn insoweit ist zu vermuten, dass der Leiharbeitnehmer, wäre er als Stammmitarbeiter eingestellt worden, ebenfalls diese Bedingungen angeboten erhalten hätte. Ausnahmen hiervon sind denkbar.
Was gilt, wenn kein vergleichbarer Stammmitarbeiter vorhanden ist?
Gibt es keinen vergleichbaren Stammmitarbeiter, so ist das hypothetische Einstellungsgehalt zu ermitteln. Das ist dasjenige Gehalt, das der Entleiher einem Bewerber auf dem freien Arbeitsmarkt anbieten würde. Ist ein Tarifvertrag auf den Betrieb anwendbar oder im jeweiligen Wirtschaftszweig vorhanden, oder gibt es beim Entleiher ein Entgeltschema, so ist auf dieser Grundlage eine fiktive Eingruppierung vorzunehmen.
Wird das Gehalt beim Entleiher aufgrund einer individuellen Handhabung ermittelt, so ist im Hinblick auf den konkreten Arbeitsplatz entsprechend vorzugehen.
Welche Vergütungsbestandteile sind zu berücksichtigen?
Sind vergleichbare Stammmitarbeiter identifiziert, sind sämtliche Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen, somit neben dem Grundgehalt u.a. Zuschläge, Zulagen, Prämien, Provisionen, Personalrabatte, Gratifikationen, Sachleistungen (wobei dort nunmehr wertgleicher Ersatz in Geld möglich ist).
Hängen z.B. Gratifikationen oder Sachleistungen von weiteren Voraussetzungen ab, z.B. von einem Stichtag oder einer bestimmten Betriebszugehörigkeit, so gelten diese ebenfalls entsprechend. Ferner zählen Sozialleistungen mit, z. B. Nutzung einer Kantine und verbilligte Mitarbeiterpreise.
Erleichterung: Gesetzliche Vermutung bei Zahlung des Tariflohns
Um insbesondere den Verleihern in der Praxis eine Erleichterung an die Hand zu geben, hat der Gesetzgeber mit dem neuen § 8 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine Vermutungsregel eingeführt. Zahlt der Verleiher Tariflohn, wird die Einhaltung des Gleichstellungsgrundsatzes vermutet. Der Leiharbeitnehmer kann diese Vermutung widerlegen, ist dann aber insoweit darlegungs- und beweispflichtig. Hierzu kann sich ein Leiharbeitnehmer auf den neu in das AÜG aufgenommenen Auskunftsanspruch stützen.
Die Praxis wird jedoch zeigen, inwieweit hiervon tatsächlich Gebrauch gemacht wird.
Sehr geehrte Damen und Herren,
dies ist ein sehr interessanter Artikel.
Nun stellt sich für mich jedoch die Frage – wie muss das Gehalt eines ANÜ-Mitarbeiters angepasst werden, wenn dieser mehr als ein vergleichbarer Stammmitarbeiter beim Zeitarbeitsunternehmen erhält?
Muss das Gehalt der ANÜ Kraft somit „nach unten“ angepasst werden?
MfG
Daniel Maier
Sehr geehrter Herr Maier,
vielen Dank für Ihr Interesse – in der Tat ist das eine gute Frage. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – wie viele andere arbeitsrechtliche Gesetze auch – ist als Schutzgesetz, hier zugunsten der Leiharbeitnehmer, zu verstehen. Es soll sicherstellen, dass Leiharbeitnehmer mindestens ein gleich hohes Gehalt erhalten wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Es regelt somit Mindestbedingungen. Erhalten Leiharbeitnehmer ohnehin ein höheres Gehalt als vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers, bedürfen Sie keines Schutzes. Eine Pflicht – wie auch ein Recht – des Arbeitgebers zur Anpassung des Gehalts nach unten besteht mithin auf der Grundlage des AÜG nicht.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne persönlich zur Verfügung.
Mit besten Grüßen,
Ihr Team von Arbeitsrecht. Weltweit.
Sehr geehrte Damen und Herren,
besten Dank für Ihre Ausführungen.
Wird zum Vergleich die Arbeitszeit des Leiharbeitnehmers abzgl. Zeitkonto herangezogen oder ohne.
Beispiel:
Leiharbeitnehmer bekommt 35 Std. / Woche ausgezahlt.
Die verbleibenden 5 Std. (Gesamtvertrag über 40Std.) kommen auf ein Zeitkonto.
Wird somit das Bruttomonatsgehalt der Stammbelegschaft durch 140 Std. (35 Std. x 4) oder durch 160 Std. (40 Std. x 4) dividiert um den Vergleichslohn pro Std. zu ermitteln?
Besten Dank für eine Information.
MfG
J. Döpfert
Sehr geehrter Herr Döpfert,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Grundsätzlich gilt, dass für die Berechnung des Vergleichslohns das Bruttomonatsentgelt der Stammbelegschaft durch die Arbeitsstunden der Stammbelegschaft pro Monat zu teilen ist. In welcher Weise auf dieser Grundlage die Lohnzahlung an die Leiharbeitnehmer durch den Verleiher erfolgt (Auszahlung von 35 Stunden und Verbuchung von 5 Stunden auf dem Zeitkonto), ist eine andere Frage und im Einzelfall gesondert zu betrachten.
Mit besten Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht.Weltweit.
Frage: Kann ich in unseren AÜG Vertrag eine Übernahmeklausel/Ablösesumme, nach den 18 Monaten mit aufnehmen? Wenn ja, wie hoch könnte die Summe liegen? Welcher Betrag wäre vertretbar und nicht sittenwidrig?
Sehr geehrte Frau Wüst,
vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Frage zur Zulässigkeit von Vermittlungsprovisionen. Das ist in der Tat ein komplexes Thema und wir greifen dies gerne als Idee für einen unserer nächsten Blogbeiträge auf. Gerne können wir uns diese Frage auch einzelfallbezogen gemeinsam mit Ihnen ansehen – melden Sie sich in diesem Fall gerne bei uns.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht. Weltweit.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ist eine Mitarbeiterin zu entlohnen die während der Arbeitnehmerüberlassung in Mutterschutz bzw. in ein Beschäftigungsverbot geht? Müssen wir Equal Pay oder nach z.B. iGZ Tarif zahlen. Vielen Dank für Ihr Feedback
Sehr geehrter Herr Massmann,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Blogbeitrag zum Equal Pay und Ihre interessante Frage. Wir würden uns freuen, dies gemeinsam mit Ihnen zu näher zu untersuchen, bitten jedoch um Verständnis, dass eine solche Einzelfallberatung nicht im Rahmen unseres Blogs möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht. Weltweit.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr gerne.
Viele Grüße
Frank Maßmann
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir überlassen ungarische Schweisser an Kunden . Die Leute sind in Ungarn sozialversichert. Sie bekommen in Ungarn ein Grundgehalt in Deutschland ein Netto Stundenlohn . Sie fahren alle 5-6 Wochen 5-6 Tage nach Ungarn. Durch die Heimfahrten haben Sie im Jahr ca. 50-60 Tagen Urlaub. Gehört das Urlaubsentgelt auch zur Equal Payment ? Wir bezahlen 50-60 Tage Urlaub aber nur den Grundgehalt . Wir stellen die Facharbeiter Unterkunft kistenlos zu . Inkl. GEZ Gebühr mit allen Nebenkosten.IGZ meint gehöhrt nich in den Arbeitsengeld herain BAG sagt ja. Was ist die Lösung ?Gehört der Unterkunft in den Equal Payment? Kann man bei Equal Payment Leistungen entgegenrechnen? Wer kann uns helfen ? Es
Sehr geehrter Herr Török,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Blogbeitrag zum Equal Pay und Ihre interessante Frage. Wir würden uns freuen, dies gemeinsam mit Ihnen zu beleuchten, bitte jedoch um Verständnis, dass eine solche einzelfallbezogene Beratung nicht im Rahmen unseres Blogs möglich ist. Gerne können wir hierzu jedoch telefonieren oder uns per e-Mail austauschen – wenden Sie sich insoweit gerne an die Autorin.
Mit besten Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht. Weltweit
Sehr geehrte Damen und Herren!
Toller Blog. Wie wird Equal-Pay kontrolliert? Woher weiß der Verleiher, dass die Stundensätze und Zulagen des Stammmitarbeiters, die ihm angegeben werden, korrekt sind? Woher weiß der Entleiher, ob die Angaben vom Verleiher korrekt sind? Wer haftet bei falschen Angaben? Oder sollte sich beide Vertragspartner aktuelle Lohnabrechnungen zeigen lassen? Wie steht es da mit dem Datenschutz?
Sehr geehrter Herr Kothenschulte,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Blogbeitrag und die freundlichen Worte! In der Tat haben Sie hier spannende Fragen aufgeworfen.
Grundsätzlich kann sich zunächst der betroffenen Leiharbeitnehmer auf die Einhaltung von Equal pay berufen. Ferner ist die Bundesagentur für Arbeit für die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen die Vorgaben des AÜG auch im Hinblick auf Equal Pay zuständig, die Zollverwaltung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) für die Ahndung illegaler Arbeitnehmerüberlassung ohne Verleiherlaubnis. Beide Behörden arbeiten eng – auch mit weiteren Behörden – zusammen und unterrichten sich gegenseitig über Verdachtsfälle und führen gemeinsame Prüfungen durch.
Wir nehmen das Thema wie auch die Frage, wie sich Entleiher und Verleiher verhalten können, gerne in unsere Themenreihe für unseren Blog auf. Sofern Sie einen konkreten Fall vor Augen haben, der näher untersucht werden sollte, melden Sie sich gerne bei uns für ein persönliches Gespräch.
Mit besten Grüßen
Ihr Team von Arbeitsrecht.Weltweit.