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Weiterbildung out of the box: „Austausch“ von Arbeitnehmern zwischen Unternehmen zu Fortbildungszwecken

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Das Know-how vieler Unternehmen wird wesentlich durch ihre Mitarbeiter geprägt. Dabei muss die Weiterbildung von Mitarbeitern aber nicht notwendigerweise bei klassischen Qualifizierungs- und Schulungsmodellen oder auch an Unternehmens- oder Konzerngrenzen haltmachen. Wir geben einen Überblick zu möglichen Optionen eines Einsatzes von Arbeitnehmern in fremden Unternehmen für Weiterbildungszwecke und was es dabei aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten gilt.

Eine Kooperation von Unternehmen zum Wissenstransfer unter Einsatz von eigenen Arbeitnehmern kann höchst unterschiedlich ausgestaltet sein. Eine Frage, die sich Unternehmen stellen müssen, ist etwa, ob der Wissenstransfer beidseitig oder einseitig (d.h. gegen die Gewährung von anderen Vorteilen (z.B. Entgelt oder Rabatte)) ausgestaltet werden soll. Die Antwort wird nicht zuletzt davon abhängig sein, ob sich praktisch ein Kooperationsunternehmen finden lässt, mit welchem sich hinreichende Synergien für einen Austausch von „Wissen gegen Wissen“ finden lassen. Dabei kann sich der Effekt auf das wechselseitige Ausgleichen von Schwächen in bestimmten Arbeits- und Aufgabenbereichen durch Nutzung eigener Stärken beschränken. Aber auch weitergehende Aspekte wie die Förderung der Kreativität der Mitarbeiter zur Entwicklung neuer Ideen und Geschäftsmodelle oder die Suche nach Ansätzen für ein späteres etwaiges gemeinsames Vorhaben von Unternehmen können eine Rolle spielen. Dabei müssen natürlich stets wettbewerbs- und insbesondere auch kartellrechtliche Vorgaben für die Zusammenarbeit von Unternehmen streng im Blick behalten werden.

Eine weitere Frage ist sodann, wie intensiv der „Einsatz“ der Mitarbeiter im fremden und ggf. im Gegenzug auch eigenen Unternehmen ausgestaltet sein soll. Der Einsatz kann sich etwa auf (wechselseitige) Vortragsformate beschränken. Er kann aber auch hin zu Ausbildungsformaten oder einem echten „learning on the job“ gehen. Die Intensität des Einsatzes wird dabei inhaltlich geprägt (d.h. durch das „Was“), ist aber auch von organisatorischen und zeitlichen Aspekten abhängig (d.h. von dem „Wo und Wie“ bzw. der Lage und Dauer). Je nach Ausgestaltung stellen sich unterschiedliche Rechtsfragen.

Diverse Modelle auf den arbeitsrechtlichen Prüfstand stellen

Bereits der vergleichsweise wenig invasiv anmutende Einsatz im Zuge von (wechselseitigen) Vortragsformaten wirft einige arbeitsrechtlich relevante Fragestellungen auf, wie etwa, ob die Aufgabenbeschreibung eines Arbeitnehmers die Anweisung zur Vorbereitung entsprechender Formate umfasst. Es empfiehlt sich aber ohnehin – in Bezug auf jedes Modell – für einen erfolgreichen Wissenstransfer vorrangig auf eine Freiwilligkeit der Arbeitnehmer zu setzen. Auch stellt sich, sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, die Frage nach etwaigen Beteiligungsrechten hinsichtlich der Fortbildungsformate.

Daneben freut sich ein direkter Austausch von Personal zwischen Unternehmen praktisch zunehmender Beliebtheit. Diskutiert wurde er während der Corona-Pandemie zur Überbrückung personeller Engpässe oder Überschüsse. Er kann aber auch abseits solcher Krisen ein attraktives Instrument sein – sei es mit Blick auf den Fachkräftemangel, oder eben als Mittel zur Personalentwicklung und dem Wissenstransfer zwischen Unternehmen. Der letztgenannte Aspekt motivierte einem Bericht einer Tageszeitung zufolge in jüngerer Zeit etwa auch zwei große Elektronikkonzerne in Japan zu einem temporären Austausch von Mitarbeitern. In eine ähnliche Kerbe schlagen in der Dienstleistungsbranche gelebte sogenannte Secondments. Eine Beteiligung deutscher (Konzern-)Unternehmen an entsprechenden Modellen muss sich dabei immer (auch) an deutschem Arbeitsrecht messen lassen.

Wichtiger Stellhebel: Bloße „Hospitanz“ oder Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung?

Mit einer Arbeitnehmerüberlassung im Rechtssinne geht nicht nur ein erheblicher bürokratischer Aufwand einher (s. etwa zum Thema Beantragung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unseren Video-Blogbeitrag vom 13. Oktober 2022). Auch die Vermeidung der Folgen einer Fehleinschätzung in Bezug auf das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung etwa in Form von Bußgeldern erfordern eine sorgfältige Rechtsprüfung.

Ausweislich § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG werden Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist eine Frage des konkret gelebten Einzelfalls und damit abhängig von der Absprache zwischen den kooperierenden Unternehmen sowie insbesondere deren Umsetzung, da diese für die arbeitsrechtliche Bewertung letztlich entscheidend ist. Riskant ist es dabei jedenfalls, wenn der Arbeitnehmer in die Arbeitsabläufe im fremden Unternehmen einbezogen wird.

Aber selbst für den Fall, dass sich die Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung nicht verneinen lassen, können in Konzernkonstellationen das Konzernprivileg (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG) oder außerhalb des Konzerns der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 2 a) AÜG – alle geäußerten Bedenken zur Europarechtswidrigkeit einmal beiseitegeschoben – einen wichtigen Ausnahmetatbestand darstellen. Danach finden die meisten Vorgaben des AÜG, wie das Erfordernis einer Überlassungserlaubnis auf die Arbeitnehmerüberlassung, keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer „nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird“ und die Überlassung zwischen Konzernunternehmen oder nur „gelegentlich“ erfolgt. Gerade was der Begriff „gelegentlich“ bedeutet, ist viel diskutiert, wobei nicht allein an die Häufigkeit, sondern etwa auch an Aspekte wie Absicht, Anlass und Dauer angeknüpft wird.

Was es noch im Kontext eines Austauschs von Personal zu beachten gibt:
  • Auslandsbezug: Grenzüberschreitende Sachverhalte sollten einer umfassenden Rechtsprüfung unterzogen werden, damit es zu keinem bösen Erwachen kommt. Aus deutscher Perspektive stellt sich je nach Gestaltung des Einsatzes etwa die Frage nach der Anwendbarkeit des Entsenderechts. Auch sozial- und unfallversicherungsrechtliche Fragestellungen können sich ergeben.
  • Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse: Wegen des Risikos mit entsprechenden Geheimnissen in Berührung zu kommen, empfiehlt es sich unbedingt, Verpflichtungserklärungen zur Verschwiegenheit mitzudenken und/oder den Einsatz möglichst so zuzuschneiden, dass es zu keinen ungewollten Offenbarungen mit Verbreitungspotential kommt.
  • Datenschutz: Soweit Mitarbeiter mit personenbezogenen Daten von Mitarbeitern aus Fremdunternehmen konfrontiert werden, empfiehlt es sich, datenschutzrechtliche Einwilligungserklärungen einzuholen, über Vorschriften zum Datenschutz zu belehren und zu deren Einhaltung zu verpflichten.
  • Einbindung des Betriebsrats: Auch müssen ggf. auf beiden Seiten Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG (Einstellung, Versetzung) beachtet werden. Im Einzelfall denkbar erscheint auch die Überschreitung der Schwelle zu einer interessenausgleichspflichtigen Maßnahme i.S.d. § 111 BetrVG. Auch sonstige Mitbestimmungs- und Auskunftsrechte des Betriebsrats können tangiert sein, weshalb es empfehlenswert sein dürfte, diesen frühzeitig einzubinden.
  • Nicht aus dem Blick zu verlieren sind schließlich auch die Themen Kostentragung, Ausstattung mit Arbeitsmitteln und Arbeitsschutz.
Fazit

Der temporäre Einsatz eigener Mitarbeiter in fremden Unternehmen (oder umgekehrt) kann ein kreatives Mittel zur Qualifizierung eigener Mitarbeiter sein. Mit einem passenden Kooperationspartner lassen sich für beide Seiten wertvolle Synergieeffekte nutzen. Die Konzeptionierung kann dabei höchst unterschiedlich sein. Damit eine solche Maßnahme nicht zu ungewollten Konflikten mit Mitarbeitern, Betriebsräten und Behörden führt, sollte sie jedoch (arbeits-)rechtlich sorgfältig geplant und begleitet sein.

Sabine Vorbrodt, LL.M.

Rechtsanwältin

Associate
Sabine Vorbrodt berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten zudem in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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