Webinare erfreuen sich bei Schulungsteilnehmern zunehmender Beliebtheit und gelten seit der COVID-19-Pandemie als Standardangebot bei Fortbildungsprogrammen in allen Themengebieten. Als wesentliche Vorteile stehen insbesondere Kosten- und Zeitersparnis sowie die Ortsunabhängigkeit im Vordergrund. Doch kann der Arbeitgeber Betriebsräte bei der Auswahl von Schulungsveranstaltungen auch auf digitale Angebote beschränken?
Kostenübernahme und Freistellung für Betriebsratsschulungen
Für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit muss der Betriebsrat nicht nur über die zur Amtsführung notwendige materielle Ausstattung verfügen. Die Betriebsratsmitglieder müssen zur Amtsausübung auch entsprechende Fachkenntnisse besitzen. Unter §§ 37, 40 BetrVG wird die Freistellung und Kostentragung bei der Schulungsteilnahme von Betriebsratsmitgliedern geregelt. Hiernach muss der Arbeitgeber die im Zusammenhang mit der Schulung anfallenden Kosten einschließlich bezahlter Freistellung, Tagungsgebühr und Reisekosten übernehmen. Dies jedoch nur, soweit die Teilnahme für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermittelt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Dabei hat der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum, der sich auf Inhalt der Veranstaltung, Dauer und die Anzahl der Teilnehmer erstreckt. Dies wird in der Praxis von den Betriebsparteien oft uneinheitlich beurteilt. Somit verwundert es nicht, dass der Katalog von gerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme lang ist.
Erforderlichkeit einer Schulungsmaßnahme
Dem Betriebsrat steht bei der Beantwortung der Frage, ob eine Schulungsmaßnahme erforderlich ist, ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Gleichwohl ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG die Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG untrennbar mit dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 BetrVG verknüpft. Demnach darf der Betriebsrat den Arbeitgeber nur mit Kosten belasten, die er für angemessen halten darf. Er muss darauf achten, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten „auf das notwendige Maß“ zu beschränken.
Die Vermittlung von Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsrechts wird regelmäßig als erforderlich anzusehen sein. Denn nur mit diesen Kenntnissen wird es dem Betriebsrat möglich sein, seine Rechte und Pflichten nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrnehmen zu können. Hiervon hat die Rechtsprechung allerdings zwei Ausnahmen gesehen: Eine Schulung zur Vermittlung von Grundkenntnissen ist dann nicht mehr erforderlich, wenn die Schulung erst kurz vor dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats stattfindet und absehbar ist, dass das Betriebsratsmitglied die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse bis zum Ende der Amtszeit nicht mehr einsetzen kann. Gleiches gilt, wenn das zu schulende Betriebsratsmitglied bereits über das nötige Grundwissen verfügt.
Die Vermittlung von Spezialkenntnissen ist demgegenüber nicht zwangsläufig als erforderlich anzusehen. Vielmehr wird hier stets eine Einzelfallprüfung notwendig sein.
Entscheidungsspielraum des Betriebsrat auch bezüglich Schulungsformat
Das BAG hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 7. Februar 2024 (Az. 7 ABR 8/23), die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, dem Betriebsrat einen Entscheidungsspielraum allerdings auch bei der Auswahl des Schulungsformats zugesprochen. Dem stehe auch nicht von vornherein entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmer regelmäßig höhere Kosten anfallen als bei einem Webinar.
Damit bestätigt das BAG die Ansicht der Vorinstanz, dem LAG Düsseldorf, über dessen Entscheidung vom 24. November 2022 wir bereits in unserem Blog berichtet haben. Das LAG Düsseldorf betonte seinerzeit, dass die Interessenvertretung hatte annehmen dürfen, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver sei als eine Onlineschulung. Das gelte auch dann, wenn die Lerninhalte identisch sein sollten, da insbesondere die Anzahl der gestellten Fragen und Anmerkungen aus dem Teilnehmerkreis bei einer Onlineschulung regelmäßig nur einen Bruchteil der entsprechenden Beiträge bei einer Präsenzschulung erreiche und ein Abgleich der Handhabung von Mitbestimmungsrechten in den unterschiedlichen Betrieben („Wie läuft das bei Euch?“) bei Onlineschulung erfahrungsgemäß weniger stattfinde.
Fazit
Selbst bei gleichem Inhalt von Online- und Präsenzseminar kann der Betriebsrat grundsätzlich selbst entscheiden, welche Lernform die zweckmäßigere für ihn ist. Das BAG spricht der Interessenvertretung nunmehr auch einen Beurteilungsspielraum bei der Frage des Schulungsformats zu.
Dies ist eine höchstrichterliche Entscheidung, die sich gegen den allgemeinen Trend von „Home Office“ und Onlineschulungen setzt und dazu führen kann, dass Arbeitnehmervertretungen vermehrt Präsenzveranstaltungen gegenüber Webinaren wählen. Denn mit der Begründung der Rechtsprechung, eine Präsenzveranstaltung habe einen höheren Lerneffekt und führe durch den direkten Gedankenaustausch zu einer qualitativ höherwertigeren Veranstaltung dürfte jede Arbeitnehmervertretung ihr Votum für eine Präsenzveranstaltung abgeben können. Leider hat es das BAG verpasst, die Entscheidung des LAG Düsseldorf nachzujustieren. Für spezielle Sonderschulungen allerdings sind Arbeitgeber gut beraten, die Erforderlichkeit der vom Betriebsrat gewünschten Schulungen zu prüfen.