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Anforderungen an das Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB – ein Hoffnungsschimmer?

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Fehler in Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB sind ein Dauerbrenner. Denn unvollständig oder unrichtig gestaltete Schreiben können zur Folge haben, dass Arbeitnehmer mitunter noch Jahre nach einem Betriebsübergang einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen und zum alten Arbeitgeber zurückkehren können.

Gerade in Transaktionen unter Beteiligung von Private-Equity-Gesellschaften, welche bestimmte Unternehmen nur für einen beschränkten Zeitraum halten und nach wenigen Jahren – und oftmals nach erfolgreichem „Umbau“ der Unternehmensstruktur – wieder veräußern, ist das Risiko späterer Widersprüche gegen Betriebsübergänge tunlichst zu vermeiden, um bspw. im Fall eines Verkaufs des Unternehmens spätere Ansprüche des Käufers auf Grundlage des Unternehmenskaufvertrags zu verhindern.

Nach jüngster Rechtsprechung ist es jedoch möglich, dass die Unterrichtung trotz – für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer nicht wesentlicher – Fehler nicht dazu führt, dass die Widerspruchsfrist gegen den Betriebsübergang gar nicht erst zu laufen beginnt. Außerdem hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass die Unterrichtung keine allumfängliche Rechtsberatung für jeden individuellen Arbeitnehmer enthalten muss.

Unterrichtungspflicht und Widerspruchsrecht nach § 613a V, VI BGB im Falle eines Betriebsübergangs

Im Falle eines Betriebsübergangs sind Arbeitgeber nach § 613a Abs. 5 BGB verpflichtet, die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer in Textform über die Folgen des Betriebsübergangs zu unterrichten. Arbeitnehmer können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich widersprechen. Das Bundesarbeitsgericht stellt hohe inhaltliche Anforderungen an Unterrichtungsschreiben, sodass es für Arbeitgeber oftmals eine Herkulesaufgabe darstellt, ein vollständiges und richtiges Unterrichtungsschreiben zu gestalten.

Ist die Unterrichtung unvollständig oder unrichtig, beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist der Arbeitnehmer gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht zu laufen, sodass die Arbeitnehmer noch Jahre nach der Transaktion ihr Widerspruchsrecht ausüben und zum alten Arbeitgeber zurückkehren können. Typische Fälle sind eine spätere wirtschaftliche Krise oder Insolvenz des neuen Arbeitgebers oder Umstrukturierungsmaßnahmen, welche zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen oder mit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden sind.

Anforderungen an die Unterrichtung zu den rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs, § 613a Abs. 5 BGB

Gemäß § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB müssen die Arbeitnehmer unter anderem über die „rechtlichen“ Folgen des Betriebsübergangs unterrichtet werden. Das Gesetz konturiert jedoch nicht klar, wie weitgehend und detailliert Arbeitgeber ihre Mitarbeiter zu den Rechtsfolgen sowie der damit einhergehenden Rechtsfragen unterrichten müssen, zumal ein Betriebsübergang eine Vielzahl von in der Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Rechtsfragen nach sich ziehen kann, mit deren Aufarbeitung ganze Bücher gefüllt werden können. Bei einer ausführlichen Auseinandersetzung mit einzelnen Rechtsfolgen kann es passieren, dass sich juristische Fehler einschleichen, etwa indem der konkrete Sachverhalt in fehlerhafter Weise unter relevante Urteile oder Literatur subsumiert wird.

BAG: Keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen an die Unterrichtung

Das BAG hat in Anerkennung dieser Problematik in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 21.03.2024 – 2 AZR 79/23) festgestellt, dass die Hinweise auf die Rechtsfolgen zwar präzise sein müssen, an den Inhalt der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs aber keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürfen. Es könne daher gerade nicht erwartet werden, dass das Unterrichtungsschreiben „keinen juristischen Fehler“ enthält.

Das BAG hat nicht spezifiziert, welche juristischen Fehler für den Lauf der Widerspruchsfrist unschädlich sind. Dies dürfte sich allerdings auf Fehler zu Randthemen bzw. Detailfragen beschränken. Je relevanter die infrage stehende Rechtsfolge für die Entscheidung des Arbeitnehmers hinsichtlich eines Widerspruchs ist, desto höhere Anforderungen sind an die juristisch korrekte Darstellung des Themas zu stellen.

Dies stellt eine Aufweichung zur früheren Rechtsprechung dar, denn in früheren Urteilen hatte das BAG noch vertreten, dass jeder noch so kleine juristische Fehler zur Unwirksamkeit des Unterrichtungsschreibens führt. Die jüngste Entscheidung des 2. Senats stellt daher eine erfreuliche Entwicklung für Arbeitgeber dar.

Angaben zu umstrittenen Rechtsfragen im Unterrichtungsschreiben

Bei komplexen, umstrittenen Rechtsfragen gilt: Ein erheblicher juristischer Fehler liegt nicht bereits dann vor, wenn es zu der Rechtsfrage eine andere Rechtsprechung oder Meinung als die im Unterrichtungsschreiben dargestellte herrschende Rechtsprechung, insbesondere die des Bundesarbeitsgerichts, gibt. Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist auch dann nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber nach angemessener Prüfung der Rechtslage, die gegebenenfalls die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt, eine rechtlich vertretbare Position einnimmt.

Dies bestätigt das BAG in der genannten Entscheidung und stellt weiterhin klar, dass die Unterrichtung keine umfassende Rechtsberatung für jeden individuellen Arbeitnehmer enthalten muss. Die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB diene nicht dazu, den Arbeitnehmer über alle ihn möglicherweise treffenden individuellen Folgen des Betriebsübergangs zu informieren. Sie soll ihn lediglich in die Lage versetzen, sich auf ihrer Grundlage gegebenenfalls weitergehend zu informieren oder beraten zu lassen. Es obliegt dem Arbeitnehmer, die Angaben des Arbeitgebers in sein persönliches Arbeitsverhältnis umzusetzen und sich im Bedarfsfall Rechtsrat dazu einzuholen.

Hierzu ein Beispiel: Der Arbeitgeber hatte im Unterrichtungsschreiben mit Hinweis auf das auch nach dem Betriebsübergang fortbestehende betriebsverfassungsrechtliche Übergangsmandat des Betriebsrats nach § 21a BetrVG vertretbar angenommen, dass der Betriebsteil auch nach dem Betriebsübergang auf die Betriebserwerberin identitätswahrend und somit ohne Eingliederung in den bei der Betriebserwerberin bestehenden Betrieb fortbestehen werde. Ein anderes rechtliches Ergebnis wäre hier möglich gewesen. Da der Arbeitgeber hier jedoch nach angemessener Prüfung eine vertretbare Position eingenommen hatte, entschied das Gericht, dass hieraus nicht die Unrichtigkeit des Unterrichtungsschreibens folge.

Unwesentliche Fehler führen nicht zur Unwirksamkeit

Es stellt sich weiterhin die Frage, ob selbst Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer für einen etwaigen Widerspruch regelmäßig ohne Belang sind, zur Unwirksamkeit der Unterrichtung führen können.

Das BAG führt zu der Frage in seinem Urteil vom 21.03.2024 aus, dass Sinn und Zweck der Unterrichtung seien, den Arbeitnehmern eine hinreichende Entscheidungsgrundlage dafür zu bieten, ob sie dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen möchten. Daraus folgt, dass Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer regelmäßig ohne Belang sind, nicht dazu führen können, dass Fehler im Unterrichtungsschreiben den Lauf der Widerspruchsfrist hindern.

Wenn also auch die korrekte Angabe von Tatsachen bzw. korrekte rechtliche Ausführungen zu keiner anderen Entscheidung bezüglich der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB geführt hätte, handelt es sich um einen unwesentlichen Fehler. Dieser führt nicht dazu, dass das Unterrichtungsschreiben unwirksam wird bzw. die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt.

Wird in einem Unterrichtungsschreiben fehlerhaft angegeben, dass auf Grundlage eines Tarifvertrags Flex-Konten für die Arbeitszeit eingerichtet „werden“, obwohl dies keineswegs verbindlich, sondern im Belieben der Betriebsparteien steht, ist dieser Darstellungsmangel nach Ansicht des BAG für den Willensbildungsprozess zum Widerspruch unwesentlich.

Fazit

Die Entwicklung der Rechtsprechung zu den Auswirkungen unwesentlicher Fehler im Unterrichtungsschreiben auf den Lauf der der Widerspruchsfrist stellt einen Lichtblick für Arbeitgeber dar. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, wann es sich lediglich um einen „unwesentlichen“ Fehler handelt. Arbeitgeber sollten daher weiterhin die bestmögliche Sorgfalt bei der Gestaltung von Unterrichtungsschreiben anwenden. Falls der Erwerber eines Unternehmens relevante Unterlagen zu vergangenen Betriebsübergängen im Rahmen einer Due Diligence nicht erhält, empfiehlt sich eine Absicherung dieses Risikos im Unternehmenskaufvertrag.

Kimia Wenzel

Rechtsanwältin

Associate
Kimia Wenzel berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen in sämtlichen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Neben Restrukturierungsprojekten berät sie ihre Mandanten u. a. in Kündigungsrechtsstreitigkeiten, im Bereich des Betriebsverfassungsrechts sowie in der Vertragsgestaltung. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity/M&A".
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