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Arbeitsrecht in der Transaktion: Die Überraschungen im Due Diligence Prozess

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Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Due Diligence werden die typischen Gestaltungsrisiken abgeklopft – insbesondere Regelungen mit hoher wirtschaftlicher oder strategischer Bedeutung stehen dabei auf dem Prüfstand. Allerdings helfen die klassischen Due Diligence Listen und Prüfkataloge nur bedingt weiter, wenn es um verdeckte Risiken geht. Auch diese können aber Sprengkraft besitzen und sogar zum Deal-Breaker werden.

Den Juristen kommt nicht nur in der Verhandlung von M&A Deals eine wesentliche Rolle zu. Bereits im Vorfeld ist sorgsames Arbeiten angesagt: Im Rahmen der Due Diligence ist zu prüfen, ob Vertragslagen, Handlungen, Auseinandersetzungen, Verfahren etc. besondere Risiken bergen und entweder das Target gänzlich unattraktiv machen oder jedenfalls einer Absicherung über den Kaufpreis oder sonstige Vertragsregelungen bedürfen. Diese Art der Fehlersuche läuft weitgehend nach vergleichbaren Schemata ab und orientiert sich an den klassischen Risikokatalogen der jeweiligen Rechtsgebiete. Im Arbeitsrecht stehen dabei vor allem die individual- oder kollektivvertragliche Regelungslandschaft, die operativen Praktiken und betrieblichen Übungen, der Einsatz besonderer Vertrags- und Beschäftigungsformen (z.B. Leiharbeit, freie Mitarbeiter) und laufende Streitigkeiten und Verfahren im Fokus (siehe hierzu auch Blog Beitrag vom 29. September 2022). Während viele Fehler aus der arbeitsrechtlichen Beratungspraxis gut bekannt sind und daher auch schnell erkannt werden, stechen andere nicht direkt ins Auge und bedürfen eher eines feineren Spürsinns.

Der Klassiker: Das Schriftformerfordernis

Zu der klassischen Fehlerprüfung, die aber bei aller Konzentration auf die Inhalte der zu prüfenden Dokumente manchmal zu kurz ausfällt, zählt die Kontrolle der Unterschriften unter wichtigen Einzeldokumenten wie auch die Einhaltung des Schriftformerfordernisses. Hierzu ein kurzer Überblick:

  • Sind Betriebsvereinbarungen von beiden Seiten unterzeichnet oder fehlt ggf. eine Unterschrift? Dies kann z.B. bei ablösenden Regelungen einer betrieblichen Altersversorgung (siehe hierzu auch Blog Beitrag vom 13. Februar 2023) oder einer Rechtsgrundlage zur Einführung von Kurzarbeit erhebliche Auswirkungen haben.
  • Haben die zuständigen Organe der Gesellschaft oder ansonsten vertretungsberechtigten Personen unterschrieben? Auch hier unterlaufen in der Eile des Gefechts manchmal Fehler, fehlen notwendige Zweitunterschriften oder passen Namen nicht zur Unterschrift.
  • Sind Dokumente tatsächlich unterschrieben worden („wet ink“) oder hat man ganz modern elektronisch signiert? Das spielt in vielen Fällen mangels eines strengen Schriftformerfordernisses keine Rolle. Wenn der Geschäftsführeranstellungsvertrag aber zugleich ein Arbeitsverhältnis beenden soll, kann die Einhaltung der strengen Schriftform einen sehr großen Unterschied machen.
Die Spurensuche: Verdeckte Arbeitszeit- und Lohnrisiken

Schon weniger bekannt sind Risiken, die sich aus dem Zusammenspiel von Arbeitszeit und Lohn ergeben können. So werden zwar typischerweise Gehaltsmodelle, Tarifbindungen und sonstigen Regelungen zur Vergütung abgefragt; und auch Fragen zu Arbeitszeitmodellen und Überstunden zählen mehr oder weniger zum Standard. Nicht immer haben Arbeitsrechtler aber die Verknüpfung der Themen im Blick. Und hieraus können sich zunächst (erhebliche) wirtschaftliche Risiken mit Blick auf offene Restlohnansprüche ergeben. Darüber hinaus sind mögliche Abrechnungsfehler aber auch mit sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Risiken verknüpft, die Säumniszuschläge oder sogar Bußgelder umfassen können. Und spätestens bei einem hiermit verbundenen strafrechtlichen Risiko hört der Spaß für einen potenziellen Käufer auf. Auch hierzu konkrete Fallbeispiele:

  • Arbeitnehmer haben während des Erholungsurlaubs Anspruch auf Urlaubsentgelt, vgl. § 11 BUrlG. Dessen Berechnung richtet sich nach einer Kombination aus dem sog. Lohnausfallprinzip und dem Referenzprinzip. Oder konkreter: Urlaubsentgelt berechnet sich aus dem Produkt der konkret ausgefallenen Arbeitszeit während des Urlaubs (Zeitfaktor) mit dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten dreizehn Wochen vor Urlaubsantritt (Geldfaktor). Wenn Arbeitnehmer nun regelmäßig Überstunden leisten oder zu Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit mit entsprechenden Zuschlägen eingeteilt werden, liegen in dieser Arbeitsform Abrechnungsrisiken. So müssen bei der Berechnung des Zeitfaktors Überstunden, die bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs geleistet worden wären, und bei der Berechnung des Geldfaktors die in den zurückliegenden dreizehn Wochen gezahlten Zuschläge berücksichtigt werden.
  • Leisten Arbeitnehmer regelmäßig Mehrarbeit, die mit Zuschlägen vergütet wird, trifft dies nicht selten auf die Zustimmung aller Beteiligten: Die Arbeitnehmer freuen sich über den Zusatzverdienst, der Arbeitgeber über die Erledigung der Aufgaben und der Betriebsrat über das etablierte Prinzip der Freiwilligkeit. Übersehen wird bei einer solchen Praxis aber manchmal, dass regelmäßige Überstunden Auswirkungen auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben. Nur unregelmäßige „echte“ Überstunden fließen nicht in diese Berechnung ein.
    • Beruhen diese „Abrechnungslücken“ auf einer umfassend fehlerhaften Systematik, können sich rückständige Löhne, Beiträge und Säumniszuschläge schnell auf hohe Beträge summieren.
Das Meisterstück: Betriebsverfassungsrechtliche Risiken

Und schließlich noch ein Blick aufs Kollektivrecht: Betriebsvereinbarungen haben aufgrund ihres kollektiven Bezugs per se das Zeug für eine erhebliche wirtschaftliche Auswirkung. Jeder inhaltliche Fehler, insbesondere diskriminierende Regelungen im Zusammenhang mit anspruchsbegründenden Vereinbarungen (Sozialpläne, Bonussysteme, Pensionszusagen) können selbst bei kleinen streitigen Beträgen aufgrund des Wirkungshebels zu erheblichen Zahlungsrisiken führen. Entsprechend sollte sich die DD-Prüfung nicht nur auf materielle Regelungen beschränken, sondern immer auch das formelle Betriebsverfassungsrecht umfassen. So ist regelmäßig zu hinterfragen, ob die entscheidenden Regelungen überhaupt mit dem zuständigen Gremium vereinbart wurden. Wurden z.B. verschlechternde Versorgungsregelungen fehlerhaft mit einem lokalen Betriebsrat vereinbart, obwohl ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat der richtige Ansprechpartner war, bricht die gesamte Ablösung in sich zusammen. Einen Anlass für eine vertiefte Prüfung bieten zudem Vereinbarungen, die Abweichungen von den gesetzlichen Vertretungsstrukturen begründen. Nicht selten entsprechen solche Strukturvereinbarungen nicht den gesetzlichen Anforderungen und führen damit zu nichtig gebildeten Vertretungen.

Fazit

Das Arbeitsrecht spielt sicher nicht die Hauptrolle im Transaktionsrecht. Aber es birgt auch mit Blick auf die im Einzelfall geringen streitigen Beträge Potential für hohe wirtschaftliche Auswirkungen – schlicht aufgrund der Wirkungshebel Anzahl der Beschäftigten und Anzahl der wiederholten Ansprüche. Es lohnt sich daher, im Rahmen der DD-Prüfung nicht nur inhaltliche Gestaltungsthemen mit Schlagwortsuche aufzugreifen, sondern arbeitsrechtliche Compliance gesamthaft im Blick zu haben.

Prof. Dr. Barbara Reinhard

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Partner
Barbara Reinhard berät Unter­neh­men ins­be­son­dere in kol­lek­tiv­recht­li­chen Ange­le­gen­hei­ten wie etwa Restruk­tu­rie­run­gen, Sanie­rungs­ta­rif­ver­trä­gen, alternativen Mit­be­stim­mungs­struk­tu­ren sowie betrieb­li­chen Mit­be­stim­mungsthemen zu Arbeitsschutz-, Arbeits­zeit- und Ver­gü­tungs­mo­del­len. Sie ist darüber hinaus renommierte Expertin im Arbeit­neh­mer-Daten­schutz­recht sowie in Fra­ge­stel­lun­gen zur arbeits­recht­li­chen Com­p­li­ance und Betrieb­li­chen Alters­ver­sor­gung. Zudem unterstützt sie Organ­mit­glie­der in Trennungs- und Anstellungsprozessen. Barbara Reinhard ist Autorin zahlreicher Fachbeiträge und hält regelmäßig Vorträge. Sie ist Mitglied der Fokusgruppe "Private Equity / M&A".
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