Bei M&A-Transaktionen geben arbeitsrechtliche Themen sicherlich nicht den Ton an. Aber mit der richtigen Expertise kann das Arbeitsrecht auf Käufer- wie auch Verkäuferseite einen wichtigen Beitrag leisten, um Fehlentwicklungen mit hohem Reputationsrisiko aufzudecken oder passende wirtschaftliche Hebel zu liefern. Das arbeitsrechtliche Wertsteigerungspotential sollte daher nicht unterschätzt werden.
Perspektivenwechsel
Die rechtliche Due Diligence schafft in allen drei Phasen einer Transaktion (Acquisition, Business und Sale) eine Grundlage für kluge Verhandlungshebel und Wertsteigerungsansätze. Ihr volles Potential wird aber auch im Arbeitsrecht nur ausgeschöpft, wenn die Informationen in den jeweiligen Phasen und aus der jeweiligen Rolle heraus passend genutzt werden. Dabei spielt die Zeitachse eine erhebliche Rolle; denn arbeitsrechtliche Fehlstellungen lassen sich häufig nicht auf die Schnelle reparieren. Zeit ist aber gerade das, was einem Verkäufer im Transaktionsprozess fehlt. Es sollte daher früh vor dem eigentlichen M&A-Prozess in der Business-Phase die Zeit genutzt werden, um die nächste Transaktion vorzubereiten: Denn der Käufer von gestern ist der Verkäufer von morgen. Und dann zahlt sich ein arbeitsrechtliches Aufräumen richtig aus!
Der Blick des Verkäufers aufs Target – die Sales-Phase
Wird erst bei Erstellung eines Legal Fact Books mit Einleitung der Sales-Phase ein vertiefter Blick aufs Arbeitsrecht gerichtet, ist es mit Ausnahme einzelner Quick Wins häufig zu spät, um den Wert des eigenen Unternehmens durch nachhaltige arbeitsrechtliche Maßnahmen zu steigern – es fehlt schlicht die Zeit. Gleichwohl ist es sinnvoll, vor Öffnung der Datenräume einmal zu prüfen, ob erhebliche Risiken den Kaufpreis senken oder ggf. sogar dem Erfolg einer Transaktion entgegenstehen können. So können mit einem „Readiness Check“ zumindest Überraschungen während der Transaktion vermieden werden.
Arbeitsrechtliche potenzielle Deal Breaker umfassen dabei einmal Klassiker, zu denen unwirksame Lohn- und Bonusmodelle, Altersversorgungsrisiken, rechtswidrige Beschäftigungsmodelle mit Blick auf Scheinselbständigkeit oder auch Restrukturierungshindernisse (Standortsicherungsvereinbarungen) zählen. Aber auch eher unscheinbare arbeitsrechtliche Themen können sich zu echten Red Flags entwickeln. Insbesondere Arbeitszeitmodelle haben dieses Potenzial: So kann ein rechtswidriges Arbeitszeitmodell (Überschreitung von Höchstarbeitszeiten, rechtswidrige Schichtphasen, verbotene Sonntagsarbeit) das gesamte Businessmodell eines Unternehmens in Frage stellen. Und fehlerhafte Zuschlagsberechnungen, Mindestlohnversäumnisse oder ausstehende Überstundenvergütungen können sich nicht nur zu erheblichen Beträgen summieren, sondern bergen mit Blick auf einen möglichen Sozialversicherungsbetrug zudem erhebliche Haftungs- und Reputationsrisiken (siehe hierzu auch Blog-Beitrag vom 18. Oktober 2023).
Der Blick des Gesellschafters aufs Target – die Business-Phase
Will man arbeitsrechtliches Potential richtig nutzen, dann gilt es, in der Businessphase den Fokus auf die wertsteigernden und nachhaltigen Themen zu lenken und vor allem nicht bei der notwendigen Integration eines neuen Targets halt zu machen. Denn nach dem Kauf ist vor dem Verkauf!
Der arbeitsrechtliche Fokus nach einem Kauf liegt zunächst auf Integrationsmaßnahmen, die sich an eine Übernahme anschließen und oft zeitaufwändig sind und wichtige Ressourcen im Unternehmen binden. Sodann werden die typischen Wachstums-, Umstrukturierungs- und Restrukturierungspotentiale geprüft. Auf der Strecke bleibt dabei aber nicht selten ein weitergehendes Aufgreifen derjenigen Themen, die bereits im Due Diligence Prozess entdeckt wurden (sog. „Post Merger House Keeping“).
Hier können die richtige Priorisierung dieser Aufgaben und eine maßgeschneiderte Umsetzung dazu beitragen, ohne großen Aufwand weitere Wertsteigerung zu erzeugen. Denn gerade Umstrukturierungs- und Restrukturierungsthemen können gut mit anpassenden Vertragsgestaltungen und der Implementierung von passenden Vergütungs- und Arbeitszeitmodellen verbunden werden. Das zahlt sich nicht nur für Unternehmens aus, sondern schafft auch Zufriedenheit bei Mitarbeitern. So können insbesondere eine Modernisierung der Modelle, eine Erhöhung der Flexibilität wie auch schlichte Transparenz die Attraktivität von Arbeitgebern und damit zugleich die Werthaltigkeit des Unternehmens steigern.
Der Blick des Käufers aufs Target – die Acquisition-Phase
Und selbstverständlich kann die erste Möglichkeit der Wertsteigerung bereits In der Acquisition-Phase genutzt werden. Denn gerade wenn Verkäufer ihre arbeitsrechtlichen Hausaufgaben nicht vollständig erledigt haben, können über eine Due Diligence aus Käufersicht nicht nur mögliche Haftungsrisiken und ggf. sogar Deal Breaker sondern insbesondere wertmindernde arbeitsrechtliche Gestaltungen entdeckt werden. Diese geben dem Käufer die Argumente an die Hand, den Kaufpreis zu senken, und schaffen damit eine gute Grundlage für spätere Wertsteigerungen.
An dieser Stelle dreht sich also der Kreis: Das, was vorstehend aus Verkäufersicht eine Transaktion gefährdet, ist aus Käufersicht ein möglicher Verhandlungshebel. Hierzu zählen daher wieder die bekannten Risiken einer etwaigen Beschäftigung von Scheinselbstständigen, Gestaltungsrisiken im Bereich der betrieblichen Altersversorgung oder fehlerhafte bzw. risikoreiche Vergütungs- und Arbeitszeitmodelle. Ein Quick Win aufgrund der neueren Rechtsprechung zur Arbeitszeit sind fehlende Arbeitszeiterfassungssysteme – im White Collar und Dienstleistungsbereich sind die strengen Erfassungsmodelle noch kaum verbreitet und gleichwohl kann die Rechtswidrigkeit nicht mehr in Frage gestellt werden.
Bei mitbestimmten Unternehmen lohnt sich auch immer ein Blick auf betriebsverfassungsrechtliche Strukturen und vergütungsrelevante Betriebsvereinbarungen. Nicht selten schlummern hier Nichtigkeitsrisiken, die aufgrund des kollektiven Bezugs und die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter erhebliche wirtschaftliche Risiken beinhalten können.
Fazit
Die arbeitsrechtliche Expertise spielt eine entscheidende Rolle in der M&A Praxis. Sie sollte in allen Transaktionsphasen nicht nur genutzt werden, um „red flags“ zu identifizieren. Vielmehr kann der Wert der Transaktion aus der jeweiligen Perspektive nachhaltig gesteigert werden.