Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sind seit dem 1. Januar 2024 durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – neben den durch das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) begründeten Pflichten – gleich doppelt zur Einrichtung von Hinweisgebersystemen verpflichtet. In diesem Zusammenhang stellt sich in der Unternehmenspraxis regelmäßig die Frage nach der Einrichtung einer integrierten Meldestelle, die sowohl den Vorgaben des HInSchG als auch denen des LkSG gerecht wird. Wir zeigen, welche wesentlichen Aspekte bei der Einrichtung einer solchen integrierten Meldestelle zu berücksichtigen sind.
Integrierte Meldekanäle zulässig?
Die Einrichtung integrierter Meldekanäle ist zulässig, so lange sichergestellt ist, dass die jeweiligen Vorgaben des HinSchG und des LkSG umgesetzt werden. Ein integrierter Meldekanal kann aus Unternehmenssicht mehrere Vorteile haben:
- Die Konfrontation potentieller Hinweisgeber mit zwei verschiedenen Meldekanälen desselben Unternehmens mit unterschiedlichen Zugangs- und Schutzvoraussetzungen dürfte die Hemmschwelle vor Abgabe einer Meldung erhöhen.
- Zwei verschiedene Meldekanäle dürften aufwändiger und teurer zu betreiben sein.
- Unternehmen können durch attraktive und leicht zugängliche Ausgestaltung des internen Meldekanals versuchen zu verhindern, dass Hinweisgeber sich unmittelbar an die staatlich eingerichteten Meldestellen
Wesentliche Verfahrensanforderungen
Beide Gesetze enthalten zahlreiche im Wesentlichen parallele Vorgaben, z.B. zu Rückmeldungen und Gesprächsangeboten an den Hinweisgeber, zur Wahrung der Vertraulichkeit und zum Teil auch zum Hinweisgeberschutz, die wir hier kurz gegenüberstellen:
HinSchG | LkSG |
Keine Verfahrensordnung erforderlich.
Bereitstellung von klaren, leicht zugänglichen Informationen über externe Meldestellen, um Hinweisgebern informierte Wahl zu ermöglichen |
Erstellung einer Verfahrensordnung in Textform; diese ist öffentlich zugänglich zu machen; Unternehmen müssen klare und verständliche Informationen über Erreichbarkeit und Zuständigkeit geben; keine starren Fristenreglungen im LkSG; Beschwerdeverfahren muss „barrierefrei“ sein |
Zusicherung des Schutzes der Vertraulichkeit der Identität u.a. der meldenden Person | Wahrung der Vertraulichkeit der Identität und Gewährleistung eines wirksamen Schutzes vor Benachteiligung oder Bestrafung auch nach Abschluss des Verfahrens |
Bestätigung des Eingangs der Meldung an die meldende Person innerhalb von sieben Tagen nach deren Erhalt | Bestätigung des Eingangs des Hinweises und Dokumentation |
Rückmeldung an Hinweisgeber spätestens drei Monate nach Bestätigung des Eingangs der Meldung | |
Prüfung der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des HinSchG und der Stichhaltigkeit der Meldung
Bei Bedarf: Kontakt mit dem Hinweisgeber halten; erforderlichenfalls Bitte des Hinweisgebers um weitere Informationen und/oder Treffen mit Hinweisgeber |
Prüfung der Beschwerde oder des Hinweises, insb. im Hinblick auf Anwendungsbereich des Beschwerdeverfahrens
Klärung des Sachverhalts und bei Bedarf Sachverhaltserörterung mit dem Hinweisgeber |
Sicherstellung, dass die mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragte Personen unabhängig und frei von Interessenkonflikten sind | Sicherstellung, dass die mit der Durchführung des Verfahrens beauftragten Personen unparteiisch, unabhängig, nicht weisungsgebunden und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind |
Ergreifen von Folgemaßnahmen | Erarbeitung einer Lösung im Austausch mit der hinweisgebenden Person; Unternehmen kann ein Verfahren der einvernehmlichen Beilegung anbieten |
Dokumentation und Aufbewahrung eingehender Meldungen unter Beachtung des Vertraulichkeitsgebots; Löschung der Dokumentation drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens | Jährliche und anlassbezogene Wirksamkeitsprüfung; bei Bedarf Anpassungen am Verfahren oder erfolgten Abhilfemaßnahmen |
Erreichbarkeit und Umgang mit Sprachbarrieren
Das Gesetz überlässt es den Unternehmen im Übrigen weitgehend, wie sie die internen Meldekanäle ausgestalten. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass Hinweise mündlich (telefonisch oder persönlich) oder in Textform (z.B. über eine Online-Plattform oder per E-Mail) abgegeben werden können (HinSchG) bzw. der Meldekanal „barrierefrei“ zugänglich ist (LkSG). Bei telefonischen Meldekanälen kann frei entschieden werden, ob die zeitliche Erreichbarkeit auf Bürozeiten beschränkt werden und ob ggf. ein Anrufbeantworter zur Verfügung gestellt werden sollte.
Die Unternehmenskommunikation zur Erreichbarkeit des internen Meldekanals sollte jedenfalls in deutscher und englischer sowie in sonstigen im Unternehmen gängig gebrauchten Sprachen erfolgen.
Hinsichtlich eingehender Meldungen bietet es sich an, darauf hinzuweisen, dass Meldungen vorzugsweise in deutscher und englischer Sprache abgegeben werden sollten, sie aber in jeder sonstigen Sprache abgegeben werden können und das Unternehmen ggf. einen Übersetzer hinzuzieht. Bei zu erwartenden Einschränkungen durch mangelndes Lese- oder Schreibvermögen, insb. entlang der Lieferkette, kann eine Aufbereitung der Informationen in Form von grafisch aufbereiteten Postern an von den Zielgruppen besonders häufig frequentierten Orten, angezeigt sein.
Gleiche oder verschiedene Meldestellenbeauftrage?
Die Person(en), die die Meldungen entgegennehmen müssen sowohl nach dem HinSchG als auch nach dem LkSG hinreichend unabhängig und frei von Interessenkonflikten sowie zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. Nach dem LkSG muss die Person zudem weisungsfrei handeln können. Vor diesem Hintergrund bietet es sich in der Praxis an, dass die Meldestellenbeauftragten nicht im operativen Bereich tätig sind, sondern Teil der Rechts-, Compliance oder HR-Abteilung sind bzw. je nach Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, diese Rolle auf einen externen Ombudsmann zu übertragen.
Ferner müssen Unternehmen sicherstellen, dass die jeweiligen Meldestellenbeauftragten fachlich hinreichend qualifiziert und sensibilisiert sind, um die Meldungen nach LkSG und/oder HinSchG zu bearbeiten. Dies ist ggf. durch zusätzliche Schulungen sicherzustellen. Darüber hinaus ist es auch bei integrierten Meldekanälen zwar nicht zwingend, aber dennoch häufig ratsam, verschiedene Meldestellenbeauftragte für die Prüfung und Bearbeitung Hinweise nach dem HinSchG und nach dem LkSG zu benennen, da die fachlichen Anforderungen sehr unterschiedlich sein können. Die Zuständigkeiten der jeweiligen Meldestellenbeauftragten sollten vertraglich dokumentiert werden. Von der häufigen Praxis, eine Vielzahl von Personen im Unternehmen als Meldestelle zu benennen, ist im Hinblick auf die Vertraulichkeitsverpflichtungen sowie datenschutzrechtliche Fallstricke allerdings abzuraten.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Einrichtung integrierter Meldekanäle weist für Unternehmen zahlreiche Vorteile auf. Unternehmen müssen bei der Einrichtung gesetzeskonformer Meldesysteme zwar eine Reihe von rechtlichen Vorfragen etwa zur Reichweite des Hinweisgeberschutzes und zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen klären und diverse organisatorische Entscheidungen, u.a. hinsichtlich der Auswahl des passenden Meldekanals und tauglicher Bearbeiter der eingehenden Hinweise treffen. Der Großteil der neuen gesetzlichen Anforderungen nach dem HinSchG und dem LkSG kann jedoch durch klare interner Vorgaben zu Zuständigkeiten und zum Beschwerdemanagement, eine allgemeine Verfahrensbeschreibung und punktuelle Ergänzungen der Compliance-Dokumentation sowie durch die Einführung von Eskalations- und Dokumentationsmechanismen organisatorisch gut umgesetzt werden. Die größte Herausforderung dürfte letztlich darin bestehen, eine offene Speak-up und Listen-up Kultur im Unternehmen und den wesentlichen Lieferbeziehungen zu etablieren.