Der Presse war in den letzten Wochen zu entnehmen, dass bei dem US-amerikanischen Autohersteller Tesla an dessen Standort in Grünheide (Brandenburg) der Versuch einer Neuwahl des Betriebsrats unternommen und gescheitert war. Das Arbeitsgericht Frankfurt Oder hatte in einer Entscheidung vom 12.02.2024 einem Antrag der IG-Metall stattgegeben. Danach war der Wahlversuch aus förmlichen Gründen abzubrechen, weil die Neuwahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erst 24 Monate nach dem Tag der vorausgegangenen Betriebsratswahl stattfinden darf (siehe zu dem Erfordernis von Neuwahlen auf Basis von § 13 Abs. 2 BetrVG auch unseren Blogbeitrag). Gemäß dieser Norm ist außerhalb der regelmäßigen Betriebsratswahlen neu zu wählen, wenn 24 Monate nach der vorausgegangenen Wahl die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer um die Hälfte gestiegen oder gesunken ist. Im Falle von Tesla war die Zahl der Arbeitnehmer in den letzten zwei Jahren seit der Wahl am 29.02.2022 auf über 12.000 Arbeitnehmer gestiegen. Es war daher ein 39-köpfiger neuer Betriebsrat zu wählen.
Zwischen den Zeilen der Presse-Berichterstattung sowie der Stellungnahme der IG-Metall lässt sich entnehmen, dass der nun gerichtlich untersagte Wahltermin auf einen Zeitpunkt gelegt worden war, in welchem ein Großteil der Produktions-Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz anwesend war. Schwierigkeiten bei den Lieferketten im Roten Meer hatten dazu geführt, dass die Produktion einige Zeit ausgesetzt werden musste. Die IG-Metall argumentierte daher, eine Wahl in Abwesenheit der Produktionsmitarbeiter hätte das Ergebnis in unfairer Weise beeinflusst, weil diese in deutlich geringerer Zahl an der Wahl teilgenommen hätten. Es ist zu vermuten, dass die Abwesenheit von größeren Teilen der Produktionsmitarbeiter – bei entsprechend höherem Gewicht der sonstigen Stimmen – das Wahlergebnis beeinflusst hätte. Solche taktischen Erwägungen im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen sind nicht unüblich. Wir hatten in unserem Blog im Rahmen der letzten regulären Wahlen im Frühjahr 2022 auf mögliche Formfehler sowie Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers hingewiesen.
Ein ähnlicher Aspekt, der insbesondere bei internationalen Arbeitgebern regelmäßig für Erstaunen sorgt, ist die Tatsache, dass das Betriebsverfassungsrecht für die erstmalige (oder auch später folgende) Wahl eines Betriebsrats kein Mindestquorum vorsieht. Die Minderheit kann gegen den Willen der Mehrheit einen Betriebsrat wählen. Nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung soll es möglich sein, einen unterzähligen Betriebsrat zu bilden, wenn von vornherein weniger Arbeitnehmer kandidieren wollen als nach § 9 BetrVG erforderlich, oder wenn nach der Wahl nicht genügend Gewählte die Wahl annehmen. § 11 BetrVG soll dann entsprechend anzuwenden sein mit dem Ergebnis, dass die nächstniedrigere Betriebs(rats)größe zu Grunde zu legen ist. Wenn also in einem 20-köpfigen Betrieb nur zwei Arbeitnehmer bereit sind zu kandidieren (obwohl nach § 9 BetrVG ein dreiköpfiger Betriebsrat zu wählen wäre), so sei ein einköpfiger Betriebsrat zu wählen (die nächstkleinere ungerade Zahl). Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dem Arbeitgeber sollten die Kosten einer Wiederholungswahl nicht aufgebürdet werden. Gegen diese Auffassung kann man den Wortlaut des Gesetzes sowie das Demokratieverständnis ins Feld führen: Wenn die Belegschaft mangels ausreichender Kandidaten einen Betriebsrat nicht einmal in der nach § 9 BetrVG vorgeschriebenen Größe bilden kann oder bilden will, so muss der Wahlvorstand eine Nachfrist setzen und gegebenenfalls bei weiterhin nicht ausreichenden Wahlvorschlägen die Wahl absagen. Die Möglichkeit einer Neuwahl ist im betriebsratslosen Betrieb ohnehin jederzeit und somit auch nach einem solchen erfolglosen Wahlversuch gegeben.