Seit dem 2. Juli 2023 müssen Unternehmen ab 250 Beschäftigten interne Meldestellen für Whistleblower eingerichtet haben, die dort Fehlverhalten melden können. Was macht das mit der Unternehmenskultur? Führt das zu einer „Kultur des Petzens“, in der jeder Angst hat, bloß nichts falsch zu machen, weil er sonst von Kollegen „verpfiffen“ wird? Nein. Bei richtiger Begleitung der Thematik seitens der Unternehmensverantwortlichen wird ein funktionierendes Hinweisgebersystem vor allem die Chance bieten, das Compliance- und Attraktivitätslevel des Unternehmens zu erhöhen.
Mitarbeiter dürften über kurz oder lang ihre Schutzrechte aus dem Hinweisgeberschutzgesetz erkennen und dadurch stärker als bislang ermutigt sein, Missstände ans Tageslicht zu bringen. Das kann durchaus positiv wahrgenommen werden. Wenn eine vom Hinweisgeber losgetretene „Aufräumaktion“ beispielsweise das Unternehmensklima verbessert, wird er dafür Anerkennung aus der Mitarbeiterschaft erhalten. Held statt Petze sozusagen.
Die Stärkung dieses Bildes vom Hinweisgeber liegt durchaus im Interesse des Unternehmens. Denn durch Meldungen von Hinweisgebern können nicht selten schmerzhafte Bußgelder oder Imageschäden vermieden werden. Dabei ist die Unterstützung des Whistleblowings Ausdruck einer nachhaltigen und verantwortlichen Unternehmensführung – ein immer relevanteres Kriterium für die Attraktivität von Unternehmen. Dem sogenannten „Tone from the Top“ kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Die Unternehmensführung sollte zum Ausdruck bringen, dass unternehmensinterne Hinweise bei der hierfür eingerichteten Meldestelle nicht verpönt sind und es nicht nur bei der bloßen Möglichkeit einer Mitteilung bleiben sollte, sondern dass eine aktive Mitwirkung ausdrücklich erwünscht ist.
Ziel: attraktive und niederschwellige Meldemöglichkeit
Doch damit allein ist es nicht getan. Damit die interne Meldestelle auch genutzt wird, muss sie attraktiv und niederschwellig gestaltet sein. Dies ist gerade deshalb so wichtig, weil mit dem Hinweisgeberschutzgesetz auch staatliche Meldestellen gestärkt bzw. eingerichtet wurden. So können sich Hinweisgeber an die BaFin, das Bundeskartellamt und das Bundesamt für Justiz wenden. Sie haben dabei ein Wahlrecht, ob sie sich zuerst an die interne Meldestelle im Unternehmen oder direkt an die externen Meldestellen bei Behörden wenden. Landet die Meldung erst einmal bei einer Behörde, wäre der Einfluss des Unternehmens hinsichtlich der Aufklärungsmaßnahmen begrenzt. Auch Anstrengungen zur Schadensbegrenzung und sofortige Abhilfemaßnahmen könnten erst zeitverzögert und nicht mehr ohne Aufmerksamkeit der Behörden erfolgen, ganz zu schweigen von der denkbaren Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Dies kann nicht im Interesse von Unternehmen liegen, weshalb sie alles dafür tun sollten, dass im ersten Schritt die unternehmenseigene Meldemöglichkeit genutzt wird.
Was heißt attraktiv und niederschwellig?
Damit die Meldestelle von den Beschäftigten angenommen wird, ist in erster Linie wichtig, dass sie allen Mitarbeitern bekannt ist. Alle Beschäftigten sollten ausdrücklich auf die Möglichkeit der Nutzung hingewiesen und mit dem System vertraut gemacht werden. Hierzu können verschiedene Kommunikationswege genutzt werden, wie beispielsweise regelmäßige Reminder in Newslettern oder Hinweise im Intranet des Unternehmens, als auch Workshops und persönliche Ansprachen im Rahmen von Meetings oder Veranstaltungen. Dies verhindert, dass allein die fehlende Kenntnis von dem System Compliance-Verstöße ungeachtet lässt.
Darüber hinaus sollte die praktische und technische Umsetzung benutzerfreundlich ausgestaltet sein. Langwierige Prozesse bis zur Abgabe eines Hinweises können die Beschäftigten davon abhalten, Meldungen zu tätigen. Etabliert haben sich einfach zugängliche webbasierte Systeme wie das von unserem Kooperationspartner EQS. Diese sind üblicherweise von unterschiedlichen Devices erreichbar, intuitiv nutzbar und im Einklang mit den hohen Datenschutz- sowie Vertraulichkeitsstandards konfigurierbar. Sie ermöglichen auch die direkte Kommunikation mit dem Hinweisgeber. Erfahrungsgemäß gehen mehr Meldungen ein, wenn eine anonyme Meldemöglichkeit zugelassen wird – auch wenn hierzu keine Pflicht nach dem Hinweisgeberschutzgesetz besteht.
Wichtig ist schließlich, dass die potenziellen Hinweisgeber nicht nur Vertrauen in das System, sondern auch in die Personen haben, die ihre Meldungen bearbeiten. Die Meldestelle sollte mit kompetentem, gut geschultem Personal besetzt sein. Dabei sollte klar kommuniziert werden, dass das System für die Beschäftigten technisch sicher ist und sie keine nachteiligen Konsequenzen zu befürchten haben. Hier wird es helfen zu betonen, dass dies auch gesetzlich sichergestellt ist.
Missbrauch verhindern
Klar ist aber auch, dass Unternehmen kein Interesse daran haben, dass die Meldemöglichkeit missbraucht wird, um dem Unternehmen oder bestimmten Personen bewusst zu schaden, etwa durch Falschmeldungen. Zudem würden Meldungen zu Lappalien wie der kaputten Kaffeemaschine die Meldestelle mit unnötigem bürokratischem Mehraufwand belasten. Diesen Gefahren können Unternehmen begegnen, indem sie klar kommunizieren, wofür das Meldeportal genutzt und nicht genutzt werden sollte – was also dem Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes unterfällt und was nicht. Hierbei sollte auch darauf hingewiesen werden, dass das Hinweisgeberschutzgesetz für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschmeldungen ausdrücklich Schadensersatzansprüche gegenüber dem vermeintlichen Hinweisgeber vorsieht.
Wie können wir Sie unterstützen?
Wir von KLIEMT.Arbeitsrecht beraten Unternehmen ganzheitlich zu allen Fragen rund um die Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes. Dabei decken wir neben den rechtlichen auch die kulturellen und kommunikativen Themen ab. Zudem bieten wir Trainings und Workshops für Meldestellenbeauftragte und Mitarbeiter an. Sprechen Sie uns gerne an.